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# taz.de -- Israelische Militäraktion gegen Soliflotte: Rückkehrer erheben sc…
> Fünf von elf deutschen Teilnehmern der Solidaritätsflotte sind wieder
> Zuhause. Darunter auch die beiden Abgeordneten der Linkspartei. Sie
> hätten sich gefühlt "wie im Krieg".
Bild: Da waren sie noch unbehelligt: Groth und Höger am Sonntag bei einer Pres…
BERLIN taz | Norman Paech hat ein schmutziges T-Shirt an und eine Decke
über die Schulter gelegt. Er blinzelt in die Kameras und sagt: "Diese Decke
ist eine Gabe von der israelischen Fluggesellschaft El Al." Die Armee hat
ihm nur Hemd und Hose gelassen. Paech, emeritierter Politikprofessor und
Exparlamentarierer der Linkspartei, hat den Angriff der israelischen Armee
auf das türkische Schiff "Mavi Marmara" am Montagmorgen erlebt.
Am Dienstagmittag waren Paech, die beide Linkspartei-Abgeordneten Inge
Höger und Annette Groth sowie zwei weitere deutsche Aktivisten wieder in
Berlin-Schönefeld gelandet. Wie sie wurden insgesamt rund 50 der über 700
AktivistInnen, die an Bord der sechs aufgebrachten Hilfsschiffe waren,
freigelassen und abgeschoben. Die anderen, darunter auch der schwedische
Autor Henning Mankell, befanden sich zunächst weiter in israelischem
Gewahrsam.
Viele von ihnen wurden vor die Wahl gestellt, ihrer Deportation zuzustimmen
oder in Israel vor Gericht gestellt zu werden. Denn die israelische
Regierung sieht keinerlei Grund, sich für das Entern des Führungsschiffes
der Gaza-Hilfsflotte zu entschuldigen. Es sei eine "Armada des Hasses und
der Gewalt" gewesen, sagte Israels Vizeaußenminister Danny Ajalon.
Von dem, was genau geschah, nachdem kurz vor 5 Uhr am Morgen Schnellboote
den behäbigen Dampfer umkreisten, existieren weiterhin unterschiedliche
Versionen. Man hörte, beschreiben die freigelassenen Deutschen,
explodierende Granaten und Hubschrauber, von denen sich israelische
Elitesoldaten abseilten. Die Frauen waren, so die Linksparteiabgeordnete
Inge Höger, im Unterdeck eingeschlossen. Männer und Frauen waren getrennt.
Offenbar hatten türkische Aktivisten die Frauen zu deren Schutz
eingeschlossen.
Allerdings, so Paech, gab es kurz nach dem Granatengetöse drei verletzte
israelische Soldaten, die von den Pro-Gaza-Aktivisten in Obhut genommen
wurden. Sie waren, so Paech, allem Anschein nach "nur leicht verletzt."
Einer schien einen Kreislaufkollaps zu haben.
Dass überhaupt zunächst israelische Verletzte von den Aktivisten behandelt
wurden, stärkt die Version der israelischen Armee, die Soldaten seien
entgegen aller Erwartung massiv angegriffen worden, nachdem sie sich aufs
Deck der "Mavi Marmara" abgeseilt hatten. Erst nachdem zwei Soldaten die
Pistolen entwendet worden seien, hätten die Kommandeure die Erlaubnis zum
Schießen erteilt. Während die israelische Seite allerdings berichtet, die
Soldaten seien mit Eisenstangen, Messern und Äxten attackiert worden, habe
Norman Paech lediglich ein paar Holzknüppel gesehen. Später sah Paech in
einem notdürftig eingerichteten Lazarett mehrere schwerverletzte
Aktivisten.
Den Linkspartei-Politikern ist gut 30 Stunden nach dem Überfall die
Anstrengung anzumerken. Und der Schock. Es hatte niemand mit einem Angriff
gerechnet. Höger ist sich sicher, von wem die Aggression ausging: "Von den
Aktivisten hatte niemand eine Waffe." Die israelischen Soldaten haben in
Montur, mit Masken und "abnorm großen Gewehren" (Paech) das Schiff in
Beschlag genommen.
Es sei, so auch die Darstellung der Linkspartei-Politikerin Annette Groth,
in den Diskussionen zuvor stets Konsens gewesen, dass man sich
ausschließlich friedlich wehren wollte. Allerdings war, berichten deutsche
Beteiligte, die Kommunikation sprachlich schwierig, da an der Aktion Leute
aus 30 Nationen beteiligt waren. Der Kampf auf Deck hat neun Menschenleben
gekostet. Die deutschen Rückkehrer berichteten außerdem von mehr als 50
"erheblich" Verletzten. Nachdem die Armee das Schiff erobert hatte, wurden
die Gefangenen gefesselt und durchsucht. Handys und Kameras wurden
beschlagnahmt und auch bei Freilassung nicht zurückgegeben.
1 Jun 2010
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Israel
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