# taz.de -- Dresden nazifrei: Staatsanwalt räumt Fehler ein | |
> Die Staatsanwaltschaft Dresden hält Blockadeaufruf weiter für strafbar, | |
> will vorerst aber keine Plakate mehr beschlagnahmen. Den Nazis wurde nur | |
> eine Steh-Kundgebung erlaubt. | |
Bild: Sitzblockade, hier gegen eine Nazidemo in München. | |
DRESDEN taz | Die Dresdner Staatsanwaltschaft plant derzeit keine weiteren | |
Maßnahmen gegen Nazi-Gegner. Das sagte Christian Avenarius, Sprecher der | |
Ermittlungsbehörde, jetzt zur taz. Er hält den Aufruf zur Blockade einer | |
rechtsextremen Demonstration in Dresden aber weiterhin für "grundsätzlich | |
strafbar". | |
Am 13. Februar soll in Dresden der jährliche rechte "Trauermarsch" | |
anläßlich der allierten Bombardierung der Stadt 1945 stattfinden. Im | |
letzten Jahr kamen 6500 Teilnehmer aus ganz Europa – es war die bundesweit | |
größte Nazi-Demo. | |
Dagegen mobilisiert ein breites Bündnis "Dresden nazifrei" aus Antifa, | |
Linken, Grünen, Jusos. Im Aufruf heißt es, man wolle sich "durch Aktionen | |
des zivilen Ungehorsams den Nazis entgegen stellen und sie blockieren". | |
[1][Die Staatsanwaltschaft durchsuchte] daraufhin Büros und beschlagnahmte | |
Plakate. | |
Vorerst soll es aber keine weiteren Durchsuchungen und Beschlagnahmungen | |
bei den Nazi-Gegnern geben, so Avenarius. Schließlich hat die Stadt Dresden | |
vorige Woche den Marsch der Neonazis aus Angst vor gewaltsamen | |
Ausschreitungen verboten. | |
Erlaubt wurde nur eine "stationäre Kundgebung". Der rechte Veranstalter, | |
die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland, hat eine Klage angeündigt. Bis | |
zur endgültigen Entscheidung will die Staatsanwaltschaft aber nicht mehr | |
gegen das Anti-Nazi-Bündnis vorgehen. | |
Generell sehen die Ermittler im Blockadeaufruf aber eine "öffentliche | |
Aufforderung zu Straftaten", die nach Paragraph 111 Strafgesetzbuch | |
verboten ist. Aufgerufen werde zur strafbaren Blockade einer Demonstration, | |
sagt Avenarius und verweist auf Paragraph 21 des Versammlungsgesetzes. "Wer | |
in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern", | |
heißt es dort, "Gewaltätigkeiten durchführt oder androht oder grobe | |
Störungen verursacht", werde bestraft. | |
Für Avenarius sind die geplanten Blockaden "grobe Störungen" des geplanten | |
Trauermarsch. "Wenn ein Marsch durch Blockaden am Marschieren gehindert | |
werden soll, ist das eindeutig strafbar", so der Staatsanwalt. Er kann | |
allerdings keine einzige Gerichtsentscheidung nennen, die diese Auffassung | |
stützt. | |
Bei Blockaden rechter Demos in Berlin, Köln und Freiburg wurde jedenfalls | |
nicht gegen die Nazigegner ermittelt. Vielmehr bekamen diese eher Lob | |
seitens der jeweiligen Stadtoberen. Immerhin stehen auch | |
Gegendemonstrationen und friedliche Blockaden prinzipiell unter dem Schutz | |
des Grundgesetzes, so die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. | |
Das Bündnis "Dresden nazifrei" hat inzwischen Plakate nachgedruckt. Am | |
Samstag nahmen vor Ort 150 Leute an einem öffentlichen Blockadetraining | |
statt. Auch [2][die Webseite] ist nach dem Umzug auf einen ausländischen | |
Server wieder online. Die Staatsanwaltschaft räumte inzwischen ein, dass | |
sie die Polizei nicht anweisen durfte, gegen die Seite vorzugehen. "Das war | |
ein Versehen", so Avenarius, "für die Gefahrenabwehr sind wir nicht | |
zuständig, sondern allein die Polizei." | |
Avenarius betonte, dass er nur das Demonstrationsrecht der Rechtsextremen | |
verteidige, aber keinerlei Sympathie für deren Positionen habe. "Ich hoffe, | |
dass sich so viele Menschen wie möglich an der Menschenkette der Stadt | |
Dresden beteiligen, ich mache das auch", sagte er zur taz. | |
31 Jan 2010 | |
## LINKS | |
[1] /1/politik/deutschland/artikel/1/kritik-an-rechtswidrigen-razzien/ | |
[2] http://www.dresden-nazifrei.com | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nazi-Aufmarsch: Blockkonfrontation in Dresden | |
Für tausende Neonazis aus ganz Europa ist der "Trauermarsch" in Dresden ein | |
zentrales Ereignis. Ermittlungen gegen Nazi-Schläger vom letzten Jahr | |
laufen ins Leere. | |
Zivilgesellschaft in Dresden: "Hier versagt das Bürgertum" | |
Der Naziaufmarsch hat Dresden vereint, glaubt Aktivist Christian Demuth. | |
Und seit dem Marwa-Mord gebe es Sorge ums Image. Anti-Nazi-Aktivisten | |
werden weiterhin als "linksextrem" verunglimpft. | |
Nazi-Aufmarsch in Dresden: Eine Menschenkette für alle | |
Dresden einigt sich auf einen Anti-Nazi-Protest, an dem auch die CDU | |
teilnehmen will. Das neue Versammlungsgesetz dagegen erweist sich als | |
wirkungslos. | |
Internetzensur in Dresden: Bündnis gegen Nazis blockiert | |
Die Staatsanwaltschaft hat die Internetseite eines Bündnisses gesperrt, das | |
die Nazidemo gegen den "alliierten Bombenterror" blockieren will. Der | |
Grund: Sie rufe zur Gewalt auf. | |
Durchsuchung bei Antifa: Kritik an rechtswidrigen Razzien | |
Die Ermittler begründen die Razzien gegen Antifas damit, sie hätten zu | |
Blockaden aufgerufen. Diese sind laut Verfassungsgericht aber längst nicht | |
mehr strafbar. | |
Vor Neonazi-Aufmarsch: Linker Infoladen durchsucht | |
Die Dresdner Staatsanwaltschaft lässt in Berlin-Kreuzberg einen | |
Antifa-Laden filzen. Das sei eine "Kriminalisierung der Engagierten", so | |
Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. |