# taz.de -- Anzeigen wegen fehlerhaftem G36: „Mafiöse Zustände“ | |
> Rüstungsgegner haben gegen Thomas de Maizière und die Rüstungsfirma | |
> Heckler & Koch Anzeige erstattet. Die Mängel seien bekannt gewesen. | |
Bild: Ursula van der Leyen und Thomas de Mazière nehmen im Verteidigungsauschu… | |
BERLIN taz | Er habe immer richtig entschieden, beteuerte der ehemalige | |
Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Mittwoch im | |
Verteidigungsausschuss des Bundestages. Für einen Stopp des Einkaufs von | |
G36-Gewehren der Rüstungsfirma Heckler&Koch (H&K) habe es keine | |
Veranlassung gegeben. | |
Doch bevor der CDU-Politiker in dem parlamentarischen Gremium Rede und | |
Antwort zu G36-Affäre stehen musste, häuften sich weitere Vorwürfe gegen de | |
Maizière, der das Ministerium von März 2011 bis Dezember 2013 leitete. | |
Rüstungsgegner haben Anzeige gegen das Unternehmen und das Ministerium | |
erstattet. Sie beziehen sich auf interne Unterlagen, die der taz vorliegen | |
und bestätigen, dass die Mängel des G36 in der Behörde offensichtlich | |
gezielt heruntergespielt wurden. | |
H&K habe sich des Betrugs in besonders schwerem Fall schuldig gemacht, | |
erklärt Rechtsanwalt Holger Rothbauer. „Obwohl die Firma 2011 genau wusste, | |
dass das Gewehr erhebliche Probleme aufweist, hat sie es noch weiter | |
verkauft“, kritisiert er. De Maizière sowie dessen Nachfolgerin Ursula von | |
der Leyen (CDU) wirft der Tübinger Jurist Untreue vor. | |
## Schäden in Millionenhöhe | |
Beide hätten den Einkauf der Gewehre zugelassen, obwohl sie wussten, dass | |
die Waffen nicht ausreichend funktionstüchtig seien. Mit Steuergeldern | |
seien so Schäden in Millionenhöhe angerichtet worden. Friedensaktivist | |
Jürgen Grässlin, der die Anzeige gemeinsam mit Rothbauer stellte, spricht | |
sogar von Strafvereitelung im Amt. | |
Die Vorwürfe gehen auf interne Dokumente aus dem Verteidigungsministerium | |
zurück. Die Unterlagen, die dem BR und dem SWR zugespielt wurden, werfen | |
neue Fragen in der G36-Affäre auf. Demnach ermittelte die | |
Staatsanwaltschaft Rottweil aufgrund eines anonymen Schreibens bereits im | |
Januar 2011 wegen Betrugs gegen H&K. Es sollte geprüft werden, ob die Firma | |
thermische Probleme des Gewehres wissentlich gegenüber dem Ministerium | |
verschwiegen habe. | |
In der Folge sprechen Untersuchungen der Behörde von erheblichen Mängeln | |
aus militärischer Sicht. „Ein Treffen auf 100 m ist noch recht | |
wahrscheinlich, auf 200 oder 300 m nahezu unmöglich“, resümierte die | |
Wehrtechnische Dienststelle 91 (WTD 91) und das Wehrwissenschaftliche | |
Institut für Werk- und Betriebsstoffe (WIWeB). Darüber informierte ein | |
Zwischenbericht des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung am 28. März | |
2011. Dennoch wurde das Gewehr bis 2013 munter weiter gekauft. | |
## Fragwürdige Verfahrenseinstellung | |
Auch die Rottweiler Strafverfolger stellten ihre Ermittlungen bereits am 1. | |
August 2011 wieder ein. Begründung: Die Vorwürfe bezögen sich auf Verträge | |
aus dem Jahr 1995 und seien damit verjährt. Eine fragwürdige Entscheidung – | |
denn de facto wurden bis 2011 mindestens 40 Verträge über den Kauf von | |
Waffen und Zubehör abgeschlossen. Beamte des Ministeriums schickten damals | |
nur jenen Vertrag von 1995 an die Staatsanwaltschaft und betonten | |
regelmäßig die militärische Tauglichkeit des Gewehrs. | |
Anzeigensteller Grässlin geht deshalb von einer engen Kooperation zwischen | |
H&K und dem Verteidigungsministerium aus: „Das erinnert mich an mafiöse | |
Zustände.“ Die Schwarzwälder Waffenschmiede erklärte indes auf taz-Anfrage, | |
beim Gewehr G36 liege kein Mangel vor. | |
10 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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