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# taz.de -- Bürgerentscheid Mediaspree: "Die Arroganz zu Hause lassen"
> Beim Streit um Mediaspree sind die Fronten so verhärtet, dass nur noch
> ein externer Mediator helfen kann, sagt der HU-Forscher Olaf Schnur. Er
> warnt vor der Privatisierung weiterer öffentlicher Räume.
Bild: Locker bleiben am Spreeufer
taz: Herr Schnur, am Thema Mediaspree scheiden sich nicht nur die Geister,
die Fronten von Gegnern, Befürwortern und Bezirk sind völlig verhärtet.
Inzwischen sagen manche Parteien Gesprächsrunden schon im Vorfeld ab. Woran
hapert es?
Olaf Schnur: Die Interessensgruppen sprechen aneinander vorbei. Die Planer
argumentieren auf der "Berlinebene", sie haben die langfristige
gesamtstädtische Entwicklung und Chancen für die Wirtschaft im Blick. Da
geht es um städtebauliche Funktionen, etwa das geplante Investitionsgebiet
von der Innenstadt bis hin zum Großflughafen BBI. Aus flächennutzerischer
Sicht sind die Argumente der Investorenseite ebenso nachvollziehbar. Die
Bürgerinitiative hingegen sieht den Spreeabschnitt aus der Mikroperspektive
ihrer Lebenswelten. Für sie spielen der Alltag eine Rolle und ihre Ängste.
Dazu kommen die kapitalismuskritischen Argumente der linken Szene, die
angesichts der Situation durchaus ihre Berechtigung haben.
Die Bürgerinitiative ist mit ihren Ängsten nicht allein. 16.000
Unterschriften haben die Aktivisten innerhalb kurzer Zeit gegen geplante
Großprojekte an der Spree gesammelt. Sind die Sympathisanten Opfer einer
Panikmache?
Ich finde gewisse Befürchtungen absolut berechtigt. Es könnte tatsächlich
zur Gentrifizierung kommen …
… also zur baulichen und sozialen Verdrängung der angestammten Bevölkerung.
Der typische Baubestand in den umliegenden Straßenzügen ist da. In Teilen
des Wrangelkiezes und um das Schlesische Tor hat sich in den letzten Jahren
schon einiges verändert. Der Boden für Gentrifizierung ist bereitet. Die
jungen, gut verdienenden Beschäftigten in den an der Spree angesiedelten
Unternehmen sind auch die, die abends in die Szenekneipen gehen wollen. So
fängt das langsam an. Investoren und Makler entdecken das Gebiet,
Spekulationen, Mietsteigerungen und Verdrängungen können folgen. Um das
Ganze wissenschaftlich zu fundieren, wären allerdings genauere
Untersuchungen notwendig.
Veränderungen in der Stadt wird es immer geben.
Ja, wer möchte schon in einer Großstadt wohnen, die sich gar nicht
verändert? Auch der Wandel macht Berlin aus. Und Entwicklung kann auch
positiv sein. Schauen Sie sich die Gegend ums Schlesische Tor an: Ein
schönes Quartier, sehr urban, multiethnisch, mit viel Charme. Früher war
das ein Geheimtipp, jetzt ist die Independent- und Mainstreamszene da
angekommen - eine allmähliche Aufwertung, aber bisher ohne Verdrängung. Das
ist okay. Jetzt spitzt sich das aber zu: Postmoderne Office-Welten gegen
"Kiez", das sind richtige Fronten. Mit Laptop und iPhone beim Sushi am
Görli, so ein Szenario kann sich dann schnell aufdrängen.
Wie sieht es mit der Sorge um die öffentlichen Räume am Wasser aus?
Es wäre fatal, würde man das Wasser faktisch von der Stadt abschirmen. Das
wäre eine Provokation. Die Frage ist, wie die Pläne konkret umgesetzt
werden. Vor einer weiteren Privatisierung öffentlicher Räume kann ich nur
warnen. Zwischennutzungen hingegen sind per se temporär. Daran festzuhalten
zu wollen, finde ich grenzwertig.
Wer ist eigentlich für die Planung verantwortlich, wer ist der Adressat für
die Wut der Mediaspree-Gegner?
In Berlin ist das kompliziert. Der Senat vertritt die Interessen und
erstellt den Flächennutzungsplan. Der Bezirk als "Kommune" entwirft den
Bebauungsplan, ist aber nicht autonom. Letztlich legt er im Detail fest, wo
gewohnt und wo gearbeitet werden darf. Allerdings entscheiden die Planer
nicht mehr wie vor 50 Jahren im stillen Kämmerchen, sondern tauschen sich
mit den Investoren aus - was nicht zuletzt durch die öffentlich-privaten
Kooperationen deutlich wird. Und das ist ja praktisch beim
"Regionalmanagement Mediaspree" der Fall.
Der Staat gibt faktisch Teile seiner Planungshoheit ab. Kann er da noch
Politik für alle machen?
Es ist eine Grundsatzdiskussion. Einige wollen zurück zum starken Staat mit
viel Geld, der gestalten konnte. Jetzt ist der Staat aber pleite. Über die
Gründe sollte man diskutieren, aber: Man muss mit der Sache kreativ
umgehen. Man sollte sehen, dass man Unternehmen als Partner gewinnt, und
darauf achten, dass Bürger partizipieren können. Letzteres sollte die
Politik mehr als bisher gewährleisten. Eine Entdemokratisierung der
Stadtentwicklung, das sollten wir nicht akzeptieren.
Was heißt das für einen möglichen Weg aus dem Dauerstreit um Mediaspree?
Die Lösung kann nur ein Dialog sein zwischen Anwohnern und Investoren. Dazu
braucht es einen von beiden Seiten anerkannten Mediator, der klärt: Worüber
reden wir eigentlich? Wer hat was zu verlieren? Die gegnerischen Parteien
müssen sich dabei schon auch bemühen. Arroganz, Ignoranz und
Konfrontationssymbole sollten beide Seiten einfach einmal zu Hause lassen.
Eigentlich ist die Vermittlung eine Aufgabe der Politik.
Absolut. In diesem Fall aber ist auch der Bezirk wohl zu sehr in die
Entwicklung eingebunden, als dass er von den Gruppen noch als objektiv
betrachtet würde. Ich plädiere wirklich für eine externe Lösung.
Und wenn das nicht gelingt?
In der im Moment verfahrenen Situation würde die Gegeninitiative meiner
Einschätzung nach den Kürzeren ziehen - die Investoren dürften den längeren
Atem haben. Ich kann mir sogar vorstellen, dass einige Spekulanten erst
durch die mediale Aufregung jetzt auf das Gebiet aufmerksam werden.
1 Jul 2008
## AUTOREN
Kristina Pezzei
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