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# taz.de -- Kommentar Hamburger Gucci-Protest: Die Oberschicht macht dicht
> Der hässliche Gucci-Protest: Das Hamburger Establishment hat ganz
> selbst-bewusst entschieden, seine Kinder nur vier Jahre mit den
> Bildungsverlierern zu belästigen.
Bild: Chamäleon mit Machtinstinkt: Ole von Beust.
Ein Betriebsunfall in den Sommerferien - nein, das war das Desaster der
Hamburger Schulreform an den Urnen sicher nicht. Die statistischen Daten
sind eindeutig: Das Referendum wurde in den Stadtteilen der
Besserverdienenden entschieden. Die feinen Viertel an Elbe und Alster, die
gediegenen Walddörfer, auch die schicke Hafencity - sie alle weisen
Wahlbeteiligungen von über 50 Prozent auf, meist schon per Brief, vor der
Abreise in die Sommerfrische. Und in kaum einem Wahllokal dort kommt die
Primarschulreform des schwarz-grünen Senats auf eine Mehrheit. In armen
Vierteln wie Wilhelmsburg, Jenfeld oder Billstedt stimmte überhaupt nur
jeder Vierte ab.
Der Urnengang hat das hässliche Wort vom Gucci-Protest bestätigt. Das
Großbürgertum riegelt hinter sich ab, die Mittelschicht versucht, noch eben
durch den Türspalt zu huschen. Das Hamburger Establishment hat ganz
selbst-bewusst entschieden, seine Kinder nur vier Jahre mit den
Bildungsverlierern zu belästigen. Und es wurde darin bestärkt von seinen
Leitmedien Hamburger Abendblatt, Welt, Zeit und Spiegel.
Ole von Beust hat sich gewaltig verschätzt, als er der CDU-Klientel ein
gewisses Maß an Solidarität abverlangte oder wenigstens hanseatischen
Bürgersinn. Schon bei seiner Krönungsmesse vor der letzten Wahl hatte der
Bürgermeister eindringlich die Schulversager als das drängende
Zukunftsproblem ausgemacht. Nun musste er feststellen, dass seine Partei
dem bestenfalls indifferent gegenübersteht. Zuletzt mehrten sich die
Anzeichen einer offenen Meuterei. Ein guter Grund für einen Rücktritt.
Wo blieb die starke Bewegung für die Primarschule? Es gab kein politisches
Subjekt, das die Reform im eigenen Interesse getragen hätte. Viele, deren
Kinder von der Reform am meisten profitiert hätten, sind entweder als
Ausländer nicht wahlberechtigt oder leben in einer Armutskultur, in der das
Interesse an Politik schon lange verloren gegangen ist.
Und natürlich gibt es den afghanischstämmigen Taxifahrer, der sagt: "Ich
habe gegen die Reform gestimmt. Ich will doch auch nicht, dass mein Sohn
später am Lernen gehindert wird." Er lebt den Traum vom sozialen Aufstieg.
Bildungsverlierer - das sind immer die anderen. Ein psychologisches
Problem: Um aus innerem Antrieb gegen die frühe Selektion von Schülern zu
sein, müsste man die eigenen Kinder als zukünftige Bildungsverlierer sehen.
Wer hält das schon aus?
20 Jul 2010
## AUTOREN
Jan Kahlcke
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