# taz.de -- Frauenfußball in Kanada: Es kann nur besser werden | |
> Frauenfußball ist im Kommen, aber eine Profiliga fehlt noch. Es gibt | |
> starke Talente, aber Medien, Sponsoren und Zuschauer sind zurückhaltend. | |
Bild: Die Kanadierin Adrianna Leon kämpft mit der Engländerin Claire Rafferty… | |
Edmonton taz | Es ist ein warmer Frühjahrsabend in der kanadischen | |
Präriemetropole Edmonton. Die Sonne ist gerade hinter den Wolkenkratzern | |
verschwunden, als Veronique Mayer und Victoria Saccomani nach dem Training | |
erschöpft vom Fußballfeld laufen. | |
„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass die WM in ein paar Tagen | |
losgeht“, meint Mayer und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Ihre | |
Mannschaftskollegin Saccomani sagt: „Ich werde mir so viele Spiele wie | |
möglich live im Stadion ansehen.“ Saccomani und Mayer spielen als Amateure | |
für den Victoria Soccer Club, eine der besten Mannschaften in Kanada und | |
eine der größten Talentschmieden des Landes. Fünfmal hat das Team schon die | |
nationale kanadische Amateurmeisterschaft gewonnen, auch 2014. | |
An die WM im eigenen Land, die am Samstag in ihrer Heimatstadt Edmonton | |
eröffnet wird, knüpfen die beiden Frauen große Hoffnungen – auf dem Platz, | |
aber auch außerhalb. „Für den Frauenfußball in Kanada ist die WM die große | |
Chance auf den endgültigen Durchbruch“, erklärt Mayer, eine 29-jährige | |
Verteidigerin, die einmal im U17- und U19-Nationalteam gespielt hat und | |
heute in ihrer Freizeit beim Victoria Soccer Club kickt. | |
Tatsächlich ist der Frauenfußball in Kanada im Aufwind. Das Nationalteam | |
gewann bei Olympia 2012 Bronze, und manche Experten schreiben der | |
Mannschaft bei der WM Außenseiterchancen zu. Nationaltrainer John Herdman | |
hat als Ziel die Finalteilnahme ausgegeben. Stars wie Spielführerin | |
Christine Sinclair sind für eine ganze Generation von Mädchen zu Vorbildern | |
geworden. | |
## Populärster Breitensport | |
Das macht sich auch an der Basis bemerkbar: Fast eine halbe Millionen | |
Frauen und Mädchen haben sich für den Sport angemeldet, so viele wie noch | |
nie zuvor. Bei den Frauen ist der Fußball mit Abstand zum populärsten | |
Breitensport aufgestiegen, obwohl Soccer im Eishockeyland Kanada wegen der | |
langen Winter und kurzen Freiluftsaison eigentlich keine Tradition hat. | |
„Immer mehr Eltern melden ihre Töchter zum Fußball an“, berichtet Richard | |
Adams, Chef des Fußballverbandes in Edmonton. „Sie sehen Fußball als | |
vielversprechende und unkomplizierte Sportart“, erklärt Adams in seinem | |
Büro unweit des Commonwealth Stadium, in dem Kanada und China heute das | |
Eröffnungsspiel bestreiten. | |
Adams hofft, dass die WM dem Fußball in Kanada auch als Leistungssport | |
einen Schub verleiht. Denn der Boom im Breitensport hat sich bislang nicht | |
auf die Profiebene ummünzen lassen. Dort steht der Fußball noch immer im | |
Schatten der großen Profi-Sportarten wie Eishockey, Football oder Golf. | |
Bis heute gibt es in Kanada keine eigene Profiliga, weder für Männer noch | |
für Frauen. In der dafür eingerichteten National Women’s Soccer League | |
(NWSL) spielen bislang nur Teams aus den USA. 14 der 23 kanadischen | |
Nationalspielerinnen sind im Ausland tätig, die allermeisten in Chicago, | |
Houston oder Portland. Der kanadische Verband subventioniert sogar ihre | |
Gehälter, damit sie in den USA Erfahrung sammeln können. | |
## Kaum Entwicklungschancen | |
Auf der College-Ebene sieht es nicht besser aus: Eine hauptsächlich für | |
nordamerikanische Studentinnen gedachte, halbprofessionelle Liga, die | |
sogenannte W-League, verlor kurz vor der Weltmeisterschaft wegen fehlender | |
Mittel vier ihrer sechs kanadischen Teams. | |
„Medien, Sponsoren und Zuschauer in Kanada sind beim Fußball nach wie vor | |
sehr, sehr zurückhaltend, trotz der Popularität unseres Nationalteams“, | |
beklagt Funktionär Adams. Mit bislang 900.000 verkauften WM-Tickets ist der | |
Verband bislang noch vom selbst gesteckten Ziel von 1,5 Millionen Tickets | |
entfernt. Selbst die besten kanadischen Fußballteams wie der Victoria | |
Soccer Club spielen meist auf Nebenplätzen vor ein paar hundert Zuschauern. | |
Veronique Mayer findet das frustrierend, denn so haben junge Talente im | |
eigenen Land kaum Entwicklungschancen. „Der Kampf um Anerkennung ist zäh | |
und erfordert sehr viel Geduld“, meint Mayer. „Wir hoffen inständig, dass | |
die WM auch bei der breiten Masse in Kanada Begeisterung auslösen wird, | |
damit es für die nächste Generation vielleicht etwas leichter wird.“ | |
Wie für ihre Mannschaftskollegin Victoria Saccomani. Die 20-jährige | |
Studentin gehört nach Einschätzung ihres Trainers schon heute zu den besten | |
Abwehrspielerinnen in Kanada, trainiert im Leistungszentrum des nationalen | |
Verbandes und hat zuletzt bei der College-WM für ihr Land gespielt. Eines | |
Tages will sie Fußballprofi werden, so wie ihr großes Vorbild Christine | |
Sinclair. | |
„Ich bin zäh, ich werde mich schon durchbeißen“, gibt sich Saccomani nach | |
dem Training überzeugt. | |
6 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Jörg Michel | |
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