Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nach dem UN-Gipfel: Der Wert des Klimas
> Die Staaten schicken kaum noch Umweltminister zu den Verhandlungen, eher
> kommen Wirtschaftsvertreter. Gerettet wurde weniger das Klima als der
> UN-Prozess.
Bild: Greenpeace-Aktion in Cancún am 10.12.2010.
CANCÚN taz | Nachdem im mexikanischen Badeort Cancún bereits 2003 die
Welthandelsrunde gescheitert war, deutete auch bei der UN-Klimakonferenz
bis kurz vor Schluss vieles auf ein trauriges Ende hin. Es kam anders. Und
es gibt wieder Bewegung im Klimaschutz.
Doch der Eindruck, dass in Cancún die Wirtschaft gescheitert ist und die
Umwelt triumphiert hat, täuscht. In Wahrheit macht sich die ökonomische
Logik auch im ökologischen Ansatz der internationalen Klimaverhandlungen
breit. Europäische Länder leisten sich noch den Luxus, ihre Umweltminister
zu den Verhandlungen zu schicken, doch aus anderen Regionen kommen längst
Gesandte des Außenministeriums oder des Wirtschaftsministeriums oder gleich
das Ölministerium.
Trotz aller Erfolgsmeldungen hat Cancún bestätigt, dass sich die großen
Blöcke nur millimeterweise bewegen. Die großen Verschmutzer USA und China
haben sich beispielsweise nicht konkret verpflichtet, ihren
Treibhausgasausstoß zu reduzieren. Es hat sich bereits in Kopenhagen
gezeigt: Effizienter Klimaschutz ist mit den Mitteln der UN-Diplomatie
nicht zu machen.
Weder die USA noch die Schwellenländer können der europäischen Idee der
Selbstbeschränkung durch internationale Verträge etwas abgewinnen. Und bei
allen ist die Einsicht verbreitet, der ressourcenfressende American Way of
Life sei das Maß aller Dinge. Kopenhagen brachte die Einsicht, dass es mit
einem verbindlichen Vertrag nicht getan ist, an den sich alle halten und so
das Problem aus der Welt schaffen. Cancún bringt jetzt eine Ahnung, wo die
Musik beim Klimaschutz künftig spielen wird: weniger bei der Politik als
bei der Wirtschaft. Handel statt Verhandlung ist die Devise.
Ausgerechnet Bundesumweltminister Norbert Röttgen gab in Cancún diese
Melodie vor: "Wir sehen den Klimawandel nicht als Bedrohung, sondern als
Chance", erklärte der Minister. "Greentech" habe Deutschland aus der Krise
geholt, Hightech werde das grüne Wachstum weltweit und zu Hause ankurbeln.
Und wie die Bekämpfung des Klimawandels zum Businessplan gerät, ließ sich
an vielen Punkten sehen.
Vor der Konferenz drängten wieder hunderte von multinationalen Konzernen im
"Cancún Communiqué" auf effektiven Klimaschutz, weil sie andernfalls ihre
Märkte bedroht sehen. Die Weltbank warb in vielen Veranstaltungen für
grünes Investment und will auch die Wälder mit handelbaren
Emissionszertifikaten belegen. Die Internationale Energieagentur (IEA),
ursprünglich die Urlobby der fossilen Brennstoffe, warb eindringlich für
Klimaschutz mit einem Kostenargument: Allein die Verzögerung durch
Kopenhagen koste die Welt 1 Billion Dollar.
Am meisten beschäftigte die Experten aber die Frage, wie die großen
Wirtschaftsblöcke die Märkte der Zukunft aufteilen. "Ich befürchte, dass
die Europäer bei den Märkten für erneuerbare Energien und Effizienz hinter
die Chinesen zurückfallen, wenn sie ihre Klimaziele nicht erhöhen", sagt
ein Insider aus der UN-Klimabehörde. Bereits jetzt baut China jede zweite
Windkraftanlage weltweit.
Andere verbreiten das Gerücht, dass die Chinesen die Klimaverhandlungen so
lange verzögern, bis sie mit den neuen grünen Industrien international
konkurrieren können, um dann von strikten Regelungen zu profitieren. Und
auch Umweltschützer sind nicht böse, dass sich der Klimawandel aus der
Ökologie- in die Ökonomieecke bewegt: "Das zeigt, dass die
Energierevolution nicht mehr aufzuhalten ist", sagt ein Greenpeacer.
Wenn man für Klimaschutz nicht mehr zahlen muss, sondern damit Geld
verdient, ändern sich natürlich die Interessen. Andrew Light vom
US-Thinktank Center for American Progress versucht schon lange, die
US-Ökonomie zu dieser Sichtweise zu bringen. Die US-Wirtschaft ist in einer
prekären Lage: Durch die Konzentration auf fossile Brennstoffe hat
GreenTech dort nicht den Stellenwert wie in Europa oder China. Die USA
könnten zu den großen Verlierern einer solchen Umstellung gehören.
Wo allerdings die ökonomische Logik herrscht, fallen all jene hinten
herunter, die nicht mithalten können, warnen die Hilfswerke. Wenn der
Klimawandel "nicht mehr als Problem gesehen" wird, wie Norbert Röttgen
sagt, geraten schnell die aus dem Blick, die massive Probleme mit Unwettern
und Trockenheit haben. Denn der Klimawandel schlägt nicht zuerst in den
Konzernzentralen von Europa oder Amerika zu, sondern in den Armenvierteln
der Entwicklungsländer. Selbst vom Anstieg des Meeresspiegels sind zuerst
die Armen betroffen, wie neue Studien zeigen, denn auf der Südhalbkugel
steigt das Wasser deutlich höher als im Norden.
Die Klimakonferenzen werden weitergehen. Es müssen dicke Bretter gebohrt
werden. Eine Alternative dazu ist nicht in Sicht. Aber die rasend schnelle
Veränderung des Klimas jenseits der klimatisierten Luxushotels und der
Hunger der Ökonomie nach den Märkten von morgen werden diesem Prozess weit
vorauseilen. Für die UN bleibt noch eine Rolle wie bei anderen
internationalen Konflikten: für die Opfer zu sorgen, während die
Entscheidungen anderswo fallen. So könnte Business as usual im Klimawandel
aussehen.
12 Dec 2010
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klimaschutzregeln in den USA: Republikaner rebellieren
Ab Januar soll in den USA ein umfassenderes Klimaschutzgesetz gelten. Die
Republikaner wollen das nun verhindern, Fabriken und Kraftwerke sollen von
CO2-Auflagen verschont bleiben.
Klimakompromiss vor Gericht: Bolivien klagt gegen Cancun-Beschluss
Bolivien klagt wegen Verstoß gegen das Konsensprinzip vor dem
Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Bisher gab es noch keinen
vergleichbaren Fall.
Nach dem Klimagipfel in Mexiko: Cancun erhöht Druck auf die EU
Nach der Einigung bei der UN-Konferenz soll die EU ihren CO2-Ausstoß um 30
Prozent reduzieren, fordert Norbert Röttgen. Die Opposition nennt
Deutschland unglaubwürdig.
Kommentar Abschluss Klimagipfel: Es fehlen neue Denkansätze
Nur vordergründig ging es um den Kampf gegen Erderwärmung. Tatsächlich
kämpften die Staaten für ihr Wachstum. Ein Scheitern wurde verhindert, ein
Umdenken steht noch aus.
Porträt Patricia Espinosa: Die Heldin des Klimagipfels
Sie hat trickreich verhandelt, danach gab's Standing Ovations – und Indiens
Umweltminister Jairam Ramesh nannte sie gar eine Göttin. Patricia Espinosa
im Portrait.
Die Klima-Beschlüsse im Detail: Zwei Grad und mehr
Zwei-Grad-Ziel, Waldschutz, Green Fonds – und CCS. Was in Cancún
beschlossen wurde. Und was die Delegierten auf die Konferenz in Durban
vertagten. Eine Übersicht.
Der Teufel steckt im Detail: UN-Prozess gerettet, Klima nicht
Überraschung in Cancún: Mit einem deutlich besseren Ergebnis als gedacht
endet die UN-Klimakonferenz in Mexiko. Die Stimmung war gut, aber der
Teufel steckt im Detail.
UN-Klimagipfel in Cancún: Klimaschutz als Staatsfeind
Saudi-Arabien zählt in Cancún zu den größten Bremsern bei den
Klimaverhandlungen. Denn ohne die Ölmilliarden wäre das Land bald am Ende.
NGO-Mitarbeiterin über Geld und Klimaschutz: "Die Armen gehen aufeinander los"
Weniger Regenzeiten, weniger Ernten: In ärmeren Ländern schlägt der
Klimawandel durch. Um das zu stoppen, reicht das Geld nicht, kritisiert
Tonya Rawe von CARE.
Klimagipfel in Cancún: Heiße Luft wird zum Problem
In Cancún wird gestritten, ob eine neue Rahmenvereinbarung aufgelegt oder
das Kiotoprotokoll verlängert werden soll. Immerhin gibt es eine Menge
Altlasten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.