# taz.de -- Razzia im Fifa-Hotel: Die hässlichste Nebensache der Welt | |
> Vor der Wiederwahl von Fifa-Chef Sepp Blatter nimmt die Polizei sieben | |
> Fußball-Funktionäre fest. Die Fußballmächtigen finden das gut. | |
Bild: Fifa-Funktionäre erhalten Polizeibesuch | |
Die Nacht endete für einige Gäste der Nobelherberge Baur au Lac abrupt. | |
Kurz nach sechs Uhr in der Früh tauchten Beamte der Zürcher Kantonspolizei | |
in deren Zimmern auf. Die Schlüsselkarten hatten sich die lässig in Jeans | |
gekleideten Polizisten an der Rezeption des Fünfsternehotels besorgt. | |
Plötzlich standen sie vor ziemlich verdatterten Funktionären, die in der | |
Weltregierung des Fußballs, der Fifa, wichtige Posten innehaben. | |
Die Fifa-Vizepräsidenten Jeffrey Webb von den Kaiman-Inseln und Eugenio | |
Figueredo aus Uruguay dürften ebenso bass erstaunt gewesen sein über den | |
unverhofften Besuch wie Eduardo Li (Costa Rica), Julio Rocha (Nicaragua), | |
Costas Takkas (Großbritannien), Rafael Esquivel (Venezuela) und José Maria | |
Marin (Brasilien). So unschön möchte man natürlich in einem 550 Euro teuren | |
Einzelzimmer nicht geweckt werden. | |
Die sieben älteren Herren wollten in Zürich eigentlich ein paar Festtage | |
mit Häppchen am Buffet und Drinks an der Bar verleben. Denn die Fifa hat | |
dieser Tage zum Hochamt geladen. Morgen soll auf einem großen | |
Mitgliederkongress Joseph S. Blatter wieder einmal zum Präsidenten gekürt | |
werden. Der Schweizer, auch schon 79 Jahre alt, hat trotz der aktuellen | |
Skandalmeldungen beste Chancen, sich gegen den jordanischen Herausforderer | |
Prinz Ali bin al-Hussein durchzusetzen. Es wäre seine fünfte Amtszeit als | |
Welt-Meister des Fußballs. | |
Und dann das: Festnahmen wegen Betrugs, Erpressung und Geldwäsche, in | |
Auftrag gegeben von der US-amerikanischen Justiz, ausgeführt von Schweizer | |
Sicherheitsbehörden. Das alles passiert zum allerungünstigsten Zeitpunkt. | |
Blatters Krönung wird überschattet von Ereignissen, die um die Welt gehen | |
und tiefe Kratzer am Image der Fifa hinterlassen. Und was sagt die Fifa zu | |
diesem Desaster? Sie findet es irgendwie super. | |
## „Das ist gut für die Fifa“, sagt ein Sprecher | |
Das behauptet zumindest ihr Sprecher Walter De Gregorio auf einer | |
Pressekonferenz in Zürich. „Das ist gut für die Fifa“, sagt er. „In die… | |
Kontext ist die Fifa die beschädigte Partei.“ Gut fürs Image und den Ruf | |
sei das alles natürlich nicht, räumt er ein, aber im Sinne der | |
„Transparenz“ sei das durchaus „ein guter Tag“ für den Fußballweltver… | |
Sein Boss, Sepp Blatter, gegen den nicht ermittelt wird, tanze zwar nicht | |
auf dem Tisch, erzählt De Gregorio, aber er sei ganz gut beieinander, „sein | |
Stresslevel ist nur ein bisschen höher“. Alles werde so durchgezogen wie | |
geplant: Der Kongress, die Präsidentenwahl am Freitag, auch die unter | |
Korruptionsverdacht stehenden Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 | |
in Katar würden wie geplant stattfinden. „Das eine hat mit dem anderen | |
nichts zu tun“, sagt Walter De Gregorio. | |
Die Botschaft ist klar: So schnell geraten die Fundamente der | |
skandalerprobten Fifa nicht ins Rutschen. Man macht einfach weiter. Der | |
Ball muss rollen. Und was sind schon unbewiesene Beschuldigungen gegen die | |
bezwingende Schönheit dieses Spiels. Oder? | |
## Die zweite Hiobsbotschaft | |
Doch im Lauf des Vormittags kommt noch eine zweite Hiobsbotschaft zur | |
ersten hinzu: Nicht nur die Amerikaner machen Druck, auch die Schweizer | |
Staatsanwaltschaft hat ein Strafverfahren eröffnet. Im Hauptquartier des | |
Fußballweltverbandes in Zürich seien elektronische Daten und Dokumente | |
sichergestellt worden, teilt die Behörde mit. Es bestehe der Verdacht auf | |
„ungetreue Geschäftsbesorgung sowie Geldwäscherei“. | |
Zudem lässt die Schweiz mehrere Konten sperren. Es handelt sich um | |
Bankverbindungen bei Geldinstituten, über die mutmaßlich Bestechungsgelder | |
geflossen sind, teilt das Bundesamt für Justiz in Bern mit. Zudem sei die | |
Beschlagnahme der Kontounterlagen angeordnet worden. Über 100 Millionen | |
Dollar Schmiergeld sollen geflossen sein. Die Ermittlungen würden nicht | |
gegen konkrete Personen laufen, heißt es. | |
Und die Fifa, was sagt sie zu diesem Fall? Alles nicht so schlimm, quasi | |
ein alter Hut. Und angezeigt habe man die Sache im Herbst vergangenen | |
Jahres ja sogar selbst. „Wir machen weiter mit unserer Agenda“, sagt De | |
Gregorio. Er meint wahrscheinlich den Prozess der Selbstreinigung, den die | |
Fifa angeblich begonnen hat, aber so sicher kann man sich da nicht sein, | |
denn die Fifa, die in der Schweiz wie ein gemeinnütziger Verband | |
organisiert ist und kaum Steuern zahlt, ist ein Global Player mit | |
Milliardenumsätzen und Millionengewinnen. | |
Die Funktionäre, die als Ehrenamtler geführt werden, wollen natürlich etwas | |
abhaben von diesem Batzen. Mit Aufwandsentschädigungen und netter | |
Reisediplomatie ist es irgendwann nicht mehr getan. Und warum soll der am | |
Mittwoch festgenommene brasilianische Verbandspräsident José Maria Marin | |
auch darben, wenn schon sein Vorgänger Ricardo Teixeira gemeinsam mit dem | |
Schwiegerpapa und damaligen Fifa-Präsidenten João Havelange in den 1990er | |
Jahren knapp 14 Millionen Schmiergelder von der Fifa-Vermarktungsfirma | |
International Sport and Leisure (ISL) einstreichen konnte. | |
Der damalige Fifa-Generalsekretär Sepp Blatter verbat sich zu dieser Zeit | |
allzu großen Argwohn und ließ das für Havelange gedachte Bestechungsgeld, | |
das versehentlich auf einem Konto des Weltverbands gelandet war, an den | |
Begünstigten weiterleiten. „Ungeschicktes Verhalten“ wurde Blatter später | |
von einem internen Ethikwächter attestiert – mehr nicht. | |
## Ein Kronzeuge, der aus dem Nähkästchen plaudert | |
So etwas will sich Sepp Blatter nicht ein zweites Mal nachsagen lassen. Die | |
jüngsten Ermittlungen des US-amerikanischen Geheimdienstes FBI, die den | |
Fifa-Kongress von Zürich nun so erschüttern, werden als Beihilfe für die | |
Aufklärungsarbeit der Fifa deklariert. Die Razzia in Zürich wäre aber nicht | |
möglich gewesen, wenn sich das FBI nicht einen Fifa-Funktionär dienstbar | |
gemacht hätte. | |
Ganz freiwillig geschah dies allerdings nicht. Der US-Amerikaner Chuck | |
Blazer, der einstige Generalsekretär der Concacaf, der Fußballkonföderation | |
für Nord- und Zentralamerika sowie die Karibik, begann mit dem FBI im Jahre | |
2011 zu kooperieren, um einer Gefängnisstrafe wegen der Veruntreuung von | |
vielen Millionen Dollar zu entgehen. Er spionierte Fifa-Kollegen aus und | |
schnitt vertrauliche Gespräche mit, die im Zusammenhang mit den | |
WM-Bewerbungen 2018 und 2022 geführt wurden. | |
Möglicherweise hat das FBI profunde Kenntnisse vom Fifa-Korruptionssystem | |
erlangt. Die sollte eigentlich auch der sogenannte Garcia-Bericht | |
enthalten. Der Fifa-Chefermittler Michael Garcia hatte die Vorgänge bei der | |
Vergabe beider Weltmeisterschaften nach Russland und Katar untersucht. | |
Die Auswertung durch die Fifa entsprach aber offenbar nicht den Ergebnissen | |
seines 430 Seiten langen Berichts. Der deutsche Richter und Chef der | |
Ethikkammer, Hans-Joachim Eckert, resümierte den Garcia-Report offenbar | |
recht flüchtig. Er erklärte, es habe keine „gravierenden Verstöße“ bei … | |
Bieterverfahren zu den WM-Turnieren gegeben. Garcia trat umgehend zurück, | |
auch weil der Fußballweltverband sich weigerte, seinen gesamten Bericht zu | |
veröffentlichen. | |
## „Der Fehler liegt im System“, sagt Zwanziger | |
Inzwischen hat der Fußballweltverband eine Kehrtwende vollzogen und eine | |
Offenlegung der hausinternen Untersuchungen versprochen. Das ist eine | |
weitere Gelegenheit, bei der die Fifa wieder versuchen wird, sich als | |
Initiator der Aufklärung zu inszenieren. Der deutsche | |
Fifa-Spitzenfunktionär Theo Zwanziger erklärte am Mittwoch recht | |
aufgeräumt: „Ich bin froh, dass endlich etwas passiert. Der Fehler liegt im | |
System der Fifa. Es können sich zu viele bedienen“, sagte der ehemalige | |
Präsident des Deutschen Fußball-Bundes. | |
Die kleine Minderheit in Zürich, die sich ein Ende der Ära Blatter wünscht | |
und vornehmlich im europäischen Fußballverband Uefa organisiert ist, zeigt | |
sich hingegen nicht davon überzeugt, dass die Bilder der festgenommenen | |
Funktionäre so gewinnbringend sind. Die Uefa teilte mit, man sei aufgrund | |
der Ermittlungen in Zürich „erstaunt und traurig“. | |
Wolfgang Niersbach, der aktuelle Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, | |
erklärte etwas deutlicher: „Es ist schockierend und schädlich für den | |
gesamten Fußball, was sich in Zürich zwei Tage vor dem Fifa-Kongress | |
abspielt.“ Es wäre erschütternd, wenn sich die Vorwürfe als richtig | |
herausstellen würden. Wirklich überrascht ist Niersbach gewiss nicht. Dies | |
wäre nur ein Ausweis seiner Naivität. Vermutlich will man bei der Uefa die | |
Razzia von Zürich dazu nutzen, um doch noch eine weitere Amtszeit von Sepp | |
Blatter zu verhindern. | |
Die Wahl des Fifa-Präsidenten wird am Freitag in jedem Fall stattfinden, | |
das ist so weit klar. Die Ermittlungen hätten nichts mit diesem Termin zu | |
tun. Und Fifa-Sprecher De Gregorio betonte, auch der Kongress habe nichts | |
damit zu tun. Sprich: Sepp Blatter hat mit all den geldgierigen | |
Funktionären nichts zu tun. Man kann jedoch davon ausgehen, dass der | |
79-jährige Schweizer am Freitag sieben Stimmen weniger erhalten wird. Um | |
seine Wiederwahl zu gefährden, müssten noch ein paar Dutzend mehr | |
Funktionäre festgenommen werden. | |
27 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
Markus Völker | |
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