# taz.de -- Nach Datenschutz-Demo in Berlin: Staatsanwalt ermittelt gegen Beamte | |
> Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Polizisten wegen des | |
> Übergriffs auf der Datenschutz-Demo. Ein ärztliches Gutachten, das der | |
> taz vorliegt, stützt die Version des Demonstranten. | |
Bild: Szene aus dem Beweisfilm, kurz bevor Demonstrant H. von einem weiteren Po… | |
Wegen eines Polizeiübergriffs auf einen Demonstranten ermittelt seit | |
Freitag die Berliner Staatsanwaltschaft. "Das Verfahren ist nun bei uns | |
anhängig", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Freitag. Außerdem | |
hat der Anwalt des Opfers Strafanzeige gegen die am Vorfall beteiligten | |
Polizisten bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Die Anzeige liegt der taz | |
vor. | |
In dem Papier wirft Strafverteidiger Johannes Eisenberg den beteiligten | |
Polizisten vor, sich der gefährlichen, gemeinschaftlich begangenen | |
Körperverletzung schuldig gemacht zu haben. Außerdem hält Eisenberg den | |
Beamten falsche Verdächtigung und die Verfolgung Unschuldiger vor. | |
Am vergangenen Sonnabend hatten Polizisten während einer weitgehend | |
friedlichen Demonstration gegen Überwachung in Berlin anscheinend grundlos | |
den 37-jährigen H. mehrfach ins Gesicht geschlagen und auch mit einem | |
schmerzhaften Griff in die Nasenlöcher traktiert. Andere Demo-Teilnehmer | |
filmten den Angriff und entsprechende Videos verbreiteten sich schnell im | |
Internet. Die Aufnahmen zeigen auch einen zweiten Demonstranten mit | |
blutigem Gesicht. | |
Gegen zwei Beamte hat bisher das Landeskriminalamt wegen Körperverletzung | |
im Amt ermittelt. Außerdem haben die beteiligten Polizisten H. laut dem | |
Berliner Polizeipräsidenten Dieter Glietsch wegen Widerstandes gegen | |
Vollzugsbeamte angezeigt. Deshalb zeigte sie Eisenberg nun auch wegen | |
falscher Verdächtigung an. In der Anzeige heißt es, das auf den Filmen | |
sichtbare Geschehen vor und während des Übergriffs schließe | |
Widerstandshandlungen aus. Allen Anschuldigungen geht nach Angabe des | |
Sprechers der Staatsanwaltschaft nun die Abteilung 11 seiner Behörde nach. | |
Mit der Anzeige liegt nun zum ersten Mal eine Schilderung des Opfers vom | |
Hergang der Ereignisse vor: H. kann sich laut seiner eigenen Darstellung in | |
der Strafanzeige nach Schlägen gegen seinen Kopf nur bruchstückhaft an die | |
Szene erinnern. Er wisse aber noch, dass er vor dem Angriff auf sich nach | |
der Dienstnummer eines Beamten gefragt habe. Grund: Dieser und seine | |
Kollegen hätten zuvor in Richtung von Demonstranten geschlagen. | |
Statt der Dienstnummer habe er nur die Rückennummer der beteiligten Einheit | |
bekommen. Während er schrieb, hätten ihn Polizisten aufgefordert, von der | |
Straße zu verschwinden, und auf den Bürgersteig gezeigt. Weil dort aber | |
Polizisten standen und kein Durchkommen möglich gewesen sei, habe er sich | |
in Richtung des anderen Bürgersteigs bewegt. Als H. dort ankam, wurde er | |
von einem Polizisten zurückgezerrt und die Attacke begann. Geschlagen wurde | |
er laut Eisenbergs Anzeige von dem Beamten, den er auch nach seiner | |
Dienstnummer gefragt hat. | |
Der taz liegt ein ärztliches Gutachten vor, welches die Angaben von H. | |
stützt. In dem Dokument beschreibt ein Rechtsmediziner der Berliner Charité | |
am 14. 9. 2009 die sichtbaren Verletzungen des 37-Jährigen: "Die Unterlippe | |
massiv geschwollen. […] Im Bereich des Übergangs von Lippenrot auf die | |
Oberhaut am Kinn zeigt sich eine […] vernähte Hautverletzung. Die | |
Lippenschleimhaut […] massiv geschwollen." Daneben schreibt der Arzt noch | |
von mehreren Hautabschürfungen im Gesicht, Schmerzen in der Seite, im | |
Nacken und in den Schultern. Der Mediziner kommt zu dem Schluss: "Die […] | |
festgestellten Verletzungen sind Folge mehrfacher, einseitiger, stumpfer, | |
äußerer Gewalteinwirkung und lassen sich zwanglos […] mit der von ihm | |
berichteten Vorgeschichte vereinbaren." | |
Eisenberg macht in seiner Anzeige noch auf ein Detail aufmerksam, welches | |
er auf den Filmen entdeckt hat: Obwohl es warm war, trägt der schlagende | |
Beamte Handschuhe - bei seinen Kollegen ist das zumeist nicht der Fall. Der | |
Anwalt fordert nun, zu untersuchen, ob der Polizist Quarzsandhandschuhe | |
trug, die die Wirkung von Schlägen verstärken. | |
Mitarbeit: Richard Howen | |
19 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
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