# taz.de -- Nazi-Aufmarsch in Dresden: Eine Menschenkette für alle | |
> Dresden einigt sich auf einen Anti-Nazi-Protest, an dem auch die CDU | |
> teilnehmen will. Das neue Versammlungsgesetz dagegen erweist sich als | |
> wirkungslos. | |
Bild: Großplakat am Dresdner Rathaus. | |
Dresden wird sich am 13. Februar, dem Jahrestag seiner Zerstörung im | |
Zweiten Weltkrieg, wohl noch lange auf eine Demonstration von Neonazis | |
einstellen müssen. Denn das im Januar eilig verabschiedete | |
Versammlungsgesetz der CDU-FDP-Koalition ist offensichtlich ein "Schuss in | |
den Ofen", wie es der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende im Landtag | |
Martin Dulig ausdrückte. Es verhindert gerade nicht den Missbrauch dieses | |
Tages durch den von der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland angemeldeten | |
"Trauerzug", der Deutschland als ein Kriegsopfer der Alliierten | |
hinzustellen versucht. | |
So auch in diesem Jahr: Das Oberverwaltungsgericht in Bautzen genehmigte am | |
Donnerstag den für den heutigen Samstag angemeldeten Aufmarsch, zu dem | |
6.500 Rechtsextreme aus ganz Deutschland erwartet werden. Die Stadt Dresden | |
habe bei ihrer Entscheidung, nur eine Kundgebung der Rechtsextremen an | |
einem festen Standort zuzulassen, keinen polizeilichen Notstand glaubhaft | |
gemacht, argumentierten die Richter. Die Verlegung des Aufzuges sei damit | |
rechtswidrig. | |
Die Richter entschieden aber auch, dass die von der Stadt verfügte | |
Zeitbegrenzung der Demonstration eingehalten werden müsse. Demnach können | |
die Neonazis nun von 12 bis 17 Uhr ihren "Trauermarsch" abhalten. Die | |
Rechtsextremen selbst wollten bis Mitternacht demonstrieren. Zudem dürfe | |
die Stadt den Beginn der Aufzugsroute aus Sicherheitsgründen an den Bahnhof | |
Neustadt verlegen. | |
Das Versammlungsgesetz verbietet nur Kundgebungen an neuralgischen Punkten | |
der Innenstadt. Gegen das Gesetz haben Linke und Grüne bereits Klagen vor | |
dem Verfassungsgericht angekündigt. | |
Von Dresden geht dennoch in diesem Jahr ein Hoffnungszeichen aus. Erstmals | |
wird aktiver Widerstand gegen die Besetzung der Stadt durch braune | |
Ideologen von der CDU und der Stadtspitze nicht als Linksextremismus | |
denunziert. Im Vorjahr hatten Prominente aus der ganzen Bundesrepublik zu | |
einem "GehDenken" aufgerufen, das aber in Dresden relativ isoliert blieb. | |
Zugleich provozierten etwa 3.000 Anhänger der "No Pasaran"-Initiative, | |
indem sie das Bombardement als verdiente Strafe für die Deutschen fröhlich | |
feierten. | |
Alle Dresdner können sich in diesem Jahr in einem Aufruf "Aktion Weiße | |
Rose" der Stadt wiederfinden, der eine Menschenkette durch die Innenstadt | |
zum Ziel hat. Erstmals wollen auch CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich | |
und zwei Minister daran teilnehmen. | |
Dessen ungeachtet ruft ein Bündnis "Dresden nazifrei" zur gewaltfreien, | |
aber massiven Blockade des Nazizuges auf. Es wird unter anderem von der | |
Linken, vom Verein Bürger-Courage oder vom Liedermacher Konstantin Wecker | |
unterstützt, der eigens anreisen will. Der Blockadeaufruf hatte auch | |
überregional heftig kritisierte Durchsuchungen in Büros zur Folge, weil die | |
Staatsanwaltschaft Dresden einen Verstoß gegen das Versammlungsrecht | |
witterte. | |
Insgesamt sind für den heutigen Samstag 20 Veranstaltungen angemeldet | |
worden. Die Stadt wird wieder einer Festung gleichen und durch | |
Polizeiketten in mehrere Areale zerschnitten werden. Die Angaben schwanken | |
zwischen 4.500 und 8.000 Polizisten aus ganz Deutschland, die zum Einsatz | |
kommen sollen. Justizminister Jürgen Martens (FDP) und Innenminister Markus | |
Ulbig (CDU) kündigten bereits ein hartes Durchgreifen gegen Gewalttäter an. | |
Ulbig, aus seiner Amtszeit als Oberbürgermeister in Pirna als konsequenter | |
Gegner von Rechtsextremisten bekannt, will sich auch in die Menschenkette | |
einreihen. | |
12 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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