| # taz.de -- Im Gespräch mit Bremens künftigem Bürgermeister: "Ich habe Lust … | |
| > Zur Wahl stand Jens Böhrnsen – jetzt wird Carsten Sieling Bürgermeister: | |
| > Im Interview verrät der, wie er die Stimmen seines Vorgängers für sich | |
| > erobern will. | |
| Bild: "Jede Böhrnsen-Stimme ist auch eine für die SPD", sagt Carsten Sieling. | |
| taz: Herr Sieling, haben Sie lange überlegt, ob Sie als Bürgermeister | |
| antreten? | |
| Carsten Sieling: Vor der Entscheidung habe ich mit meiner Familie und engen | |
| Freunden gesprochen. Es war mir aber schnell klar: Ich habe Lust auf diese | |
| Aufgabe– weil das Amt viele Möglichkeiten zum Gestalten eröffnet. | |
| Ein rot-grüner Senat wird im Parlament eine Mehrheit haben – aber nur von | |
| einem Viertel der Wahlberechtigten getragen sein. Das ist sehr wenig. | |
| Das stimmt. Und es wird eine der Aufgaben des neuen Senats sein, das zu | |
| ändern. Wir müssen hart daran arbeiten, die Wahlbeteiligung wieder spürbar | |
| zu erhöhen und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. | |
| Bloß hinterlässt die Wahl Zigtausende Böhrnsen-WählerInnen als | |
| Neu-Enttäuschte … | |
| Die Enttäuschung verstehe ich. Es ist schade, dass Jens Böhrnsen sein Amt | |
| niedergelegt hat. Aber die Menschen, die ihn gewählt haben, haben damit | |
| auch ein politisches Votum abgegeben: Jede Böhrnsen-Stimme ist auch eine | |
| für die SPD. Jetzt sehe ich es als meine Aufgabe, dieses Vertrauen zu | |
| rechtfertigen. | |
| Die SPD war mit einem Regierungsprogramm in die Wahl gegangen – jetzt | |
| kommen Sie mit einem Sechs-Punkte-Plan: Sind das nur persönliche | |
| Schwerpunkte? | |
| Natürlich kandidiere ich auf Grundlage des SPD-Programms. Innerhalb dieses | |
| Programms muss man aber Prioritäten setzen. Das habe ich mit meinem | |
| Sechs-Punkte-Plan getan. | |
| Zum Beispiel? | |
| Auch frühkindliche Bildung ist Bildung und gehört damit ins gleiche | |
| Ressort. Darüber diskutieren wir in Bremen seit acht Jahren ohne Ergebnis. | |
| Dabei gibt es gute, fachliche Gründe dafür. Die nehme ich mir zu Herzen – | |
| und werde das jetzt umsetzen. | |
| In die gleiche Kerbe schlägt Ihre Forderung nach höherer Autonomie der | |
| Schulen – um auf Defizite dort, wo sie auftreten, reagieren zu können? | |
| Genau. SchulleiterInnen nehmen heute in Wirklichkeit Managementaufgaben | |
| wahr, dem sollten wir Rechnung tragen. Sie sind aber PädagogInnen … | |
| … und müssen jetzt einschlägig fortgebildet werden? | |
| Nein. Eher bezieht sich meine Idee auf ein Projekt, das es vor einigen | |
| Jahren schon gab: Wir hatten an einigen Schulen sogenannte | |
| SchulassistentInnen eingestellt, zur Verstärkung der Leitung. Das war | |
| erfolgreich – und ich halte es für die richtige Herangehensweise. Das | |
| müssen keine pädagogischen Fachkräfte sein, sondern Leute, die mit | |
| organisatorischen Aufgaben gut zurechtkommen. | |
| Für Unruhe beim designierten Koalitionspartner haben Sie mit der | |
| baupolitischen Konkretisierung gesorgt … | |
| … mit den Aussagen zur Osterholzer Feldmark? | |
| Genau: Ist deren Bebauung für Bremen, die zugeteerteste Stadt Deutschlands, | |
| sinnvoll? | |
| Es geht doch nicht um die Bebauung der gesamten Osterholzer Feldmark. Es | |
| geht um Randbereiche, die bereits gut angebunden – und im Übrigen auch in | |
| der Flächennutzungsplanung nicht ausgeschlossen sind. | |
| Aber der Erhalt der Grünflächen ist ökologisch so wichtig …! | |
| Gerade unter ökologischen Gesichtspunkten müssen wir doch die Zersiedlung | |
| stoppen! Die ist die größte ökologische Belastung. Mein Vorschlag folgt | |
| einer Strategie der Verdichtung – und die halte ich für richtig, solange | |
| man wichtige Landschaften nicht zerstört. | |
| Die Osterholzer Feldmark ist keine wichtige Landschaft? | |
| Aber sie wird ja nicht zerstört! Noch einmal: Es geht um ihre Randbereiche. | |
| Mein Vorschlag ist da weit weniger umfassend als die alten Pläne der Großen | |
| Koalition. | |
| An deren Großprojekte kann man bei den Plänen fürs Offshore-Terminal | |
| Bremerhaven denken. Zu dem legen Sie, konform zum SPD-Programm, ein | |
| Bekenntnis ab. Dabei hatte gerade erst Ihr Doktorvater Rudolf Hickel | |
| gewarnt, dass die Rentabilitätsberechnungen hinfällig seien: Wären wir da | |
| auf dem Weg in ein langes erfolgloses Abenteuer? | |
| Nein, eindeutig nicht. Natürlich werden wir genau darauf achten, wie sich | |
| die Frage der Wirtschaftlichkeit entwickelt und was dort angepasst werden | |
| muss. Aber auch unter energiepolitischen und ökologischen Gesichtspunkten | |
| müssen wir den Windkraft-Ausbau forcieren. | |
| … Sie argumentieren auch arbeitsmarktpolitisch für den OTB, als eine Art | |
| Beschäftigungsprogramm auf dem Weg zur Überwindung der sozialen Spaltung: | |
| Wie viel Zeit geben Sie sich für diese Aufgabe? | |
| Als Bremer Bürgermeister die Überwindung der sozialen Spaltung zu | |
| versprechen, wäre Traumtänzerei. Die Massenarbeitslosigkeit, die sich über | |
| 30 Jahre im Lande aufgebaut und verfestigt hat – das wischt man nicht in | |
| drei Monaten vom Tisch, und auch nicht in drei Jahren. | |
| Wir müssen uns also damit abfinden? | |
| Nein, sicher nicht. Mir geht es darum, dass wir in der sich insgesamt | |
| verbessernden Arbeitsmarktlage Maßnahmen ergreifen, die denen zugutekommen, | |
| die geradezu eingemauert sind in ihrer jahrelangen Arbeitslosigkeit. Diesen | |
| Prozess der Spaltung müssen wir stoppen, und ich wäre froh, wenn es uns | |
| gelingt, ihn umzukehren. In Kürze lösen lässt sich das Problem nicht. | |
| 22 May 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
| ## TAGS | |
| Carsten Sieling | |
| Jens Böhrnsen | |
| Bürgerschaftswahl 2015 | |
| SPD | |
| Carsten Sieling | |
| Bremen | |
| Bremen | |
| Carsten Sieling | |
| Bremen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Der Landesvater zur Legislaturhalbzeit: Habemus Papi! | |
| Jens Böhrnsen war stets präsidial. Aber dann hat er nach der Bremen-Wahl in | |
| den Sack gehauen. Geblieben ist die Frage: Wie landesväterlich ist Carsten | |
| Sieling? | |
| Regierungserklärung in Bremen: Viele Worte, viel Gegenwind | |
| Neben großen Plänen und einer lauten Opposition geht Bremens neue Regierung | |
| auch mit einem Untersuchungsausschuss in die Sommerpause | |
| Wünsche an Rot-Grün: In Zeiten der Funkstille | |
| Während Rot-Grün in Bremen über das gemeinsame Regierungsprogramm streitet, | |
| melden sich Initiativen zu Wort - in der taz. | |
| Sieling wird Bremer Bürgermeister: SPD-Linke sucht neuen Anführer | |
| Carsten Sieling wechselt aus dem Bundestag ins Bremer Rathaus. SPD-Chef | |
| Gabriel dürfte darüber erfreut sein: ein unbequemer Kritiker verschwindet. | |
| Neuer Bremer Bürgermeister-Kandidat: Von links nach vorn gerückt | |
| Die Bremer SPD hat sich festgelegt: Carsten Sieling soll Bremens neuer | |
| Bürgermeister und Senatspräsident werden. Noch sitzt der SPD-Linke im | |
| Bundestag. | |
| SPD nach der Wahl in Bremen: Sieling soll Bürgermeister werden | |
| Nach dem Rücktritt des bisherigen Bürgermeisters Böhrnsen präsentiert die | |
| Bremer SPD die Nachfolge: den Finanzpolitiker Carsten Sieling. |