Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nach Israels Angriff auf Solifahrt für Gaza: Sondersitzung in Brü…
> Nach dem Angriff Israels auf einen Hilfskonvoi nach Gaza mit mindestens
> zehn Toten gibt es in Brüssel eine EU-Sondersitzung. Die Türkei hat
> inzwischen ihren Botschafter in Israel abberufen.
Bild: Auf einer spontanen Großdemonstration in Istanbul gegen den Angriff auf …
ANKARA/JERUSALEM afp/dpa/apn | Der israelische Verteidigungsminister Ehud
Barak hat am Montag die Organisatoren der Gaza-Hilfsaktion für den blutigen
Zwischenfall im Mittelmeer verantwortlich gemacht. "Wir bedauern, dass es
Opfer gegeben hat, aber die Verantwortung liegt bei den Organisatoren der
Flotille", sagte Barak vor Journalisten in Tel Aviv.
Nur auf einem der Schiffe, der türkischen "Marmara", hätten Aktivisten mit
Gewalt auf die Erstürmung durch die Soldaten reagiert, sagte der
Verteidigungsminister. "Angesichts der Gefahr waren die Soldaten gezwungen,
Mittel zur Auflösung von Demonstrationen einzusetzen, darunter auch scharfe
Munition", sagte Barak.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat sich erschüttert über die Erstürmung der
Gaza-Flotte vor der israelischen Küste mit zahlreichen Toten gezeigt. Das
Ausmaß des Vorfalls habe ihn schockiert, sagte Ban am Montag in der
ugandischen Hauptstadt Kampala. Er forderte von der israelischen Regierung
volle Aufklärung über den Militäreinsatz. "Es ist unerlässlich, dass es
eine umfassende Untersuchung geben muss, um genau zu klären, wie es zu
diesem Blutvergießen kam", sagte Ban.
Ankara hat inzwischen aus Protest gegen den israelischen Angriff den
türkischen Botschafter aus Israel abberufen. Außerdem annulliere die Türkei
drei Militärabkommen mit Israel, sagte der türkische Vizeministerpräsident
Bülent Arinc am Montag in Ankara.
EU beruft Sondersitzung ein
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat den israelischen
Militäreinsatz gegen die "Solidaritätsflotte" für Gaza verurteilt. "Sie
bedauert zutiefst den Verlust von Menschenleben als Folge der israelischen
Militäroperation", sagte ein Sprecher Ashtons am Montag in Brüssel. "Die EU
verurteilt jede Gewalthandlung und bedauert jeden übermäßigen Einsatz von
Gewalt."
Die ständigen Vertreter der 27 EU-Regierungen wurden am Montag zu einer
Sondersitzung in Brüssel einberufen, um über das weitere Vorgehen der
Europäischen Union zu beraten. Zur Frage, ob eine Aussetzung des
Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel erwogen werde, sagte der
Sprecher: "Ich denke, wir sollten jetzt erst einmal die diplomatischen
Kanäle arbeiten lassen."
Der Präsident des Europaparlaments, Jerzy Buzek, sprach von einem "klaren
und inakzeptablen Bruch des internationalen Rechts" durch Israel. Bei der
israelischen Militäraktion habe es sich um "einen grundlosen Angriff"
gehandelt. Das Parlament fordere Ashton auf, innerhalb des
Nahost-"Quartetts" (EU, Russland, UNO, USA) alles zu tun, um die
Abschottung des Gazastreifens zu beenden.
Unterschiedliche Darstellungen über den Angriff
Beim Sturm auf eine internationale Hilfs-Flottille für den Gazastreifen
durch das israelische Militär sind nach Informationen des israelischen
Fernsehens 19 Menschen getötet worden. Zudem seien 26 pro-palästinensische
Aktivisten verletzt worden, berichtete der private Fernsehsender Channel 10
am Montag.
Nach israelischen Angaben sind mindestens zehn pro-palästinensische
Aktivisten getötet worden. Mehrere Dutzend Menschen - sowohl Aktivsten als
auch Soldaten - wurden nach Angaben der Streitkräfte verletzt. Was sich
genau in der Nacht zum Montag auf dem Mittelmeer in internationalen
Gewässern ereignete, blieb zunächst unklar. Beide Seiten lieferten
verschiedene Darstellungen.
Ein Reporter berichtete von einem der Schiffe, die Israelis hätten schon
geschossen, bevor sie an Bord gekommen seien. Die israelischen Streitkräfte
wiederum erklärten, die Soldaten hätten erst geschossen, nachdem sie von
Aktivisten mit Messern, Eisenstangen und scharfer Munition angegriffen
worden seien. Vier Soldaten seien verwundet worden, davon habe einer eine
Schusswunde erlitten. Ein Aktivist habe einem Soldaten die Waffe entrissen.
"Die haben diesen Angriff geplant", sagte ein Militärsprecher.
Dagegen sprach die Organisation Free Gaza, die den Konvoi zusammengestellt
hatte, von einem empörenden Vorfall. "Es ist abscheulich, dass die
(Soldaten) an Bord kamen und Zivilisten angegriffen haben. Wir sind
Zivilisten", sagte Sprecherin Greta Berlin auf Zypern.
Die sechs Schiffe, auf denen sich 10.000 Tonnen Hilfsgüter und 700
Aktivisten befanden, wurden von der israelischen Marine ins Schlepptau
genommen. Hubschrauber brachten die Verwundeten in israelische
Krankenhäuser.
Viele Prominente an Bord des Konvois
Über die Identität der Opfer wurde zunächst nichts bekannt. An Bord der
Flottille waren Dutzende europäische Abgeordnete, darunter auch die zwei
linken Bundestagsabgeordneten Inge Höger und Annette Groth sowie der
ehemalige Abgeordnete Norman Paech, wie der Linke-Fraktionschef Gregor Gysi
mitteilte. Er erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich unverzüglich
für das Ende der Gewalt einsetze, sagte Gysi. Auch die frühere
Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corrigan Maguire aus Nordirland, die 85
Jahre alte Holocaust-Überlebende Hedy Epstein sowie eine ehemalige
Abgeordnete und ein Ex-Oberst aus den USA hatten sich der Aktion
angeschlossen.
Auch der Bestsellerautor Henning Mankell hat sich an Bord eines der von
israelischen Streitkräften gestürmten Schiffe mit Hilfsgütern für den
abgeriegelten Gazastreifen befunden. Wie der Hanser Verlag in München
mitteilte, musste der Schriftsteller deshalb zwei Stationen seiner
Lesereise absagen, die am Montag starten sollte. "Derzeit gibt es keine
aktuellen Nachrichten von unserem Autor", erklärte der Verlag.
Der Ausgang der Militäraktion in internationalen Gewässern ist ein
Alptraum-Szenario für Israel, dessen internationales Ansehen weiter
beschädigt wird. Zudem wird der blutige Zwischenfall die ohnehin schon
angespannten Beziehungen zur Türkei belasten und das für Israel unangenehme
Thema Gaza noch stärker in den internationalen Blickpunkt rücken.
Großdemonstration in Istanbul
Türkische Aktivisten hatten an der Solidaritätsflotte großen Anteil. In der
Türkei war die Empörung über das israelische Vorgehen denn auch besonders
groß. Die türkische Regierung verurteilte die Militäraktion und forderte
eine "dringende Erklärung" Israels. Die israelischen Regierung habe
internationales Recht verletzt und müsse mit Konsequenzen rechnen. In
Istanbul zogen rund zehntausend Türken vom israelischen Konsulat zum
Stadtzentrum. Die Polizei verhinderte die Erstürmung des Konsulats. Die
Demonstranten verbrannten israelische Fahnen.
Der Konvoi hatte am Sonntag vor Zypern die 400 Kilometer lange Reise zum
Gazastreifen begonnen. In dem von der militanten Hamas beherrschten Gebiet
leben 1,5 Millionen Palästinenser. Die Schiffe sollte ihnen Güter bringen,
die wegen der israelischen Blockade dort nicht mehr hingelangen. Israel
hatte die Blockade nach der Machtübernahme der
islamisch-fundamentalistischen Hamas im Jahr 2007 verhängt.
Israel hatte damit gedroht, die Schiffe aufzuhalten. Israelische
Kriegsschiffe verließen am Sonntagabend ihre Stützpunkte, um die
Hilfsflotte zu stoppen. Es war bereits der neunte Konvoi, den die
Aktivisten in Richtung Gaza auf den Weg schickten, um international auf die
Lage der Palästinenser in dem Gebiet aufmerksam zu machen. Die jetzt
attackierte Flotte war die bislang größte ihrer Art.
Bundesregierung äußert sich "bestürzt"
Auch die Bundesregierung hat die israelische Aktion gegen die
internationale Gaza-"Solidaritätsflotte" kritisiert. Außenminister Guido
Westerwelle (FDP) verlangte am Montag in einem Telefonat mit seinem
israelischen Kollegen Avigdor Lieberman eine "umfassende Untersuchung" des
Vorfalls, wie Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin mitteilte. Das
Schicksal von fünf Bundesbürgern, die mit der "Solidaritätsflotte"
unterwegs waren, müsse schnellstmöglich geklärt werden.
Wilhelm sagte: "Die Bundesregierung bedauert zutiefst den Verlust von
Menschenleben." Über das Schicksal der Bundesbürger hatte das Auswärtige
Amt keine genaueren Angaben. Darunter sind auch zwei Bundestagsabgeordnete
der Linkspartei.
Zugleich forderte der Regierungssprecher Israel auf, die Blockade des
Gazastreifens zu beenden. Im Gegenzug müsse die radikal- islamische
Palästinenser-Organisation Hamas das Existenzrecht Israels anerkennen und
dem "Terror abschwören". An beide Seiten appellierte der
Regierungssprecher, alles zu vermeiden, was die Lage verschärfen könne.
Reaktionen aus den arabischen Staaten
In der arabischen Welt ist der Militäreinsatz gegen die "Solidaritätsflotte
für Gaza" als Beweis für den mangelnden Friedenswillen Israels gewertet
worden. "Wir sehen, dass es keinen Zweck hat, mit Israel über Frieden zu
verhandeln", sagte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, am
Montag während einer Konferenz in dem Golfemirat Katar. Der jüdische Staat
ignoriere das internationale Recht, "er denkt, dass er über dem Gesetz
steht". Mussa berief für Dienstag eine Dringlichkeitssitzung der Liga in
Kairo ein. Bei dem Treffen wollen die arabischen Staaten besprechen, wie
sie auf die israelische Militäroperation reagieren sollen.
Um die Einberufung des Treffens hatten Palästinenserpräsident Mahmud Abbas
und das syrische Außenministerium gebeten. Die syrische Regierung
verurteilte die Militäraktion gegen die Schiffe der "Solidaritätsflotte",
die Hilfsgüter für die Palästinenser im Gazastreifen geladen hatte. Der
Emir von Katar, Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani, sprach von einer
israelischen "Piratenaktion". Der libanesische Ministerpräsident Saad
Hariri sagte: "Dieser Schritt war gefährlich und verrückt."
In der libanesischen Hauptstadt Beirut und in der jordanischen Hauptstadt
Amman gingen derweil Hunderte von Demonstranten auf die Straße. In Amman
forderten sie unter anderem den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu
Israel. Der Flotte hatten sich auch 24 Jordanier und mehrere Libanesen
angeschlossen. Unter den Aktivisten war auch ein Libanese, der während des
Krieges zwischen Israel und der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah 2006
seine Familie verloren hatte.
Die ägyptische Muslimbruderschaft erklärte: "Wir fordern die arabischen und
islamischen Regierungen auf - und ganz besonders Ägypten - jetzt schnell zu
handeln." Der Grenzübergang Rafah, der die ägyptische Sinai-Halbinsel mit
dem palästinensischen Gazastreifen verbindet, müsse sofort wieder geöffnet
werden, "denn seine Schließung war einer der Hauptgründe für das, was jetzt
passiert ist". Sowohl Israel als auch Ägypten hatten nach der
Machtübernahme durch die radikale Hamas-Bewegung im Gazastreifen im Sommer
2007 ihre Grenzübergänge zu dem Gebiet abgeriegelt. Israel lässt seither
nur noch die Lieferung bestimmter Waren in den Gazastreifen zu. Die Ägypter
lassen gelegentlich, Kranke und Palästinenser passieren, die ihren Wohnsitz
im Ausland haben.
31 May 2010
## ARTIKEL ZUM THEMA
UN-Bericht zur Gaza-Flotille: Äußerst brutaler Angriff
Eine Untersuchung der UN wirft Israel beim Angriff auf die Gaza-Flotille
Ende Mai einen unglaublichen Grad an Gewalt vor. Israel selbst lehnt den
Bericht als "parteiisch" ab.
Nach Angriff auf Gaza-Flotille: Barak übernimmt die Verantwortung
Israels Verteidigungsminister Barak nimmt alle Schuld auf sich und
verteidigt die Stürmung der Solidaritätsflotte als "angemessen". Neun
Menschen mussten dabei sterben.
Knesset-Abgeordneter über Konvoi-Angriff: "Es musste jemand sterben"
Die Soldaten sollten töten, um abzuschrecken. Das glaubt Jamal Zahalka, der
Vorsitzende der palästinensischen Knesset-Fraktion Balad. Israel bleibe
jetzt nur noch die Aufhebung der Blockade.
Israel weist Vorwürfe zurück: Blutbad auf hoher See
Israels Armee weist Vorwürfe zurück und spricht von Provokation durch die
Aktivisten. Premier Netanjahu brach seine US-Reise vorzeitig ab. Die Türkei
will den UN-Sicherheitsrat anrufen.
Kampf um den Gaza-Streifen: Eine symbolische, tödliche Aktion
Die israelischen Streitkräfte haben mit ihrem Angriff auf hoher See nun
erreicht, dass die Blockade des Gaza-Streifens jetzt wieder oben auf der
internationalen Tagesordnung steht.
Israels Attacke auf Hilfskonvoi: Angriff völkerrechtlich umstritten
Im Krieg ist die Blockade gegnerischer Häfen ein zulässiges Mittel. Unklar
ist aber, ob es einen klassischer Krieg zwischen Gaza und Israel gibt und
ob die Abriegelung völkerrechtswidrig ist.
Israelische Militäraktion gegen Soliflotte: Rückkehrer erheben schwere Vorwü…
Fünf von elf deutschen Teilnehmern der Solidaritätsflotte sind wieder
Zuhause. Darunter auch die beiden Abgeordneten der Linkspartei. Sie hätten
sich gefühlt "wie im Krieg".
Linkspartei-Mitglieder im Hilfskonvoi: Kein Kontakt
Gregor Gysi fordert die Bundesregierung zum Handeln auf. Drei Mitglieder
der Linkspartei waren mit an Bord des angegriffenen Hilfskonvois. Es soll
noch keine Verbindung zu ihnen geben.
Protest gegen Israels Blockade: 800 Helfer nach Gaza aufgebrochen
Die bislang größte Hilfsaktion für den Gaza-Streifen hat begonnen: Von
Schweden aus sind 800 Menschen auf Schiffen aufgebrochen, darunter Autor
Henning Mankell.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.