# taz.de -- Neues Gewaltvideo von Überwachungsdemo: Nachschlag für die Polize… | |
> Ein Video zeigt eine weitere gewaltsame Festnahme bei der "Freiheit statt | |
> Angst"-Demonstration. Die Szene ist typisch. Aber ist das Vorgehen der | |
> Beamten auch erlaubt? | |
Bild: Gewaltsame Festnahme: Ausschnitt aus dem neuen Video. | |
Ein weiteres Internet-Video vom Polizeieinsatz bei der Demonstration gegen | |
Datenspeicherung sorgt für Aufregung. Die Szene ist längst nicht so brutal, | |
wie die Prügelattacke gegen einen Radfahrer (taz berichtete). Sie zeigt | |
vielmehr eine Festnahme, wie sie bei Demonstrationen immer wieder | |
beobachtet wird. Dennoch erscheint sie Laien unverhältnismäßig. Die Polizei | |
ermittelt zur Klärung des Vorfalls wegen Körperverletzung im Amt gegen | |
beteiligte Beamte. Die taz hat Experten gefragt: Handeln Polizisten noch im | |
Rahmen der Vorschriften, wenn sie bei der Festnahme auf Menschen | |
einschlagen? Oder wird hier Dank neuer Technik eine fast alltägliche | |
Straftat dokumentiert? | |
Das Video findet sich im Internetportal youtube unter dem Titel "Mann in | |
schwarz - Zugriff". Es zeigt zunächst, wie der unter dem Pseudonym | |
"Padeluun" bekannte Anmelder der Demonstration "Freiheit statt Angst" mit | |
einem Polizisten auf der Verlängerung der Stresemannstraße spricht. Dann | |
schwenkt die Kamera zu einer Rangelei auf dem Potsdamer Platz. Ab Sekunde | |
17 ist ein glatzköpfiger Beamter zu erkennen, der nach unten schlägt. | |
Unmittelbar darauf wird ersichtlich, dass er mit einem weiteren Polizisten | |
einen Demonstranten mit gesenktem Kopf aus der Menge abführt. Bei Sekunde | |
23 schlägt der glatzköpfige Polizist dem Festgenommenen in den Rücken. | |
Die Gewaltanwendung der Beamten sei absolut gerechtfertig, sagen zwei | |
einsatzerfahrene Polizisten der taz. Denn der Festgenomme leiste | |
Widerstand. "Er geht nicht mit den Beamten mit, lässt stattdessen seinen | |
Körper nach unten sacken", sagt einer der Beamten. "Das ist eine | |
Widerstandshandlung." Zudem drücke er seinen Arm nach unten und verhindere, | |
dass sich der Polizist unterhaken kann, ergänzt der zweite von der taz | |
befragte Polizist. Der Schlag auf den Rücken sei ein Ablenkungsmanöver, | |
eine subtile Taktik, um den Widerstand zu brechen. Für Außenstehen wäre das | |
schwer erkennbar. Aber das sei ein zulässiges Mittel bei Festnahmen - zumal | |
der Beamte nicht mit voller Kraft zuschlage, wie man an der Haltung der | |
Hand erkennen könne. | |
Tatsächlich haben Polizisten das Recht, bei Festnahmen körperliche Gewalt | |
anzuwenden. Dies sei vielen Betroffenen nicht klar, schrieb der FU-Jurist | |
Klaus Rogall 2008 in einer Expertise für den Polizeipräsidenten über | |
Anzeigen gegen Beamte wegen Körperverletzung im Amt. Deshalb würden die | |
Verfahren "nicht gerade selten" eingestellt. | |
Umgekehrt gilt: wer sich einer Festnahme widersetzt, muss mit einer Anzeige | |
rechnen. "In einer Demokratie hat der Staat zunächst die | |
Rechtmäßigkeitsvermutung für sich, sonst könnte er gar nicht handeln", | |
erklärt der Rechtsprofessor Oesten Baller, der an der Hochschule für | |
Wirtschaft und Recht Polizisten unterrichtet. Eine Festnahme müsse man | |
daher erstmal erdulden. Allenfalls verbal dürfe man protestieren. | |
"Allerdings gilt für die Polizei das Prinzip der Verhältnismäßigkeit", sagt | |
Baller. In dem Video sei keine Gegenwehr des Gefangenen zu sehen. Der | |
Beamte schlage daher ohne Grund auf den Mann ein. | |
Zum gleichen Ergebnis kommen auch die Rechtsanwälte Johannes Honecker, | |
Geschäftsführer des Republikanischen Anwaltsvereins, und sein Kollege | |
Rüdiger Jung. Das sei eine klare Überschreitung der polizeilichen | |
Befugnisse, steht für die beiden Juristen fest. | |
"Ich kenne wesentlich schlimmere Szenen", sagt Udo Wolf, Innenexperte und | |
designierter Vorsitzender der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Dennoch | |
ist auch für ihn klar: Der Schlag ins Kreuz des Demonstranten ist nicht | |
akzeptabel. "Ich glaube aber nicht, dass der Polizist mit Vorsatz prügelt", | |
sagt Wolf. Er habe sich in einer Stresssituation falsch verhalten. "Aber | |
auch das muss aufgeklärt werden." Noch beim 1. Mai 2007 sei er glücklich | |
über das Auftreten der Beamten gewesen. "Festnahmen verliefen unspektakulär | |
ohne Aggressionsposen", sagt Wolf. Mittlerweile gehe es vereinzelt wieder | |
härter zu. Auch Juraprof Baller fragt sich, ob die Polizei bei | |
Demonstrationen des linken Spektrums nicht vorschnell Militanz unterstelle, | |
die ein zwangsweises Vorgehen berechtigen würde. | |
Für den Dauerdemonstrationsbeobachter Christian Ströbele (Grüne) zeigt das | |
Video eine "typische Szene, wie sie immer wieder vorkommt". Ähnliche | |
Vorfälle habe er zuletzt am Rande der versuchten Flughafenbesetzung in | |
Tempelhof im Juni gesehen. Sehr häufig würden Beamte Festgenommen noch | |
einen Schlag mitgeben. Deshalb ist Ströbele froh, dass nun von | |
Demonstranten "zurückgefilmt" werde. | |
"Nachdem sich die Handyfotografie in Teheran als ein brauchbares Mittel | |
gegen die staatliche Nachrichtensperre erwiesen hat, erleichert sie nun in | |
Deutschland die Beweisführung bei Übergriffen der Staatsgewalt", freut sich | |
Rechtsanwalt Rüdiger Jung. Das führe bei der Polizei hoffentlich zu mehr | |
Zurückhaltung. | |
Dafür sehen die von der taz befragten Beamten überhaupt keine | |
Notwendigkeit. "Wenn wir eingreifen, dann ist das rechtmäßig", sagt ein | |
Polizist. Die Vielzahl der Videos erkläre sich mit einem | |
Trittbrettfahrereffekt: "Nach dem Motto: Ich hab das auch noch einen Film". | |
Die Gegenüberwachung sei für die Polizisten eine psychologische Belastung, | |
hat Juaprof Baller dagegen festgestellt. "Aber sie müssen lernen, damit | |
umzugehen." | |
18 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
G. Asmuth | |
P. Plarre | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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