# taz.de -- Neuer Bremer Bürgermeister-Kandidat: Von links nach vorn gerückt | |
> Die Bremer SPD hat sich festgelegt: Carsten Sieling soll Bremens neuer | |
> Bürgermeister und Senatspräsident werden. Noch sitzt der SPD-Linke im | |
> Bundestag. | |
Bild: Mann mit gewissen Oberlehrer-Qualitäten: Bremens neuer Bürgermeister-Ka… | |
BREMEN taz | Als der Bremer SPD-Chef Dieter Reinken am Montagabend von der | |
Sitzung des Landesvorstand zur Pressekonferenz kam, brachte er Carsten | |
Sieling gleich mit. Damit war allen klar: Der SPD-Bundestagsabgeordnete | |
wird Bremens nächster Bürgermeister. Kein Gegenkandidat wollte es mit ihm | |
aufnehmen. Zwar muss Sieling am 2. Juni noch auf einem SPD-Landesparteitag | |
bestätigt und danach noch eine Regierung gebildet werden, aber da wird es | |
wohl zu wenig Überraschungen kommen. | |
Zu gut vernetzt ist Sieling sowohl in Bremen als auch in Berlin: Hier war | |
er Landes- und Fraktionsvorsitzender, dort sitzt er derzeit noch im | |
Finanzausschuss und stellvertretend im Haushaltsausschuss des Bundestages. | |
Seit 2014 ist er Sprecher der Parlamentarischen Linken der | |
SPD-Bundestagsfraktion, kritisierte regelmäßig seinen Parteichef Sigmar | |
Gabriel für dessen zu seichten Kurs in Sachen TTIP oder die Abkehr von der | |
Vermögenssteuer. Sieling gilt als akribischer Finanzpolitiker, und | |
besonders fleißig – kein Hinterbänkler, sondern ein Arbeiter, auch hinter | |
den Kulissen. | |
Darüber, dass er nun in Bremen in die erste Reihe vorrückt, und die | |
Bürgermeisterfrage schnell geklärt wurde, sind die Genossen hier heilfroh: | |
Am Tag nach der Wahl hatte Jens Böhrnsen überraschend erklärt, nicht mehr | |
als Bürgermeister kandidieren zu wollen – aus „Verantwortung für das | |
enttäuschende Wahlergebnis“. Bei der Wahl am 10. Mai hatten die | |
Sozialdemokraten zwar 5,8 Prozent verloren, waren aber mit 32,8 Prozent | |
dennoch stärkste Kraft im kleinsten Bundesland geblieben, die Grünen | |
erhielten 15,1 Prozent. Zusammen kommen sie auf eine Mehrheit von 44 der 83 | |
Sitze in der Bremischen Bürgerschaft. | |
Sieling nun hat sich direkt für eine Fortführung der rot-grünen Koalition | |
ausgesprochen, nach Pfingsten sollen die Sondierungsgespräche beginnen. Und | |
er machte klar, dass er das Ergebnis anders interpretiert als Böhrnsen: | |
„Zehn Punkte Vorsprung vor der CDU, klarer Regierungsauftrag.“ Auch ein | |
dreiseitiges Papier legte er bereits vor: Armutsbekämpfung durch Arbeit und | |
Bildung sollen Schwerpunkte seiner Regierungszeit werden. Dass er vom | |
Konsolidierungskurs Bremens dabei nicht abrücken darf, betont er auch. | |
Sieling, der Diplom-Ökonom, weiß um die prekäre Finanzlage Bremens, die | |
über 20 Milliarden Schulden. Wenn am 18. Juni auf der | |
Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin über die Neuregelung der | |
Bund-Länder-Finanzen verhandelt wird, sitzt er allerdings noch nicht mit am | |
Tisch. Das muss noch Böhrnsen machen. „Die Gespräche sind gut vorbereitet�… | |
beruhigte Sieling die Journalisten am Montag, die sich an Böhrnsens eher | |
kraftlose Erscheinung der letzten Tage erinnerten. Immerhin: Gestritten | |
werden muss über den Länderfinanzausgleich und den Solidarpakt II, die | |
beide 2019 auslaufen, ein Jahr später greift dann die Schuldenbremse. „Dass | |
Bremen und das Saarland ein Anrecht auf Hilfe nach 2020 haben, ist | |
akzeptiert“, sagt Sieling, nur die Höhe sei noch nicht klar. | |
Für Bremen steht mit der Länderfinanzreform die vielleicht wichtigste | |
Entscheidung seit dem Rücktritt von Ex-Bürgermeister Henning Scherfs im | |
Jahr 2005. Und auch an dieser war Sieling beteiligt: Seit an Seit mit Jens | |
Böhrnsen führte er damals die Rebellion gegen Scherf und die große | |
Koalition an. Selbst den Rücktritt Scherfs hat dieser nicht selbst, sondern | |
Sieling als Parteichef verkündet. Böhrnsen folgte als Bürgermeister und | |
Sieling musste als Fraktionsvorsitzender noch zwei Jahre lang mit der CDU | |
koalieren. | |
Erst danach kam die Koalition mit den Grünen. Denen ist Sieling als | |
verlässlicher Partner in Erinnerung, bevor er dann nach Berlin ging. Eine | |
„sehr gute Zusammenarbeit“ sei es gewesen, sagt Grünen-Fraktionschef | |
Matthias Güldner. Und: dass er „die sozialdemokratischen Interessen immer | |
gut vertreten“ habe. So gut findet er Sieling, dass er ihm mit zu viel | |
grünem Lob nicht schaden will. | |
19 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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