# taz.de -- Klimakompromiss vor Gericht: Bolivien klagt gegen Cancun-Beschluss | |
> Bolivien klagt wegen Verstoß gegen das Konsensprinzip vor dem | |
> Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Bisher gab es noch keinen | |
> vergleichbaren Fall. | |
Bild: Nur auf Sand gebaut? Bolivien will gegen den Beschluss der Klimakonferenz… | |
Bolivien will gegen den von der Regierung Morales als "völlig unzureichend" | |
empfundenen Kompromissbeschluss des Klimagipfels von Cancún gerichtlich | |
vorgehen. Nach seinem gescheiterten Versuch, den am Samstag von 193 der 194 | |
Teilnehmerstaaten gefassten Beschluss per Veto zu verhindern, kündigte | |
Boliviens UN-Botschafter Pablo Solón gestern eine Klage seines Landes beim | |
Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag an. | |
Die Regierung Morales begründet ihre Klage mit dem "Verstoß" der | |
Konferenzpräsidentin, Mexikos Außenministerin Patricia Espinosa, gegen das | |
in den UNO-Regularien vorgeschriebene Konsensprinzip. Espinosa hatte den | |
Gipfel-Kompromiss trotz Widerspruchs der bolivianischen Delegation per | |
Hammerschlag für beschlossen erklärt mit der ungewöhnlichen Begründung, das | |
Konsensprinzip verlange "keine Einstimmigkeit". Die Vorbehalte Boliviens | |
würden in den Konferenzdokumenten vermerkt werden. | |
Botschafter Solón kritisierte die Missachtung der bolivianischen Haltung | |
als "Anschlag auf die Regeln des Rahmenabkommens über den Klimaschutz". | |
Heute sei Bolivien betroffen, morgen könne es jedes andere Land treffen. | |
Das Konsensprinzip dürfe nicht aufgegeben werden. Für dessen Beibehaltung | |
und gegen Mehrheitsentscheidungen hatte sich nach dem gescheiterten | |
Klimagipfel von Kopenhagen im Januar auch der damalige Klimachef der UNO, | |
Ivo de Boer, ausgesprochen. | |
Für die Klage Boliviens gibt es in der Völkerrechtsgeschichte seit Gründung | |
der UNO im Jahre 1945 keinen Präzedenzfall. Offen ist zudem, ob der für | |
zwischenstaatliche Streitfälle zuständige IGH die Klage überhaupt annimmt. | |
Doch selbst wenn es zu einem Verfahren kommt und der IGH der bolivianischen | |
Klage stattgibt und einen Verstoß gegen das Konsensprinzip feststellt, | |
hätte dies kaum praktische Auswirkungen. Denn auch die Gründe für das Veto | |
Boliviens gegen die Beschlussvorlage von Cancún sind ja sehr ungewöhnlich. | |
Üblicherweise drohen Staaten bei UNO-Verhandlungen und -Konferenzen mit dem | |
Veto, wenn ihnen eine Beschlussvorlage zu weit geht, weil sie zu konkrete, | |
zu verbindliche und zu weitreichende Verpflichtungen enthält. In der Regel | |
führen derartige Vetodrohungen dann zur Aufweichung der Beschlussvorlage. | |
Die bolivianische Regierung hingegen versagte der Beschlussvorlage von | |
Cancún die Zustimmung, weil sie ihr nicht weit genug ging und weil sie | |
keine ausreichende Verpflichtungen der Teilnehmerstaaten zu Maßnahmen zum | |
Klimaschutz enthält. Der Beschluss hindert Bolivien aber nicht daran, | |
weitergehende Maßnahmen zu ergreifen. | |
13 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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