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# taz.de -- Nur fünf Euro mehr Hartz IV: Mineralwasser statt Bier
> Arbeitsministerin von der Leyen erhöht die Hartz-IV-Regelsätze für
> Erwachsene um nur fünf Euro - und streicht die Ausgaben für Alkohol und
> Tabak.
Bild: "Genussmittel sind nicht existenzsichernd": Bundesarbeitsministerin Ursul…
BERLIN taz | Der Regelsatz für erwachsene Hartz-IV-Empfänger steigt ab dem
nächsten Jahr von derzeit 359 auf 364 Euro im Monat. Das erklärte
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Sonntag. Die Erhöhung
erfolge aufgrund von Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, sagte die
Ministerin. Die Ausgaben für Tabak und Alkohol seien nicht mehr im
Regelsatz enthalten, weil diese Genussmittel nicht "existenzsichernd"
seien, so von der Leyen nach Beratungen in der schwarz-gelben Koalition.
Basis für die neuen Regelsätze des Arbeitslosengeld II ist die neue
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die alle fünf Jahre erhoben
wird. 60.000 Haushalte haben dafür im Jahr 2008 drei Monate lang ihre
Einnahmen und Ausgaben festgehalten. Von dieser Stichprobe werden im
"Statistikmodell" dann die Ausgaben des ärmsten Fünftels der
Alleinstehenden errechnet und aus diesen dann der Regelsatz abgeleitet.
Die Ausgaben für Tabakwaren und alkoholische Getränke wurden dabei bislang
mit Abzügen auch den Empfängern von Hartz IV zugestanden. Bisher waren dies
19 Euro im Monat. Das fällt nun weg. Als Ersatz für den Wegfall dieser
Posten gibt es im Regelsatz künftig 2,99 Euro monatlich für Mineralwasser.
Auch höhere Aufwendungen für das Internet und die Praxisgebühr werden
berücksichtigt. Hätte man die Ausgaben für Alkohol und Tabak im Regelsatz
belassen, hätte dieser erheblich höher steigen müssen.
DGB-Bundesvorstand Annelie Buntenbach sprach von "politischer Mauschelei
nach Kassenlage". SPD-Fraktionsvizechefin Elke Ferner erklärte, die neue
Lösung scheine "nicht verfassungskonform" zu sein. Deshalb werde die SPD
dem im Bundesrat nicht zustimmen.
Das willkürliche Streichen der Ausgaben für Alkohol und Tabak ist auch
deswegen problematisch, weil dieser Eingriff das Statistikmodell verzerrt.
Die Referenzgruppe des ärmsten Fünftels der Alleinstehenden in der
Bevölkerung gibt im Vergleich zu ihrem Einkommen einen relativ hohen
Prozentsatz für Alkohol und Tabak aus, wie Konsumstudien zeigen.
Besonders alleinstehende Männer etwa wenden vergleichsweise große Summen
für Alkohol und Tabak auf, Frauen, darunter viele alleinerziehende, aber
sehr viel weniger. Dennoch wird auch deren Regelsatz nach den Ausgaben der
ärmsten 20 Prozent aller Alleinstehenden berechnet, nun gekürzt um deren
Ausgaben für Bier und Alkohol.
"Dieser willkürliche Abzug verzerrt das Statistikmodell und ist deswegen
nicht verfassungskonform", sagte der sozialpolitische Sprecher der Grünen,
Markus Kurth.
Die Höhe der Regelsätze für Kinder soll gleich bleiben. Diese hätten nach
der neuen Erhebung des Statistischen Bundesamtes sogar sinken müssen,
erklärte von der Leyen. Aufgrund des "Vertrauensschutzes" blieben sie
jedoch stabil, künftige Erhöhungen würden jedoch mit dieser Überzahlung
verrechnet. Statistiker hatten die Kinderregelsätze nicht wie bisher von
denen der Erwachsenen prozentual abgeleitet, sondern erstmals die Ausgaben
für Kinder bei den Familien konkret abgefragt.
Kinder zwischen 14 und 18 Jahren erhalten etwa 287 Euro an
Hartz-IV-Leistung im Monat. Die Kinder sollen künftig zusätzlich als
"Sachleistung" ein sogenanntes Bildungspaket bekommen. Darin enthalten sind
unter anderem Zuschüsse zu Mittagessen in Schulen und Kitas, wenn diese
kostenpflichtig sind.
26 Sep 2010
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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