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# taz.de -- Stadtentwicklung: Wasser als Accessoire für Investoren
> Wenn am 13. Juli über das Großprojekt Mediaspree abgestimmt wird, geht es
> auch um die Frage, was Berlin seine Freiräume wert sind. Die Planungen
> lassen nichts Gutes erahnen.
Bild: So schön soll das Spreeufer bleiben, finden die Mediaspree-Gegner
Als Ende April im Deutschen Architekturzentrum (DAZ) über die Zukunft des
Spreeraums diskutiert werden sollte, waren viele gespannt. Bausenatorin
Regula Lüscher und Jochen Sandig vom Radialsystem wollten mit Vertretern
von Baugruppen, Zwischennutzern und den Planern des Stadtumbaus-West
Bausteine für eine "Spree Vision" zusammentragen. Allein, es kam nicht
dazu. Autonome hatten die Scheiben des DAZ eingeschlagen und an den Wänden
Parolen hinterlassen: "Keine Vertreibung durch Mediaspree". Das DAZ setzte
Spree Vision daraufhin ab.
Mediaspree, das ist ein Reizwort in Kreuzberg und Friedrichshain, aber auch
in Mitte und Treptow. Selbst die halbstarke Parole "Mediaspree versenken"
bringt Bezirkspolitiker aller Parteien inzwischen ins Schwitzen. Die
nötigen Unterschriften für einen Bürgerentscheid sind gesammelt, am
Mittwochabend schließlich haben die Bezirksverordneten von
Friedrichhain-Kreuzberg den Weg freigemacht für den zweiten Urnengang im
Bezirk nach der Abstimmung über die Rudi-Dutschke-Straße.
Wer sich ein Bild darüber machen will, wie eine Handvoll
Stadtteilaktivisten das Bezirksamt auf Trab hält, braucht nur auf den
sogenannten Spreebalkon in der Kreuzberger Brommystraße zu treten. Von dort
öffnet sich ein ungewöhnlicher Blick aufs Wasser. Am andern Ufer liegt der
Oststrand, davor ein alter Oderkahn, auf dem die Sonnenanbeter müßiggehen.
Rechts daneben die East Side Gallery, hinter ihr das riesige Rund der
O2-Arena. Wie eine Projektionsfläche für ungewöhnliche Unternehmungen
präsentiert sich der Spreeraum dem Betrachter. Großinvestoren haben an den
Ufern der Spree ebenso ihren Buddelkasten gefunden wie Zwischennutzer und
Kreative. Noch gehört die Spree allen.
Die Betonung liegt auf noch. Wer den gegenwärtigen Blick vom Spreebalkon
mit den Simulationen des Investorennetzwerks Mediaspree vergleicht, steht
am Rande einer Autobrücke über die Spree, anstelle des Oststrands türmen
sich Bürohäuser auf, vor der monströsen O2-Arena wurde ein ebenso
monströses Stadtquartier errichtet. Auch wenn es beiderseits des Flusses
dann Promenaden und Radwege gibt: Dieser Spreeraum gehört nicht mehr allen,
er ist städtebaulich gewordenes Symbol der Investorenträume.
Das alleine würde aber nicht nicht den Erfolg erklären, mit dem die Gegner
der Mediaspree gerade Punkte sammeln. Investorenarchitektur gibt es
schließlich überall - am Potsdamer Platz ebenso wie in der Friedrichstraße.
Das Besondere an der Spree ist ihre Lage zwischen Ost und West sowie die
Geschichte ihrer Wiederentdeckung.
Als die Berliner Mauer noch stand, war sie für Ost- und Westberliner ein
Fluss am Kartenrand. Der spätere Monbijoupark etwa war Grenzgebiet, der
Aufenthalt verboten. In Westberlin zog es die Erholungssuchenden an den
Landwehrkanal. Der Fluss und seine Stadt, einst als "Spreeathen" besungen,
lebten sich auseinander, die Spree verschwand aus den Mental Maps der
Berliner. Umso größer war die Überraschung nach dem Mauerfall. Plötzlich
floss da mitten durch die Stadt ein Fluss, den es wieder zu entdecken galt.
Zuerst kamen die Liebespaare, dann die Fahrgastschiffe, schließlich die
Uferwege.
Am Spreeraum zwischen Jannowitzbrücke und Elsenbrücke ist das Staunen über
diese Entdeckung bis heute zu spüren. Gleichzeitig mit der Wiederentdeckung
der Spree begann aber auch die Beplanung des Gebiets als wichtigstes
innerstädtisches Areal nach Potsdamer Platz und Friedrichsstadt. Die Trias
an der Holzmarktstraße und später die Zentrale der Gewerkschaft Ver.di an
der Andreasbrücke waren Vorboten dessen, wie sich Investoren diese
Wiederentdeckung vorstellen - als willkommenes Gelände fürs Modethema
"Bauen am Wasser".
Damit auch noch der letzte Zweifel daran ausgeräumt werden sollte, wem die
Spree in Zukunft gehört, brachte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Mediaspree auf den Weg. Investorensuche, Marketingkampagne, Place Making -
alles ging nun Hand in Hand. Berlin, die Stadt der Zwischenräume und
Zwischennutzungen, begann sich selbst eine Grube zu graben.
Nötiger Dialog
Das ist es wohl, warum das Bürgerbegehren zum Erfolg werden musste - obwohl
es sich auch gegen eine grün-linke Bezirkspolitik richtet, die in
Friedrichshain-Kreuzberg die Mehrheit hat. Doch diese politische Mehrheit
hat lieber Verträge mit Investoren geschlossen als das Gespräch mit den
Bürgern gesucht. Es ist zwar müßig, darüber zu spekulieren, ob der Wahlgang
am 13. Juli ein Erfolg für die Mediaspree-Gegner wird. Eine Voraussetzung
für einen wirklichen Dialog über die Zukunft des Spreeraums aber wäre der
auf jeden Fall. Schließlich geht es um das Auspendeln einer richtigen
Mischung aus Freiraum, Grünfläche, Spreewegen und Architektur. Und um die
Frage, ob der Spreeraum auch weiterhin ein Abbild des jungen, kreativen,
subkulturellen Berlin ist.
Wie fahrlässig man mit solchen Fragen umgehen kann, zeigte sich zuletzt in
Hamburg an der Altonaer Elbuferbebauung. Die Wasserlage dieser
"Perlenkette" wird zum bloßen Accessoire der Investorenarchitektur. Kreativ
ist anders.
Eine Spreevision, wie sie im DAZ diskutiert werden sollte, ist also
dringender denn je. Da zu befürchten steht, dass beim Erfolg des
Bürgerentscheids der Senat das Verfahren an sich zieht, muss dieser Dialog
landesweit geführt werden. Vielleicht kann daraus ja auch ein Volksbegehren
werden. Die Fragen gehen alle an: Was sind Berlin seine Freiräume wert? Und
was würde es mit seinen Freiräumen verlieren? An Lebensqualität. An
Touristen. An Geschichte.
30 May 2008
## AUTOREN
Uwe Rada
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