# taz.de -- Die Klima-Beschlüsse im Detail: Zwei Grad und mehr | |
> Zwei-Grad-Ziel, Waldschutz, Green Fonds – und CCS. Was in Cancún | |
> beschlossen wurde. Und was die Delegierten auf die Konferenz in Durban | |
> vertagten. Eine Übersicht. | |
Bild: Nach dem Sturm - fotografiert mit HDR-Technik in Bangladesh. | |
## Was in Cancún beschlossen wurde | |
Erstens: Erstmals in der Geschichte bekennt sich die | |
Weltstaaten-Gemeinschaft dazu, den Klimawandel auf zwei Grad begrenzen zu | |
wollen. Zwar ist klar, dass mit den derzeit angemeldeten | |
Reduktionsverpflichtungen dieses Ziel nicht annähernd erreicht wird – die | |
jetzt beschlossenen Reduktionsziele lassen die Globaltemperatur um | |
mindestens 3,5 Grad steigen. | |
Es wurde aber neben dem Zwei-Grad-Ziel ein Monitoring beschlossen: Zwischen | |
2013 und 2015 soll überprüft werden, ob weitere Reduktionsanstrengungen | |
unternommen werden müssen, um das Zwei-Grad-Ziel doch noch zu erreichen. | |
Das ist günstig, denn im Jahr 2014 kommt der nächste Sachstandsbericht des | |
Weltklimarates IPCC. Zudem soll das Monitoring klären, ob vielleicht nicht | |
doch der globale Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzt werden kann. Das | |
war den kleinen Inselstaaten aber auch den Andenländern wichtig. | |
Zweitens wurde beschlossen, dass die Reduktionsanstrengungen der Länder | |
international überprüft werden. China hatte sich lange dagegen gesträubt, | |
weil es dies als Einmischung in seine innere Angelegenheiten angesehen | |
hatte. Der so genannte MRV-Mechanismus soll für Gerechtigkeit und für | |
Vergleichbarkeit im internationalen Klimaschutz sorgen. | |
Drittens: Nach wie vor ist die weltweite Rodung von Wäldern hinter der | |
Energiewirtschaft die zweitgrößte Kohlendioxid-Quelle. Der Cancún-Beschluss | |
sieht nun dagegen den Mechanismus REDD vor: "Reducing Emissions from | |
Deforestation and Degradation". Wer Wälder schützt, soll dafür Geld | |
bekommen. Zwar sind die Details, woher dieses Geld kommen soll, noch offen. | |
Es gibt aber bereits erfolgreiche Modellprojekte. So kann entweder über | |
einen Fonds, in den die reichen Länder einzahlen, der Waldschutz finanziert | |
werden. Oder aber über den Zertifikatehandel. | |
Wichtig im Kapitel um den Waldschutz ist eine Regelung zum „subnational | |
monitoring“: Damit wird verhindert, dass Brasilien etwa Geld dafür bekommt, | |
im Norden des Landes Wald unter Schutz zu stellen, im Süden dafür aber umso | |
mehr abholzt. Das wird durch dieses Monitoring ausgeschlossen. | |
Viertens: Finanzfragen waren enorm wichtig auf der Klimakonferenz in | |
Cancún. Tatsächlich hatte die Weltbank den Finanzbedarf der Länder des | |
Südens auf 100 Milliarden Dollar jährlich angesetzt, um sich an die Folgen | |
der Erderwärmung anzupassen. Der Text ist im Bereich der sogenannten | |
„Lang-Zeit-Finanzierung“ eher schwach: Finanzquellen wie eine Steuer auf | |
Flug- oder Schiffsbenzin – wie sie auf dem Konferenzparkett diskutiert | |
wurden – sind nicht aufgeführt. | |
Positiv hingegen ist die Errichtung eines so genannten „Green Fonds“ mit | |
dem die Entwicklungsländer in die Lage versetzt werden sollen, sich an den | |
Klimawandel anzupassen. Anders als von den USA gewünscht, wird dieser Fonds | |
unter dem Dach der UN angesiedelt. Die USA konnten durchsetzen, dass die | |
Weltbank mit dabei ist. Zudem gibt es in Anhang 4 einen klaren Zeitplan, | |
wie der Fonds aufgebaut werden soll. | |
Fünftens: CCS ist in den Clean-Development-Mechanismus aufgenommen worden. | |
Das dürfte etwa für Vattenfall die Technologie noch interessanter machen: | |
Investiert der Konzern etwa in Indien, erhält er dafür | |
Verschmutzungsrechte, mit denen er in Deutschland weiterhin Braunkohle | |
verstromen kann. | |
Zudem gibt es neue, schärfere Regelungen für diesen | |
Clean-Development-Mechanismus: Zuletzt war er in Mißkredit geraten, weil | |
auch unsinnige, dem Klima nichts nützende Projekte finanzierte. | |
Sechstens: der Sitz des Anpassungsfonds. Seit 2001 wird um diesen Fonds | |
gerungen, zuletzt fehlte noch ein Postfach, wo Länder ihre Anträge | |
einreichen können, um Geld aus diesem Fonds für Anpassungsmaßnahmen wie | |
Küstenschutz oder Wiederaufforstungsprogamme zu erhalten. Nun ist dieser | |
Fonds beim Klimasekretariat in Bonn angesiedelt. | |
## Was nicht beschlossen wurde | |
Erstens: LULUCF – unter diesem Kürzel werden Klimaschäden aus der | |
Landnutzung und Forstwirtschaft zusammengefasst. Zwei Drittel des | |
Kohlenstoffs weltweit sind im Humus gespeichert. Das bedeutet, dass durch | |
Flächenversiegelung, intensive Landwirtschaft, Trockenlegung der Moore oder | |
Forstbewirtschaftung enorm viel Kohlendioxid frei wird. Wie die daraus | |
resultierenden Emissionen in die Klimabilanz künftig eingehen sollen, haben | |
die Delegierten vertagt. | |
Zweitens: Regelungen zur so genannten heißen Luft: Die Staaten des | |
ehemaligen Ostblocks haben mit dem Zusammenbruch ihrer Wirtschaften auch | |
einen rasanten Einbruch der Emissionen erlebt. Russland liegt heute 35 | |
Prozent unter dem Niveau von 1990, Polen lag 2007 erstaunliche 24 Prozent | |
unter dem Niveau von 1990, die Ukraine sogar um 53 Prozent. Diese Länder | |
möchten von diesem Minus nun einiges in die zweite | |
Kyoto-Verpflichtungsperiode hinüber retten. Würde sich die Ukraine zu einer | |
Reduktion von 40 Prozent in der zweiten Verpflichtungsperiode verpflichten, | |
bedeutet dies, dass dass Land praktisch 13 Prozent mehr Kohlendioxid | |
ausstoßen kann als derzeit. Die Klimakonferenz von Cancún wollte dies | |
begrenzen – fand dazu aber keine Lösung. | |
Drittens: eine völkerrechtliche Verbindlichkeit. Alles was in Cancún | |
beschlossen wurde, ist nicht „legaly binding“, wie es im UN-Sprech heißt: | |
Dazu bedarf es eines entsprechenden Beschlusses auf der nächsten | |
Weltklimakonferenz im südafrikanischen Durban. | |
11 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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