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# taz.de -- Heiner Geißler über Hartz-IV-Neuregelung: "Davon lässt sich nich…
> CDU-Politiker und Attac-Mitglied Geißler fordert höhere Steuern, um eine
> Anhebung des Arbeitslosengelds II finanzieren zu können. Er erinnert die
> CDU an ihr christliches Menschenbild.
Bild: "Ach, wer sollen diese Rechtskonservativen in der CDU denn sein?" Heiner …
taz: Herr Geißler, die Verfassungsrichter verlangten eine nachvollziehbare
Berechnung der Hartz-IV-Sätze. Halten die neuen Berechnungen der
Bundesregierung diesen Anforderungen stand?
Heiner Geißler: In den jetzigen Berechnungen stecken schwere Fehler. Es war
falsch von den Ministerialbürokraten, den sogenannten Warenkorb gegen ein
Statistikmodell zu ersetzen, das heute den Kalkulationen zugrunde liegt.
Denn es ist Unsinn, den Bedarf von Hartz-IV-Empfängern danach zu berechnen,
wofür die ärmsten 15 Prozent der Bevölkerung ihr Geld ausgeben. Sie kaufen
ja nur Dinge, für die ihr Geld ausreicht. Da beißt sich die Katze in den
Schwanz. Der Mensch wird zum Kostenfaktor degradiert. Hingegen ging der
alte Warenkorb davon aus, ob das Geld wirklich reichte für ein
menschenwürdiges Leben.
Und, reichen die neuen Hartz-IV-Sätze aus?
Nein, nach meiner Auffassung lässt sich davon nicht menschenwürdig leben.
Deswegen sind die 5 Euro extra viel zu niedrig. Dafür, dass der Zuschlag so
gering ausfällt, ist aber nicht Familienministerin Ursula von der Leyen
verantwortlich, sondern die Vorgabe des Finanzministers, nicht über die im
Haushalt eingeplanten 480 Millionen Euro hinauszugehen.
Wie passt diese Politik zur sozialen Volkspartei CDU?
Die CDU diskutiert derzeit über das christliche Menschenbild. Dieses
enthält die ganz klare Verpflichtung, jenen zu helfen, die in Not sind. Und
das bedeutet: Wenn dafür Geld fehlt, muss man es bei jenen holen, die Geld
im Überfluss haben. Man darf es nicht jenen nehmen oder vorenthalten, die
ohnehin zu wenig haben. Deshalb brauchen wir Steuererhöhungen für die
höheren Einkommen. Dass die Bezieher hoher Einkommen mit keinem einzigen
Cent zur Sanierung des Bundeshaushaltes beitragen, widerspricht allen
ethischen Grundsätzen. Auch der evangelischen Ethik, der Wolfgang Schäuble
sich besonders verpflichtet weiß.
Welche Steuern sollten erhöht werden?
Das Beste wäre die Einführung einer internationalen
Finanztransaktionssteuer, was der Finanzminister ja will. Wenn es sich
nicht anders durchsetzen lässt, müssen die Europäer dabei vorangehen.
Zweitens muss die Einkommensteuer ab einem gewissen Einkommen angehoben
werden. Auch ließe sich ein höherer Spitzensteuersatz einführen. Aber die
FDP hintertreibt solche Erwägungen.
Lässt sich noch etwas Entscheidendes ändern am Bundeshaushalt?
Ich gehe davon aus, dass der Bundestag die ganze Finanzkonzeption noch
verändern wird.
Setzen Sie auch auf den Einfluss von SPD und Grünen im Bundesrat?
Auf die setze ich gar nichts. SPD und Grüne haben ja das Fundament gelegt
für dieses Prekariat, das sich durch die Agenda 2010 gebildet hat:
400-Euro-Jobs, 1-Euro-Jobs, Leiharbeitsverträge. Das alles hat die
Einkommenssituation in Deutschland grundsätzlich verändert, und zwar zu
Lasten gerade der kleinen Leute. Ich vertraue darauf, dass die
Unions-Abgeordneten im Bundestag etwas an den Plänen ändern. Sie hören vor
Ort, was die Leute für richtig halten. Ministerialbürokraten sind vom Volk
weit entfernt.
Erst grollen Unions-Rechte, Angela Merkel vernachlässige die Konservativen
- und jetzt grollen womöglich die Sozialpolitiker. Wächst der Unmut über
die Kanzlerin?
Ach, wer sollen diese Rechtskonservativen in der CDU denn sein?
Wie wäre es zum Beispiel mit Friedrich Merz?
Er ist doch kein Rechtskonservativer. Der verließ die Politik nicht aus
Groll. Er wollte mehr Geld verdienen, was sein gutes Recht ist.
27 Sep 2010
## AUTOREN
Matthias Lohre
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