# taz.de -- Neuregelung von Hartz IV: Sanktionen drohen schneller | |
> Jobcenter-Mitarbeiter können Arbeitslose laut dem neuen Gesetzentwurf | |
> einfacher und schneller sanktionieren. Auch sonst ändert sich einiges für | |
> die Hartz-IV-Bezieher. | |
Bild: Nicht nur Gummistiefel, auch orthopädische Schuhe dürfen Hartz-IV-Empf�… | |
BERLIN taz | Der Gesetzentwurf enthält eine Reihe von Bestimmungen, mit | |
denen Jobcentermitarbeiter Arbeitslose in Zukunft einfacher und schneller | |
sanktionieren können. So ist das Vorliegen einer zwischen dem Arbeitslosen | |
und dem Jobcenter abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung nicht mehr | |
Voraussetzung, um Arbeitslosen das Geld zu streichen, wenn diese sich | |
weigern, eine Arbeits- oder Ausbildungsmaßnahme anzutreten. | |
Neu ist auch die schwammige Formulierung, Sanktionen seien möglich, wenn | |
Arbeitslose die "Anbahnung" einer zumutbaren Arbeit, Ausbildung oder | |
Arbeitsgelegenheit "durch ihr Verhalten behindern". Als "eines | |
Rechtsstaates unwürdig" bezeichnet Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher | |
der Grünen-Bundestagsfraktion, zudem die Vorgabe, dass Arbeitslose künftig | |
nicht mehr schriftlich über mögliche Sanktionen informiert werden müssen. | |
Es soll schlichtweg ausreichen, dass der Betroffene "Kenntnis" davon hat. | |
Wie er diese "Kenntnis" erwirbt - ob durch eigenständige Recherche oder | |
weil der Jobcentermitarbeiter es in einem Halbsatz erwähnt -, bleibt der | |
individuellen Interpretation überlassen. | |
Arbeitslose haben auch weiterhin keinen Anspruch auf einmalige zusätzliche | |
Leistungen wie beispielsweise eine neue Waschmaschine oder einen neuen | |
Kühlschrank. Sollten die alten Geräte zu Hause kaputtgehen, müssen neue aus | |
dem Regelsatz bezahlt oder es muss ein Darlehen beim Jobcenter aufgenommen | |
werden. Nach Aussage von Christian Westhoff, Sprecher des | |
Bundesarbeitsministeriums, bleibt jedoch die neu definierte | |
Härtefallregelung "unverändert bestehen". Sie war erlassen worden, nachdem | |
das Verfassungsgericht im Februar angemahnt hatte, dass Hartz-IV-Empfänger | |
für regelmäßig wiederkehrende, besondere, sogenannte atypische Bedarfe mehr | |
Geld bekommen müssen. | |
Mehr Geld kann nach eingehender Prüfung bewilligt werden für Pflege- und | |
Hygieneartikel, die aus gesundheitlichen Gründen laufend benötigt werden, | |
für Putz- und Haushaltshilfen, die körperlich stark beeinträchtigte | |
Personen benötigen, oder für angemessene Reise- oder Unterkunftskosten, | |
wenn ein Elternteil, sofern die Eltern getrennt leben, sein Kind besuchen | |
will. | |
Die Liste wird als nicht abgeschlossen definiert. Daneben werden im | |
Zwölften Sozialgesetzbuch, das die Sozialhilfe regelt, nun auch Anschaffung | |
und Reparatur von orthopädischen Schuhen als "zusätzlicher Bedarf" | |
anerkannt. | |
Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden zwar weiterhin "in Höhe der | |
tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind". Doch | |
künftig ist es möglich, dass Hartz-IV-Empfänger nur noch einheitliche | |
Pauschalen erhalten, aus denen sie Miete und die Ausgaben für die Heizung | |
bestreiten müssen. Liegen ihre Kosten darüber, müssten sie diese aus dem | |
Regelsatz bestreiten. Voraussetzung für eine Pauschalierung ist, dass die | |
Länder die Kommunen zu solch einem Schritt ermächtigen. | |
Die Kommunen wiederum müssen eine Pauschalierung nach bestimmten | |
methodischen Kriterien in einer Satzung begründen. Bedingung für eine | |
Pauschalierung ist, dass auf dem örtlichen Wohnungsmarkt "ausreichend | |
freier Wohnraum verfügbar" ist und die Pauschalierung "im Einzelfall nicht | |
zu unzumutbaren Ergebnissen" führt. Die Länder können die Kommunen darüber | |
hinaus auch dazu ermächtigen, in einer Satzung zu bestimmen, "welche | |
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind". | |
Dabei müssen sich die Kommunen an den Verhältnissen des einfachen | |
Wohnstandards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt orientieren. Vor dem | |
Hintergrund der angespannten Haushaltslage der Kommunen könnten diese | |
versuchen, über Satzungen und Pauschalierungen an den Unterkunftskosten zu | |
Lasten der Arbeitslosen zu sparen. | |
27 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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