# taz.de -- Interview mit CDU-General Kai Wegner: „Klamauk machen wir nicht m… | |
> Vor dem Parteitag am Samstag weist Generalsekretär Kai Wegner die | |
> SPD-Kritik beim Thema Homo-Ehe scharf zurück. | |
Bild: Kai Wegner: „Gesellschaftlich ist doch Schwulsein in Berlin absolut akz… | |
taz: Herr Wegner, „Wir wollen #mehr“ ist der CDU-Parteitag am Samstag | |
überschrieben. Bloß: Mit wem wollen Sie nach der Abgeordnetenhauswahl in 15 | |
Monaten noch regieren? | |
Kai Wegner: Wir wollen bei der Abgeordnetenhauswahl vor allem erst mal | |
stärkste Kraft werden … | |
… was ja allein nicht zum Weiterregieren reicht. | |
Wir werben um das Vertrauen der Wähler, und dann müssen wir tatsächlich | |
einen Koalitionspartner finden. Denn so blauäugig bin ich auch nicht, dass | |
ich glaube, dass die CDU die absolute Mehrheit bekommt. | |
Das wäre auch doppelt so viel wie aktuell – da liegt die CDU bei 25 | |
Prozent, die SPD kommt, nachdem sich die Wogen um die Wowereit-Nachfolge | |
geglättet haben, auf 29, ohne sonderlich zu glänzen. Wie wollen Sie da noch | |
stärkste Kraft werden? | |
Vor einem Jahr, als die Sozialdemokraten weit hinter uns lagen, hieß es: | |
Wie soll diese SPD wieder an der CDU vorbeikommen? Das sind immer | |
Momentaufnahmen, das kann sich ganz schnell ändern. Die SPD profitiert | |
davon, dass Michael Müller als Regierender Bürgermeister immer noch den | |
Bonus des Neuen hat, obwohl er schon seit Langem Verantwortung trägt. | |
Aber es drängt sich doch keiner danach, mit Ihnen zu regieren. Selbst in | |
öffentlichen Abgeordnetenhaussitzungen ist zunehmend sichtbar, wie tief der | |
Graben zwischen SPD und CDU ist, den offenbar nur noch nominellen | |
Koalitionspartnern. | |
Es ist schon spürbar, dass es so langsam, aber sicher Richtung Wahltermin | |
geht. Ich habe dabei die Sorge, dass die SPD mit dem Wechsel von Wowereit | |
zu Müller schon den Wahlkampf eingeläutet hat. Das ist zu früh – eine | |
Regierung hat ja nicht den Auftrag, eineinhalb Jahre vor der Wahl schon | |
Wahlkampf zu machen. Dennoch gilt: Diese Regierung hat eine gute Bilanz. | |
Und doch meldet sich kaum einer bei den Sozis, der mit Ihnen weitermachen | |
will. | |
Man spürt tatsächlich bei dem einen oder anderen in der SPD eine Sehnsucht | |
zurück zu Rot-Rot. Aber ich bezweifle, dass die Berliner das wollen. | |
SPD-Chef Jan Stöß wirft der CDU jetzt vor, Lichtjahre von einer liberalen | |
Hauptstadtpartei entfernt zu sein, weil sie gegen eine Bundesratsinitiative | |
zur Homo-Ehe ist. So redet keiner, der mit der CDU verbandelt bleiben will. | |
Ich glaube, Jan Stöß versucht nach seiner schweren Niederlage gegen Michael | |
Müller bei der Wowereit-Nachfolge wieder auf einen grünen Zweig zu kommen | |
und hat deshalb diese Attacke gestartet. So einen Klamauk machen wir nicht | |
mit … | |
Was ist für Sie der Klamauk – der Satz von Stöß oder die | |
Bundesratsinitiative? | |
Ehrlich gesagt: beides. Dieser Satz von Herrn Stöß, weil er völliger | |
Quatsch ist – natürlich ist die Berliner CDU eine liberale und soziale | |
Großstadtpartei. Am Samstag beim Parteitag wird es beispielsweise auch um | |
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehen. Mit Klamauk meine ich aber | |
auch, einen Schaufensterantrag zu stellen, denn eine Bundesratsinitiative | |
wird in der Sache nicht viel bewirken. Entscheidend ist, dass wir eine | |
breite gesellschaftliche Debatte über die Homo-Ehe führen. Da hat | |
sicherlich auch die Union Diskussionsbedarf. Mit der jetzt von unserem | |
Landesvorsitzenden Frank Henkel vorgeschlagenen Mitgliederbefragung gehen | |
wir den richtigen Weg. | |
Schaufenster hin oder her – Politik besteht auch aus Zeichen, und es wäre | |
ein klares Signal des Berliner CDU-Landesverbands gewesen, sich gemeinsam | |
mit der SPD zur Homo-Ehe zu bekennen. | |
Wir als Berliner Christdemokraten sind der Vorreiter innerhalb der Union. | |
Wir sind der CDU-Landesverband, der die Lesben- und Schwulen-Union | |
innerhalb der Partei als erster anerkannt hat, wir sind jedes Jahr beim | |
Christopher Street Day sehr gern dabei, wir haben viele Mandatsträger, die | |
bekennend homosexuell sind. Entscheidend ist, die Fragen dort zu | |
diskutieren, wo sie zu klären sind: nämlich auf der Bundesebene. Wir | |
brauchen jetzt einen innerparteilichen Diskussionsprozess, und wir brauchen | |
zügig ein Ergebnis. | |
Sie haben Abgeordnete und Mandatsträger angesprochen, aber wie sieht das | |
Ihre Basis? | |
Da gibt es natürlich Gegner und Befürworter, wie auch außerhalb der Partei. | |
Gesellschaftlich ist doch Schwulsein in Berlin absolut akzeptiert. Keiner | |
muss sich mehr verstecken, wenn er homosexuell ist. Ich glaube, dass die | |
CDU da sehr, sehr offen ist. | |
Ein Nein der CDU würde ja auch Ihre Bemühungen um die Grünen als | |
Koalitionspartner konterkarieren. Sie sind ja seit Jahren berlinweit der | |
lauteste Werber für Schwarz-Grün, loben die kleinsten Ansätze von | |
Zusammenarbeit und vor allem die Koalition von CDU und Grünen in Hessen … | |
… wo Sie ja absolut niemand für möglich gehalten hat. | |
Was macht Sie denn so zuversichtlich, dass die Grünen ohne Not irgendein | |
Interesse an einer solchen Koalition haben könnten? | |
Warum „ohne Not“? | |
Weil die Grünen nach derzeitigem Umfragestand gut mit der SPD regieren | |
könnten, noch nicht mal die Linkspartei dazu brauchen und Rot-Grün in | |
beiden Parteien viele, viele Freunde hat. | |
Umfragen sind noch keine Wahlergebnisse. Und: Nach der Wahl 2011 hätten die | |
Grünen rechnerisch mit der SPD regieren können wie auch schon 2006, aber | |
die SPD wollte das ja nie. | |
Klaus Wowereit wollte das nicht, viele SPDler wollten das durchaus. | |
Ich bezweifle, dass er das so ganz allein entscheiden konnte. Auf jeden | |
Fall hat sich ein SPD-Landesparteitag zweimal klar gegen Rot-Grün | |
ausgesprochen. Da müssen sich die Grünen genau überlegen, ob sie sich das | |
nochmal antun wollen. Ich habe den Eindruck, dass es bei den Grünen auf | |
Landes- wie auf Bundesebene sehr viele führende Köpfe gibt, die sich gar | |
nicht im Vorfeld auf einen Partner festlegen wollen. | |
Wer sendet denn für Sie bei den Berliner Grünen konkret Signale aus, offen | |
für die CDU zu sein? | |
Es gibt ja sowohl zwischen Fachpolitikern Kontakte als auch Gespräche mit | |
einzelnen Personen. Und wenn ich mir die Themen anschaue: Vieles wird von | |
der SPD viel stärker ideologisiert als von den Grünen. | |
Zum Beispiel? | |
Nehmen wir nur mal die Rekommunalisierung. Ich bin prinzipiell kein Gegner | |
davon – es muss nur Sinn ergeben. Bei den Sozialdemokraten habe ich | |
hingegen das Gefühl, dass es weniger um die Sache geht als vielmehr um | |
Ideologie. Ich glaube, wir könnten uns hier viel schneller mit den Grünen | |
darüber einigen, wie wir mit den landeseigenen Betrieben umgehen oder wie | |
wir eine Energiewende gestalten. Auch beim Thema Kita-Gebühren sind uns die | |
Grünen sehr viel näher als den Sozialdemokraten. | |
Aber bei Feldern wie der Flüchtlings-, Drogen-, Innen- oder Verkehrspolitik | |
liegen ja nun wirklich jene Lichtjahre zwischen Schwarz und Grün, von denen | |
Stöß gesprochen hat. | |
Selbst da sehe ich Veränderung. Ich habe mich gefreut, als der | |
innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion 2012 plötzlich mehr | |
Polizeikräfte auf den Straßen gefordert hat. Das ist eine Entwicklung, die | |
ich jahrelang bei den Grünen vermisst habe. Auch hier scheinen sie in der | |
richtigen Richtung unterwegs. Aber sie haben trotzdem in vielen anderen | |
Bereichen noch einen langen Weg vor sich. | |
Die Grünen würden bestreiten, dass sie es nötig haben, sich auf Sie | |
zuzubewegen. Die sehen, wenn sie sich überhaupt darüber Gedanken machen, | |
vielmehr die CDU vor einem mindestens genauso langen Weg. | |
Dann einigen wir uns doch, dass wir uns in der Mitte treffen. Letztlich | |
gilt eins: Koalitionen scheitern nie an Inhalten, sondern nur an Personen. | |
Unterm Strich ist Schwarz-Grün doch für Sie allen Werbens zum Trotz keine | |
Herzenssache, sondern der strategisch einzige Ausweg aus der drohenden | |
Opposition. | |
Ich will tatsächlich, dass die CDU Optionen hat. Ich möchte nicht, dass es | |
gottgegeben ist, dass sich in Berlin immer nur die SPD aussuchen kann, mit | |
wem sie regiert – denn so verhält man sich dann auch und meint, einem | |
gehöre die Stadt. | |
Wann schließen Sie eine Zusammenarbeit mit der AfD aus? | |
Das haben wir schon getan. Die AfD ist für uns kein Partner, und ich bin | |
froh, dass jetzt eintritt, was ich schon früh gesagt habe: Dass sie sich | |
irgendwann selbst zerlegen wird. | |
Am Samstag steht Frank Henkel als Landeschef zur Wiederwahl – als | |
Spitzenkandidat für 2016 haben Sie ihn ja bereits im März ausgerufen. | |
Fragen Sie da auch noch mal die Mitglieder oder macht bei der CDU die | |
Nominierung nur noch allein der Generalsekretär? | |
Das wär schön. Spaß beiseite: Auch unser Fraktionsvorsitzender sagt immer | |
wieder, dass Frank Henkel die unangefochtene Nummer 1 ist und unser | |
Spitzenkandidat sein wird. Die Partei ist sich da einig, bei uns sind die | |
Führungsfragen geklärt, übrigens ganz im Gegensatz zur SPD. | |
Warum? | |
Ich habe manchmal das Gefühl, dass da bei Michael Müllers Konkurrenten die | |
Niederlage noch nicht ganz verdaut ist. | |
Offiziell haben sich doch Stöß und Raed Saleh als Fraktionschef klar hinter | |
den Regierenden Bürgermeister gestellt. | |
Offiziell nehme ich das auch zur Kenntnis – meine persönliche Wahrnehmung | |
ist aber eine andere. | |
9 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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