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# taz.de -- Abschiebung von Gerson Liebl: "Das ist rassistisch"
> Weil Gerson Liebls Großvater eine Einheimische aus Togo heiratete, wird
> seine Staatsbürgerschaft heute nicht anerkannt - schuld ist ein Gesetz
> von 1913. Ein Vertrauter von Gerson Liebl übt Kritik an den Behörden.
Bild: Unerwartet abgeschoben: Gerson Liebl.
taz: Herr Dietzfelbinger, sie kennen Gerson Liebl seit mehreren Jahren und
haben ihn in der Abschiebehaft in Nürnberg immer wieder besucht. Hat er
denn seine Abschiebung kommen sehen?
Eckart Dietzfelbinger: Nein, überhaupt nicht. Ich habe ihn zuletzt am
vergangenen Freitag besucht. Da gab es noch keinen Hinweis, dass er bald
abgeschoben wird. Im Gegenteil: Gerson Liebl hatte erst vor drei Wochen
eine richterliche Anhörung. Die lief sehr vielversprechend, der Richter war
eigentlich auf seiner Seite. Es sah gut aus, dass die Abschiebehaft bald
beendet wird. Doch eine Entscheidung gab es nicht. Wir warteten und
warteten, und da kam nichts mehr.
Welchen Eindruck hat er auf Sie im Gefängnis gemacht?
Er war sehr ruhig und höflich wie immer. Er wirkte nicht einmal
verzweifelt. Bücher und Literatur hat er aber abgelehnt. Gerson Liebl
wollte einfach nur zu seiner Familie zurück. Ich hab ihn immer wieder
gewarnt, dass ich es für möglich halte, dass ihn die Behörden abschieben.
Aber da bin ich mir nicht sicher, ob er selbst wirklich damit gerechnet
hat.
Warum nicht?
An dem Punkt war er schon fast 20 Jahre in Deutschland. Irgendwann muss er
an den Punkt gekommen sein, zu sagen: Die Duldung reicht ihm nicht mehr, er
will jetzt auf die deutsche Staatsbürgerschaft dringen.
Ist er an seiner eigenen Sturheit gescheitert?
Nein, Liebl ist das Opfer eines Gesetztes von 1913 geworden. Es ist nicht
reformiert, es ist nicht abgeschafft worden. Weil Liebls Großvater eine
Einheimische aus Togo heiratete, wird seine Staatsbürgerschaft heute nicht
anerkannt. Das ist rassistisch, das ist anachronistisch und das ist auch
ein Signal, dass nach wie vor diese Diskussion über Migration und Ausländer
vom Gedanken der Exklusion bestimmt ist. Auch die Angst vor einem
Präzedenzfall ist albern. Es sind außer Gerson Liebl jedenfalls keine
anderen Fälle bekannt.
Wie sind die Gerichte damit umgegangen? Sie waren bei mehreren
Verhandlungen dabei.
Da haben sich die Richter strikt an ihre Gesetze gehalten. Sie waren aber
überhaupt nicht in der Lage, zu erkennen, um was es da geht. Bei einer
Verhandlung hatte Gerson Liebl nicht einmal einen Anwalt genommen. Er
glaubte, er könnte mit seiner Argumentation die Richter überzeugen. Damit
hat er kompletten Schiffbruch erlitten.
Das klingt ein bisschen naiv.
Ich will der Familie gegenüber in keinem Fall ungerecht sein. Aber wenn Sie
mich fragen, dann hat er was von einem Don Quichote gehabt. Manchmal hat er
auch über seine verzweifelte Lage laut gelacht.
Wie geht es nun mit Gerson Liebls Familie weiter?
Was ich gehört habe, sollten sie vielleicht das Angebot der Behörden
annehmen und ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängern. Denn so besteht
zumindest die Chance einer Familienzusammenführung. Das ist wahrscheinlich
der einzige Weg, diese Trennung von mehreren tausend Kilometern wieder
aufzuheben.
20 Feb 2009
## AUTOREN
Bernhard Hübner
## TAGS
Staatsbürgerschaft
Deutscher Kolonialismus
Deutscher Kolonialismus
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