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# taz.de -- Streit um Staatsangehörigkeit: Frau Liebl darf bleiben
> Gerson Liebl wurde nach Togo abgeschoben, weil Behörden nicht
> anerkannten, dass sein Großvater deutsch war. Nun verurteilt ein Gericht
> auch Ehefrau Ginette, weisst sie aber nicht aus.
Bild: Auch das Bundesverfassungsgericht wollte den Liebls keinen deutschen Pass…
STRAUBING taz Die Richterin fragt nach ihren Personalien, und schon da hat
Ginette Liebl, 44, genug. "Ich möchte nichts mehr sagen", flüstert sie. Auf
dem Gang, vor Verhandlungsbeginn, hat Liebl noch geweint. Jetzt will sie
kämpfen.
Sie ist allein gekommen. Ihre Anwältin hat das Mandat niedergelegt. Einen
neuen Anwalt, den ihr Pro Asyl besorgt hatte, hat sie abgelehnt. Die
Richterin fragt nach ihrer Staatsbürgerschaft. "Meine Staatsangehörigkeit
ist noch nicht geklärt", sagt Liebl. "Die haben wir doch schon geklärt bis
zum Bundesverfassungsgericht", sagt die Richterin. "Sie sind in Togo
geboren. Warum sind sie nicht Togoerin?"
Wenn es doch nur so einfach wäre. Dann säße Ginette Liebl an diesem
Dienstagmittag nicht auf der Anklagebank des Straubinger Amtsgerichts.
Ginettes Mann, Gerson Liebl, ist auch in Togo geboren. Sein Großvater war
ein bayerischer Arzt. Eigentlich würde das die Liebls ungeachtet ihrer
Hautfarbe zu Deutschen machen. Doch die Behörden erkennen die Ehe zwischen
Gerson Liebls Großeltern nicht an. 18 Jahre lang hat er für seinen
deutschen Pass gekämpft - vergeblich. Im Februar wurde er nach Togo
abgeschoben. Seine Frau Ginette und sein neun Jahre alter Sohn Gergi
blieben zurück - ohne Geld, ohne Pass, ohne Staatsbürgerschaft. Weil aber
Ausländer, die in Deutschland leben, laut Gesetz einen Pass besitzen
müssen, wurde Ginette nun der Prozess gemacht. Einen deutschen Pass
bekommen die Liebls nicht. Einen togoischen wollen ihn die afrikanischen
Behörden auch nicht mehr geben. Sie habe sich mehrmals um einen Pass
bemüht, erzählt Ginette Liebl. Doch die Beamten hätten ihre Anträge alle
abgelehnt. Die Begründung: Die Liebls seien Deutsche, keine Togoer.
"Es wäre ihnen weiter möglich gewesen, einen togoischen Pass zu
vorzulegen", sagt Martin Panten, der Chef des Straubinger Ausländeramts,
als er in den Zeugenstand gerufen wird. Dies habe die togoische Botschaft
bestätigt. Dass die Liebls keinen deutschen Pass bekommen können, sei durch
die höchsten Gerichte bestätigt worden. Zuletzt hat das
Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde der Liebls abgewiesen. Ginette
Liebl sagt, das mit dem Togoischen Pass sei aber nicht so einfach, wie es
das Ausländeramt darstelle. Sie müsse den Behörden in Togo erst aufwendig
ihre Staatsangehörigkeit beweisen. Das dauere eben.
"Wovon leben sie eigentlich", fragt die Richterin. "Ich versuche zu leben",
sagt Liebl leise. Arbeit habe sie nicht, auch keine staatliche
Unterstützung. Die Richterin spricht sie nach etwa einer halben Stunde
schuldig, zu 40 Tagessätzen à einem Euro. Der Staatsanwalt hatte 60
gefordert. Die Liebls haben schon schlimmere Urteile ertragen. Eine Strafe
von 40 Tagessätzen ist unter der Grenze, ab der Ginette Liebl und ihrem
Sohn die Ausweisung gedroht hätte. Solange beide in Deutschland bleiben,
stehen die Chancen gut, dass auch Gerson wieder zurückkann. Nüchtern
betrachtet könnte die Familie mit dem Urteil ganz gut leben. Ein Richter
mit etwas weniger Fingerspitzengefühl könnte die Zukunft der deutschen
Familie aus Togo schnell gefährden.
Doch Ginette Liebl will nicht verurteilt werden. Sie will keine Vorstrafe
und fühlt sich im Recht. Sie will Berufung gegen die Entscheidung einlegen.
21 Apr 2009
## AUTOREN
Bernhard Hübner
## TAGS
Deutscher Kolonialismus
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