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# taz.de -- Nach brutalem Polizeiübergriff auf Demo: Kennzeichnung angekündigt
> Dank neuer Technik wird ein alter Traum wahr: Bürger kontrollieren die
> Polizei. Deren Chef Glietsch will dabei helfen und kündigt am Dienstag
> eine Kennzeichnung ab 2010 an.
Bild: Die Berliner Polizei ist berüchtig für ihr teils rabiates Vorgehen.
Bei einer Demonstration gegen Überwachung wird ein Mann von Polizisten
[1][vor laufender Videokamera] übel zusammen geschlagen. Noch nie hat eine
Polizeiattacke so für Aufregung gesorgt. Die Szene, die der Chaos Computer
Club am Samstag dokumentiert und ins Internet gestellt hat, ist um die Welt
gegangen. Tausende Menschen haben sich einen Eindruck davon gemacht, wie
die Berliner Polizei mit friedlichen Bürgern verfährt. Denn der Film zeigt,
dass der Mann nichts anders getan hatte, als sich auf einem Zettel Notizen
zu machen.
Diese Unterlagen, bei denen es sich laut seines Anwalts um Aufzeichnungen
über einen zuvor beobachteten Polizeiübergriff handelt, sind bei der
Festnahme des Misshandelten verschwunden. Das ist nicht die einzige
Merkwürdigkeit. Nicht nur gegen die zwei rabiaten Polizisten wird wegen
Körperverletzung im Amt ermittelt. Auch gegen das 37-jährige Opfer ist ein
Verfahren wegen Widerstands eingeleitet worden. Die Prügelaktion und die
Retourkutsche, das Opfer anzuzeigen, erinnern an eigentlich überwunden
geglaubte Zeiten.
In den 80er und 90er Jahren war es Usus, dass die geschlossenen Einheiten
bei Demonstrationen ohne Rücksicht auf Verluste vorgingen. Sogar Passanten
bekamen den Knüppel zu spüren. Kreuzberger Bürger, die bei der Randale am
1. Mai nur zugeguckt hatten, fanden sich mit Nasenbeinbruch oder
Schädelfraktur im Krankenhaus wieder. Erst seit 2002, als Rot-Rot an die
Regierung kam und der SPD-Innensenator Ehrhart Körting und Polizeipräsident
Dieter Glietsch die Geschäfte bei der Polizei leiten, setzte in der Behörde
ein Bewusstseinswandel ein.
Mit dem Konzept der ausgesteckten Hand - größtmögliche Zurückhaltung bei
Demos - versucht die Polizei seither, das Vertrauen der Bürger
zurückzugewinnen. Weitestgehend mit Erfolg, wenngleich es auch schon früher
Rückschläge gegeben hat. Früher habe es bei den geschlossenen Einheiten
"Herden von schwarzen Schafen" gegeben, sagt der langjährige Innenexperte
der Berliner Grünen und heutige Bundestagsabgeordnete, Wolfgang Wieland.
"Heute gibt es schwarze Schafe".
Polizeiübergriffe auf Bürger sind hinreichend dokumentiert. 2007 wurde 771
Mal wegen Körperverletzung im Amt ermittelt, aber nur eine Polizist
verurteilt. 2008 kamen 636 Vorkommnisse zur Anzeige, in 615 Fällen stellte
die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Dass nur ganz wenige Beamte
verurteilt werden, führt der Polizeipräsident gern als Beleg für die
Läuterung seiner Einheiten an.
Fakt ist: Eine Verurteilung scheitert zumeist daran, dass sich der Vorwurf
nicht beweisen lässt. Bürgerechtsgruppen fordern deshalb schon lange die
Einführung einer individuellen Kennzeichnung für die Polizisten der
geschlossenen Einheiten. Mit Einführung der neuen Uniformen soll sie ab
2010 nun laut Glietsch zwar kommen. Aber die Entscheidung ist halbseiden:
"Aus Sicherheitsgründen" könne der Beamte das an einem Klettband
angebrachte Namensschild umdrehen, sagte Glietsch der taz. "Auf der
Rückseite steht dann seine Dienstnummer." Jener Nummer also, deren
Herausgabe auch im aktuellen Fall verweigert wurde.
Der berüchtigte Corpsgeist in der Polizei hat Brüche bekommen. Ein
Beispiel: Eine Beamtin einer Hundertschaft hat im November 2008 von sich
aus angezeigt, dass ihre Kollegen verbotene Quarzsandhandschuhe im Einsatz
tragen. Aber die Kameraderie, die eigenen Kollegen zu decken, existiert
nach wie vor.
Nun aber schießen die Bürger zurück. Die moderne Foto- und Filmtechnik -
fast jeder Demonstrant hat heute ein Handy oder eine Digitalkamera dabei -
ermöglicht eine Beweisführung. Daran kommen die Gerichte wohl kaum vorbei.
16 Sep 2009
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=nSa4CYdt1yo
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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