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# taz.de -- Kommentar Hartz IV-Neuberechnung: Politisches Delirium
> Das für Hartz IV festgelegte "Existenzminimum" ist niemals eine
> "objektiv" ermittelte, sondern immer eine politische Zahl gewesen.
Mit der Spekulation über die neuen Hartz-IV-Regelsätze lässt sich an
Biertischen gut Stimmung machen – es sei denn, unter den Gästen sind
Langzeitarbeitslose, die dadurch wohl schlagartig ernüchtert werden. Hat
ein Hartz-IV-Empfänger einen Anspruch darauf, dass ihm die Allgemeinheit
alkoholische Getränke und Tabak bezahlt?
Bisher sind rechnerisch 19 Euro im Monat für diese Posten im sogenannten
Existenzminimum enthalten. Im politischen Streit über die Regelsätze
spekulieren nun Haushaltspolitiker darüber, diese Ausgaben zu streichen.
Das ist ein allzu durchsichtiger Versuch, Sparpolitik mit angeblicher
Disziplinierung zu verbrämen.
Der Hintergrund ist klar: Womöglich kommen die Statistiker in ihren noch
geheim gehaltenen Berechnungen zu dem Schluss, dass der Regelsatz von
monatlich 359 Euro pro Erwachsenen deutlich steigen müsste, weil auch die
Ausgaben der Referenzgruppe der Geringverdiener erheblich gewachsen sind.
Doch damit ergibt sich für die Sparpolitiker in der Regierung ein Problem.
Eine Erhöhung der Hartz-IV-Beträge schlägt nämlich mit Milliarden an
Mehrkosten zu Buche.
Da könnte man doch den neuen Regelsatz wieder künstlich klein rechnen,
indem man etwas von "Genussmitteln" erzählt, die nicht zum "unantastbaren"
Bedarf gehören, denkt mancher Haushaltspolitiker laut vor sich hin. Zumal
doch Hartz-IV-Empfänger angeblich ohnehin zu viel saufen, das falsche
Fernsehprogramm gucken und ihre Kinder von jeder Bildung fernhalten.
Die Idee entspringt einem politischen Delirium und ist aus der Not einer
Sozialstaatslüge geboren: Genau wie die früheren Sozialhilfesätze ist auch
das für Hartz IV festgelegte "Existenzminimum" niemals eine "objektiv"
ermittelte, sondern immer eine politische Zahl gewesen, festgesetzt mit
Rücksicht auf die Haushaltslage und auf den sogenannten Lohnabstand zu
Geringverdienern, der schon aus disziplinarischen Gründen nicht aufgegeben
werden soll. Eine würdige Existenz hat aber mit Disziplinierung erst mal
nichts zu tun. Das wissen nicht nur Besucher des Oktoberfests.
26 Sep 2010
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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