# taz.de -- Korruptionsskandal bei der Fifa: Die Uefa droht nur ein wenig | |
> Angst vor der eigenen Courage: Die Wiederwahl von Fifa-Präsident Blatter | |
> scheint trotz des Korruptionsskandals sicher zu sein. | |
Bild: Michel Platini ist kein Fan von Fifa-Chef Blatter | |
BERLIN taz | Der Mann aus Afghanistan fängt an. Ein Handlungsreisender aus | |
Simbabwe setzt den Schlusspunkt. Dann ist die Wahl zum neuen | |
Fifa-Präsidenten vorbei. Der Afghane und der Simbabwer werden am späten | |
Freitagnachmittag sehr wahrscheinlich für Sepp Blatter stimmen, den leicht | |
angeschlagenen Sonnenkönig. | |
Die Fußballkontinente Asien und Afrika stehen trotz des aktuellen | |
Korruptionsskandals fest zu Blatter. Der 79-Jährige ist ihr Mann. Der AFC | |
und die CAF, wie die Verbände in Kurzform heißen, liefern dem Fußballboss | |
immerhin 100 der insgesamt 209 Stimmen. | |
Aber tritt Blatter überhaupt an? Natürlich. Zwar wurden vorgestern fast ein | |
Dutzend Fifa-Funktionäre wegen Korruption in Gewahrsam genommenund gestern | |
etliche hochrangige Fifa-Mitglieder von der Schweizer Staatsanwaltschaft | |
vernommen. Doch der vife Greis bewegt sich in diesem Justiz-Thriller wie | |
ein Baum im Auge des Orkans. Er wankt kaum. | |
Das hätte der europäische Fußballverband Uefa gern geändert. Demonstrativ | |
stellte er sich gegen den Patriarchen Blatter, der den Fußballweltverband | |
seit mehr als drei Jahrzehnten als Generalsekretär und Präsident geprägt | |
hat. Der Chef des englischen Fußballverbands FA, Greg Dyke, sagte am | |
Donnerstag in Zürich, Blatter solle sofort zurücktreten: „Es gibt keinen | |
Weg, um Vertrauen in die Fifa wiederaufzubauen, während Sepp Blatter nach | |
wie vor da ist.“ Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Wolfgang | |
Niersbach, findet, „dass ein Wechsel an der Fifa-Spitze angebracht wäre“. | |
## „Geh weg!“ | |
Auch Uefa-Chef Michel Platini wurde deutlich: „Ich bin fertig“, sagte er, | |
„das war viel zu viel, ich liebe die Fifa, aber ganz ehrlich: Ich bin | |
sprachlos.“ In einem persönlichen Gespräch will er Blatter, seinem | |
„Freund“, unter Tränen ins Gesicht gesagt haben, dass er gehen soll: „Se… | |
lass es sein. Geh weg von der Fifa!“ Blatters Replik: „Es ist zu spät. Ich | |
kann nicht aufhören. Nicht zu Beginn des Kongresses.“ Blatter will bleiben. | |
Die Uefa forderte gestern zunächst eine Verschiebung der Wahl. Sogar ein | |
Boykott des Votums stand zur Debatte, aber es blieb dann bei der Drohung. | |
Mit einem Boykott hätten die Europäer zwar Blatter eins auswischen, aber | |
auch nicht für dessen Gegenkandidaten stimmen können, für Prinz Ali bin | |
al-Hussein aus Jordanien. | |
„Bitte unterstützt Ali, wir brauchen die Moral, wir brauchen einen neuen | |
Präsidenten!“, rief Platini nun die Fifa-Funktionäre auf. Und er wartete | |
mit einer weiteren Drohung auf: Bei einer Sondersitzung in Berlin in der | |
kommenden Woche wolle die Uefa über einen Rückzug ihrer Teams aus allen | |
Fifa-Wettbewerben beraten. Ernsthaft? | |
Blatter selbst hatte am Mittwoch, dem Tag der spektakulären Verhaftungen im | |
Zürcher Hotel Baur au Lac, auf einen öffentlichen Auftritt verzichtet und | |
nur eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Konklusio: „Derartiges | |
Fehlverhalten hat im Fußball keinen Platz. Wir werden dafür sorgen, dass | |
alle daran beteiligten Personen aus dem Fußball entfernt werden.“ Was die | |
Fifa dann auch tat. Die Bösewichte wurden suspendiert. | |
## Strategisches Interesse | |
Auch am Donnerstag machte sich Blatter zunächst rar, traf sich dann aber | |
mit den Fußballchefs aller Kontinente – auch mit Platini, der ja ebenfalls | |
ein Fifa-Funktionär ist. | |
Die Europäer haben ein strategisches Interesse, Blatter zu schwächen, um | |
selbst mehr Einfluss zu gewinnen. Ihnen geht es zum Beispiel gegen den | |
Strich, dass Länder wie Bhutan oder Grenada dasselbe Stimmrecht haben wie | |
Deutschland oder Spanien. Auch der Vorstoß der Fifa, die WM-Startplätze der | |
Europäer für das Turnier 2018 in Russland womöglich zu reduzieren, | |
schmeckte den Sachwaltern des europäischen Kicks gar nicht. Doch wie | |
durchdacht war die Attacke auf Sepp Blatter überhaupt? War sie wirklich | |
ernst zu nehmen? | |
„Mir scheint, dass die Uefa überhaupt keine Strategie hat“, sagte Sylvia | |
Schenk, die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International | |
(TI). „Momentan hat es den Anschein, als ob bei der Uefa jeder versucht, | |
seine Haut zu retten.“ Platini gehöre bei der Fifa selbst zur Exekutive. | |
„Wahrscheinlich hat die Uefa auch Angst, dass sie ihre eigenen Reihen gegen | |
Blatter nicht geschlossen bekommt“, sagte die 62-Jährige. | |
Die Uefa war ja schon kläglich gescheitert mit der Platzierung eines | |
eigenen Kandidaten: die Franzosen Jerome Champagne und David Ginola, der | |
Holländer Michael van Praag und der Portugiese Luis Figo zogen allesamt | |
ihre Kandidatur zurück. Figo sendete zwar noch eine böse Botschaft an | |
Blatter (“Ich werde weiter zur Verfügung stehen, sobald nachgewiesen ist, | |
dass die Fifa keine Diktatur ist“), aber mehr als ein bisschen Tamtam | |
brachten die Europäer bisher nicht zustande. So ist es auch in diesen | |
turbulenten Tagen gewesen. | |
28 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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