# taz.de -- Ausbreitung der IS-Miliz: „Weiser Plan“ zur Rettung gesucht | |
> Die IS-Miliz beherrschen nun das halbe Staatsgebiet von Syrien und ein | |
> Drittel des Irak. Und der IS kontrolliert nun mit Palmyra einen wichtige | |
> Verkehrsknoten. | |
Bild: IS-Propagandabild: angeblich abgeschossene Militärhelikopter nahe Palmyra | |
ISTANBUL taz | Zuerst Ramadi, dann Palmyra – innerhalb von nur einer Woche | |
haben die Extremisten des Islamischen Staats (IS) in zwei wichtigen Städten | |
im Irak und in Syrien ihre schwarze Flagge gehisst. Wenige Wochen vor dem | |
Jahrestag der Ausrufung des Kalifats im nordirakischen Mossul triumphieren | |
die Fanatiker. Von der Rückeroberung Mossuls spricht niemand mehr. | |
Die Vertreibung des IS aus dem syrischen Kobani im Januar und dem | |
irakischen Tikrit im April sind verblasst. Dabei hatte Iraks | |
Ministerpräsident Haider al-Abadi nach der Einnahme von Tikrit noch | |
erklärt, das Ende des IS stehe unmittelbar bevor. Aber seit Wochen kämpft | |
die Regierung auch in der Gegend von Tikrit um Beiji, Iraks größte | |
Ölraffinerie. | |
Nach dem Fall von Ramadi brauche es einen „genauen und weisen Plan“, | |
forderte Großayatollah Ali Sistani, Iraks höchster schiitischer Geistlicher | |
am Freitag. Darum ringen auch die USA. Doch sie befinden sich in einem | |
Dilemma: Greifen sie in Palmyra ein, wie das einige fordern, würden sie das | |
Regime von Baschar al-Assad stärken und damit ihre Verbündeten am Golf | |
gegen sich aufbringen. Diese unterstützen gemeinsam mit der Türkei | |
islamistische Rebellen sowie die Nusra-Front, den syrischen | |
Al-Qaida-Ableger, der dem Regime in den letzten Wochen im Norden herbe | |
Verluste zugefügt hat. Greifen sie nicht ein, dürfte der Siegeszug des IS | |
weitergehen | |
Die Einnahme von Palmyra gefährdet nicht nur die antike Oasenstadt. Die | |
Extremisten kontrollieren damit die strategische Verkehrsachse in | |
Zentralsyrien: Von hier aus können sie nach Homs im Westen, nach Damaskus | |
im Südwesten und nach Deir ez-Zor im Nordosten vorstoßen. Noch kämpft das | |
Regime verbissen um den von ihm kontrollierten Westteil von Deir ez-Zor, | |
aber es scheint nur eine Frage der Zeit, bis auch dieser fällt. | |
Denn Assads Truppen sind massiv geschwächt. In Palmyra haben ihre | |
Verteidigungslinien nur vier Tage gehalten. Entgegen Verlautbarungen aus | |
Damaskus gab es weder einen geordneten Rückzug noch eine Evakuierung. | |
Aktivisten berichteten, dass die IS-Kämpfer am Mittwoch begannen, mit | |
Hinrichtungen und Razzien ihre Schreckensherrschaft durchzusetzen. | |
## „Herber Rückschlag“ | |
Fast eineinhalb Jahre lang haben sich die irakischen Soldaten und ihre | |
Verbündeten unter den sunnitischen Stämmen in Ramadi mit dem IS einen | |
Abnützungskrieg geliefert. Mit Mega-Autobomben, die zum Teil ganze | |
Häuserblöcke einrissen, haben die IS-Kämpfer die Linien am Sonntag | |
durchbrochen und die Soldaten in die Flucht geschlagen. | |
Nachdem Washington die Lage tagelang beschönigte, sprechen Regierung und | |
Militärs mittlerweile von einem herben Rückschlag. Niemand mache sich etwas | |
vor, sagte ein hoher Mitarbeiter des State Department. Trotzdem will | |
Washington am bisherigen Kurs festhalten, der auf Luftangriffe und die | |
Einbindung von sunnitischen Stammeskämpfern setzt. Die zugesagte Lieferung | |
von 1.000 Panzerabwehrraketen soll bereits nächste Woche erfolgen. | |
In den letzten zehn Monaten haben die USA im Irak und Syrien rund 6.000 | |
Luftangriffe geflogen. Mit der Eroberung von Ramadi und Palmyra hat der IS | |
sein Kalifat jedoch nicht nur konsolidiert. Er ist auf dem besten Wege, | |
sich zum Beherrscher des nördlichen Teils des historischen Zweistromlands | |
aufzuschwingen. Das Kalifat grenzt heute an die Türkei, Jordanien und | |
Saudi-Arabien. | |
Zwar ist vieles davon Wüstengebiet, aber dies liegt mitten im Nahen Osten – | |
und sie beherrschen über Hunderte von Kilometern den Flusslauf des | |
Euphrats. Am Donnerstagabend nahmen sie östlich von Ramadi eine weitere | |
Stadt ein und brachten den letzten irakisch-syrischen Grenzposten, der sich | |
in der Hand von Bagdad befand, unter ihre Kontrolle. | |
22 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Inga Rogg | |
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