| # taz.de -- Israel weist Vorwürfe zurück: Blutbad auf hoher See | |
| > Israels Armee weist Vorwürfe zurück und spricht von Provokation durch die | |
| > Aktivisten. Premier Netanjahu brach seine US-Reise vorzeitig ab. Die | |
| > Türkei will den UN-Sicherheitsrat anrufen. | |
| Bild: Ein israelischer Soldat steht Wache, als das Gaza-Schiff angegriffen wird. | |
| In einem Blutbad endete die Seefahrt von 600 propalästinensischen | |
| Aktivisten: Die israelische Marine brachte ein Sonderaufgebot auf, um die | |
| Schiffe zu stoppen. Dabei kamen nach Informationen der israelischen Marine | |
| mindestens 9 Menschen zu Tode, nach Meldungen ausländischer Medien sogar 19 | |
| Personen. | |
| Noch vor dem Morgengrauen stürmten gestern die zum Teil vermummten Soldaten | |
| den Hilfskonvoi und stießen auf dem türkischen Flaggschiff "Mavi Marmara" | |
| auf heftigen Widerstand. "Die Soldaten haben ihre Schusswaffen eingesetzt, | |
| um sich selbst zu retten", kommentierte einige Stunden später der | |
| israelische Verteidigungsminister Ehud Barak. Er bedauerte den Tod der | |
| Aktivisten, für den jedoch andere die Verantwortung trügen. | |
| "Negativ" soll die Antwort des Kapitäns der "Mavi Marmara" gelautet haben, | |
| als die israelische Marine anbot, die geladenen Güter auf dem Landweg in | |
| den Gazastreifen zu bringen. "Die Gaza-Küste und der Hafen sind | |
| geschlossen", meldete ein Marine-Soldat per Funk an den Konvoi. "Die | |
| israelische Regierung unterstützt die Lieferung humanitärer Güter in den | |
| Gazastreifen", sagte er weiter. Der Konvoi solle zum israelischen Hafen von | |
| Ashdod kommen, damit von dort der Transport nach Gaza fortgesetzt werden | |
| kann. | |
| In der Vergangenheit hatte Israel trotz Embargos vereinzelt Schiffe der | |
| Bewegung "Free Gaza" an der palästinensischen Küste anlegen lassen. Das | |
| erste Schiff war im August 2008 mit Hilfsgütern für den isolierten | |
| Gazastreifen in See gestochen. Das Bündnis verschiedener | |
| propalästinensischer Gruppen, darunter "Pax Christi" und die | |
| "Internationale Liga für Menschenrechte", kämpft für ein Ende der Blockade. | |
| Schon am frühen Morgen schalteten sämtliche israelischen Fernsehkanäle auf | |
| Lifeberichterstattung. Die "Stimme Israels" ließ kurzfristig Greta Berlin | |
| zu Wort kommen, eine britische Bildhauerin, die von Zypern aus als | |
| Sprecherin des Konvois fungiert. "Wir wussten, dass Israel unsere Ladungen | |
| niemals weiterleiten würde", erklärte sie, da es sich um Produkte handelte, | |
| die "zu den 2.000 Waren gehört, deren Einfuhr Israel in den Gazastreifen | |
| verbietet, wie Beton und Papier." Insgesamt hatte der Konvoi 10.000 Tonnen | |
| an Hilfsgütern geladen. | |
| Die israelische Armeeführung wies die Vorwürfe zurück und berichtete | |
| umgekehrt von einer gezielten Provokation. Die Soldaten seien "mit | |
| ungewohnt harter Gewalt" in Empfang genommen worden, erklärte Marinechef | |
| Eliesar Meron vor Journalisten in Tel Aviv. Dabei seien "kalte und heiße | |
| Waffen" eingesetzt worden. Von Äxten und sogar von Schusswaffen war die | |
| Rede. Offenbar mussten sich einige Soldaten durch den Sprung ins Wasser | |
| retten. | |
| Obschon die gesamte Militärführung nur Worte des Lobes für die Soldaten | |
| fand, zeichnete sich schon gestern das Ausmaß der diplomatischen | |
| Katastrophe ab. Premierminister Benjamin Netanjahu brach seine US-Reise | |
| vorzeitig ab. Eine diplomatische Panne ereignete sich im Eingangsbereich | |
| des Außenministeriums in Jerusalem, als der türkische Botschafter | |
| geradewegs den Journalisten in die Arme lief, die eben von einer | |
| Pressekonferenz mit Vizeaußenminister Dani Ayalon kamen. Der Kampf um die | |
| internationale Öffentlichkeit hat begonnen, wobei einer der Analysten schon | |
| gestern beklommen feststellte, dass diese Affäre "das Allerletzte war, was | |
| Israel brauchte". Das Außenamt veröffentlichte Warnungen an die | |
| Bevölkerung, von Reisen in die Türkei vorläufig abzusehen. | |
| Dort kam es zu heftigen anti-israelischen Protesten. Über den zentralen | |
| Istanbuler Taksim Platz schallt es "Allah u Akbar", im Wechsel dazu "Nieder | |
| mit Israel". Die Menge besteht fast ausschließlich aus islamischen | |
| Aktivisten, darunter viele junge Frauen im schwarzen Ganzkörperschleier. | |
| Normalerweise sieht das Publikum auf dem Taksim Platz anders aus, aber die | |
| Nachrichten von dem israelischen Militäreinsatz gegen den maritimen | |
| Hilfskonvoi für das blockierte Gaza trieb gestern Vormittag vor allem | |
| Anhänger der islamischen Gruppen auf die Straße. Waren es am Morgen erst | |
| einige hundert, die spontan ins Zentrum kamen, strömen am Mittag bereits | |
| organisierte Massen zu Tausenden dorthin. Andere hatten sich bereits in der | |
| Nacht auf den Weg zum israelischen Konsulat gemacht, wo es am frühen Morgen | |
| zu einer Straßenschlacht mit der Polizei gekommen war. | |
| Von den zuletzt gemeldeten 19 Toten, die Opfer der israelischen | |
| Militäraktion wurden, sollen 10 aus der Türkei kommen. Das entspricht den | |
| Zahlenverhältnissen auf den sechs Schiffen. Unter den 600 Menschen, die den | |
| Hilfskonvoi begleiten, sind 400 Türken. Auch das Flaggschiff des Konvois, | |
| die "Mavi Marmara", kommt aus Istanbul. Eigentümerin ist die islamische | |
| Hilfsorganisation "Insan Hak ve Hürriyetleri ve Insani Yardim Vakfi" (IHH). | |
| Diese islamische Hilfsorganisation war anlässlich des Krieges in Bosnien | |
| gegründet worden, hatte dann die islamischen Kämpfer in Tschetschenien | |
| unterstützt und konzentrierte sich in den letzten Jahren überwiegend auf | |
| Palästina. Angeblich unterhält die Organisation gute Beziehungen zur Hamas. | |
| Weil es ihr nicht gelang, für die Aktion Schiffe zu chartern, hat sie | |
| kurzerhand zwei Frachter gekauft, einer davon ihnen die "Mavi Marmara". | |
| Gemeinsam mit anderen islamischen Hilfsorganisationen veranstaltete IHH | |
| gestern in Istanbul eine Pressekonferenz, in deren Verlauf sie Israel des | |
| Mordes an "ihren Märtyrern" beschuldigte. Auf einer eilig einberufenen | |
| Pressekonferenz der Regierung, die der stellvertretende Ministerpräsident | |
| Bülent Arinc in Abwesenheit von Tayyip Erdogan, der noch in Südamerika ist, | |
| veranstaltete, wurde er gefragt, ob die Türkei nun ihrerseits Kriegsschiffe | |
| an die israelische Küste beordern würde. Arinc verneinte das zwar, zählte | |
| aber auf, dass die Türkei ihren Botschafter in Jerusalem abberuft, mehrere | |
| Militärabkommen mit Israel kündigen wird und als derzeit nichtständiges | |
| Mitglied des UN-Sicherheitsrates eine Dringlichkeitssitzung des höchsten | |
| UN-Organs verlangt. | |
| 1 Jun 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| S. Knaul | |
| J. Gottschlich | |
| ## TAGS | |
| Israel | |
| Israel | |
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