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# taz.de -- Hamburgs Bürgermeister Beust tritt zurück: Der Mann, den sie Ole …
> Er war amtsmüde obwohl er das "schönste Amt der Welt" innehatte.
> Tatsächlich aber fand der Hamburger Bürgermeister und CDU-Politiker Ole
> von Beust den Druck oft unerträglich.
Bild: Chamäleon mit Machtinstinkt: Ole von Beust.
HAMBURG taz | Hamburger Bürgermeister, das sei für ihn das "schönste Amt
der Welt". Ole von Beust (CDU), der nie bundespolitische Ambitionen hegte,
hat das mehr als einmal betont. Und damit nur die halbe Wahrheit
ausgesprochen. Die andere Hälfte war, dass der Mann, der fast neun Jahre
den Hamburger Senat führte, die Zwänge des Amtes oft als unerträglich
belastend empfand. Vollgepackter Terminkalender, ständig unter Beobachtung,
immer funktionieren müssen.
Zuletzt hatte der 55-Jährige, der in den vergangenen Wochen oft erschöpft
und ausgebrannt wirkte, davon mehr als genug. Von Sonntag an gibt es den
Bürgermeister, den Politiker Ole von Beust nur noch ein paar Wochen. Ab dem
25. August, wenn die Hamburgische Bürgerschaft Innensenator Christoph
Ahlhaus (CDU) voraussichtlich zum neuen Bürgermeister wählt, ist für Ole
von Beust die Zeit der Zwänge vorbei.
Volksnah und trotzdem hanseatisch distanziert, so präsentierte sich von
Beust während seiner Amtszeit. Auf den Namen Carl-Friedrich Arp Freiherr
von Beust getauft, von seiner Großmutter auf Plattdeutsch "Ole Pupp"
gerufen, ließ er den so entstandenen Rufnamen Ole standesamtlich eintragen
und war seitdem im politischen Raum nur noch Ole, nicht mehr der Herr von
Beust. Gleichzeitig widerstrebten von Beust die Verpflichtungen seines
Amts. Auf Empfänge, auf denen seine Anwesenheit zum Pflichtprogramm
gehörte, kam er früh, zog eine kurze Smalltalk-Runde und war stets grußlos
entschwunden, bevor die Veranstaltung überhaupt Fahrt aufnahm. Auch
Weggefährten beschreiben diese Ambivalenz Ole von Beusts. Locker,
humorvoll, angenehm im Umgang, aber auch seltsam unnahbar, als würde er in
jedem Moment eine Rolle spielen.
Funktionen in der Politik zu haben, das war das Leben des Ole von Beust.
Der studierte Jurist und selbständige Rechtsanwalt ist ein Politiker mit
klassischer Parteikarriere. 1971 trat er mit 16 Jahren in die CDU ein, zwei
Jahre später war er bereits Assistent der CDU-Bürgerschaftsfraktion in
Hamburg. Die weiteren Stationen des Aufstiegs: Seit 1977 Landeschef der
Jungen Union, 1978 jüngster Abgeordneter in Hamburg, seit 1992 Mitglied des
CDU-Landesvorstandes, ein Jahr später Fraktionsvorsitzender im Hamburger
Rathaus und 1997 schließlich Spitzenkandidat seiner Partei bei der
Bürgerschaftswahl. 2001 dann Bürgermeister.
Eines war Ole von Beust nie: ein Politiker mit inhaltlich scharfem Profil,
mit unverrückbaren Prinzipien und Positionen. Er war ein politisches
Chamäleon, ein Mann mit einem ausgeprägten, eiskalten Machtinstinkt, der zu
fast jedem Zeitpunkt intuitiv das Richtige tut. 2001 setzte er im Wahlkampf
alles auf die Karte Ronald Schill, indem er dem Rechtspopulisten schon im
Bürgerschaftswahlkampf das Amt des Innensenators im Falle eines Wahlerfolgs
zusicherte. Derart aufgewertet, erreichte Schills "Partei Rechtsstaatliche
Offensive" aus dem Stand 19,1 Prozent. Dass dieses Kalkül der CDU viele
Stimmen kosten würde, nahm von Beust in Kauf. Denn mit Schills Hilfe
stellte die CDU nach 44 Jahren im traditionell SPD-dominierten Hamburg
wieder den Bürgermeister.
Zwei Jahre später entledigte sich von Beust seines Steigbügelhalters mit
einem Geniestreich, indem er ihm vorwarf, von ihm erpresst worden zu sein.
Schill habe ein von diesem erfundenes homosexuelles Verhältnis zwischen ihm
und Justizsenator Roger Kusch öffentlich machen wollen. Für von Beust ein
grandioser Befreiungsschlag: Den ungeliebten Schill war er los, wurde dafür
in Hamburg gefeiert und hatte das offenste Geheimnis der Stadt
thematisiert, ohne sich offiziell zu outen. Die Hamburger Wähler dankten es
ihm, indem sie seiner CDU 2004 die absolute Mehrheit bescherten. Seine
Berührungsängste zur schwulen Community wurde von Beust nie los. Acht Jahre
Amtszeit mussten vergehen, bevor er 2009 auf Drängen des grünen
Koalitionspartners erstmals die Lesben- und Schwulenparade am
Christopher-Street-Day anführte.
So selbstverständlich wie er 2001 mit der Schill-Partei angebandelt hatte,
führte von Beust seine Partei nach dem Verlust der absoluten Mehrheit 2008
in die erste landesweite schwarz-grüne Koalition. Es kam einer Metamorphose
gleich, wie viele grüne Themen Ole von Beust plötzlich für sich entdeckte.
Ohne zuvor jemals besonderes Interesse für schulpolitische Themen gezeigt
zu haben, machte er die Einführung einer sechsjährigen Primarschule zur
Chef- und seiner Herzenssache, weil er früh erkannte, dass von dieser
Reform Erfolg oder Scheitern des schwarz-grünen Modells abhängen werde.
Folgerichtig setzte er das Konzept des sechsjährigen, gemeinsamen Lernens
auch gegen innerparteiliche Widerstände durch. Der Mann, der einst
politische Hardliner wie Ronald Schill und Roger Kusch zu Senatoren gekürt
hatte, erfand sich nun neu als Prototyp des modernen Großstadtpolitikers:
entdeckte sein Herz für den Kampf gegen den Klimawandel und für soziale
Gerechtigkeit, stritt für längeres gemeinsames Lernen und eine
Reichensteuer.
Seine Macht in der CDU sicherte sich Ole von Beust auch durch geschicktes
innerparteiliches Taktieren, mehr aber noch durch seine hervorragenden
Umfrageergebnisse, die immer um einige Prozentpunkte besser waren als die
seiner Partei. Die CDU an der Hamburger Regierung - das schien für viele
Christdemokraten ohne ihren Ole lange nicht denkbar, und mancher von ihnen
kann sich das auch heute nicht vorstellen.
Doch in den vergangenen Monaten wurde das Klima rauer. Zerrüttete
Staatsfinanzen, eine Initiative gegen die Schulreform, die vor allem auch
von CDU-Anhängern getragen wurde, erste Risse im schwarz-grünen Bündnis und
sinkende Umfragewerte prägten die letzten Wochen der Amtszeit Ole von
Beusts. Immer mehr Christdemokraten waren nicht mehr bereit, dem
Modernisierungskurs ihres Bürgermeisterszu folgen. Dass er die nächste Wahl
gegen eine unter ihrem neuen Parteichef Olaf Scholz wiedererstarkte SPD
noch gewinnen werde, galt als fraglich.
Noch mal richtig anpacken, um den Karren rumzureißen oder Rückzug in die
Privatsphäre, raus aus den Mühlen des politischen Systems - das waren bis
zum Sonntag die Alternativen für den zunehmend amtsmüde wirkenden
Vollblutpolitiker. Er hat sich entschieden.
26 Jul 2010
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Hamburg
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