# taz.de -- NGO-Mitarbeiterin über Geld und Klimaschutz: "Die Armen gehen aufe… | |
> Weniger Regenzeiten, weniger Ernten: In ärmeren Ländern schlägt der | |
> Klimawandel durch. Um das zu stoppen, reicht das Geld nicht, kritisiert | |
> Tonya Rawe von CARE. | |
Bild: Die Wahrzeichen der Welt - dem Untergang geweiht? In ärmeren Ländern ma… | |
taz: Frau Rawe, werden die Klimaverhandlungen hier in Cancún den Interessen | |
der Armen gerecht? | |
Tonya Rawe: Die Interessen der am meisten verwundbaren Menschen, der Armen | |
in den armen Ländern, werden dann berücksichtigt, wenn wir ein Abkommen | |
bekommen, das ausreichend finanziert ist und das die weltweiten Emissionen | |
wirklich reduziert. Es gibt in den Verhandlungspapieren derzeit ein paar | |
Nuggets, die viel versprechend sind. Aber solange das alles nur in einer | |
Textvorlage steht, haben die Menschen überhaupt nichts davon. | |
Aber bei der letzten Klimakonferenz in Kopenhagen wurde bereits Geld | |
versprochen. | |
Es gibt das Geld für den schnellen Start, aber ein wirkliches Abkommen | |
würde uns in die Lage versetzen, dieses Geld mit echten Handlungen bei | |
Anpassung und Reduzierung zu verbinden. Wir haben zu lange gewartet mit den | |
Emissionsreduzierungen, deshalb müssen wir jetzt verstärkt auf die | |
Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel setzen. | |
Was fordern Sie von den Verhandlungen? | |
Der bisherige Rahmen, der verhandelt wird, hat gute Ansätze. Wir brauchen | |
eine Rahmenregelung und ein Komitee, das auf UN-Ebene die Arbeiten in den | |
einzelnen Ländern koordiniert. Diese Stelle sollte den Entwicklungsländern | |
helfen, ihre Vorschläge zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln, und | |
dafür muss die Finanzierung gesichert sein. Aber bisher ist das nur ein | |
Stück Papier. | |
Reicht das Geld, das vor einem Jahr in Kopenhagen versprochen wurde? | |
Nein, was in Kopenhagen beschlossen wurde, ist keinesfalls ausreichend. | |
Dort haben sich die Industriestaaten verpflichtet, für 2010 bis 2012 | |
insgesamt 30 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen. Das ist ein guter | |
Ansatz, aber es gibt keine Ausgewogenheit zwischen dem Geld für Anpassung | |
und dem für Maßnahmen zur Emissionsreduzierung. Das knappe Geld führt zu | |
einer furchtbaren Situation hier auf der Konferenz: Die armen Länder | |
kämpfen gegeneinander darum, wer der verletzlichste und bedürftigste Staat | |
ist. Sie gehen aufeinander los, weil sie wissen, dass ihre Bedürfnisse | |
nicht erfüllt werden. | |
In Kopenhagen sind auf lange Sicht 100 Milliarden Dollar jährlich | |
versprochen worden. Das ist eine Menge Geld. Aber Sie sagen, auch das ist | |
nicht genug. | |
Nein, es reicht vorn und hinten nicht. Die Weltbank hat letztes Jahr | |
errechnet, dass wir allein für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel aus | |
öffentlichen Geldern 100 Milliarden Dollar brauchen. In Kopenhagen sind ja | |
100 Milliarden versprochen worden, aber als Geld aus privaten und aus | |
öffentlichen Geldern und sowohl für Anpassung als auch für | |
Emissionsreduzierung. | |
Was merken Sie konkret vom Geldmangel? | |
In unserer täglichen Arbeit müssen wir Entscheidungen treffen: In welchen | |
Ländern arbeiten wir und welche Projekte können wir machen. Wir müssen da | |
harte Prioritäten setzen. Momentan fehlt es vor allem daran, die Menschen | |
auszubilden, sich auf die Folgen des Klimawandels einzustellen und selbst | |
aktiv zu werden. | |
Was merkt CARE vom Klimawandel in der täglichen Arbeit? | |
Unsere Länderbüros sehen bereits die Auswirkungen des Klimawandels. Sie | |
beobachten, wie sich die Jahreszeiten verschieben. An manchen Orten, wo es | |
früher zwei Regenzeiten und zwei Ernten gab, gibt es nur noch eine. Das | |
beeinträchtigt enorm die Ernährungssicherheit dieser Regionen. Der Regen | |
kommt unregelmäßiger und Menschen in extremer Armut können nicht vorplanen | |
und Vorsorge treffen, wie sie es gewohnt sind. | |
Sie wirken enttäuscht. Haben Sie von Cancún mehr erwartet? | |
Wir sind weniger von der Konferenz enttäuscht als von den Staaten. Wir | |
kamen nach Cancun und wussten, wir kriegen nicht das faire, anspruchsvolle | |
und verpflichtende Abkommen, das wir brauchen. Aber wir benötigen einen | |
konkreten Anhaltspunkt für Fortschritt, damit wir uns nicht im nächsten | |
Jahr wieder fragen, wenn wir zur Konferenz nach Südafrika fahren: Warum | |
sind wir hier, was machen wir hier, erreichen wir irgendwas? | |
Die Politik auf Klimakonferenzen erscheint oft kaltherzig. Werden die Armen | |
von der Geopolitik als Geisel genommen? | |
Die Länder kommen natürlich alle mit ihren eigenen Positionen zur | |
Konferenz. Wir versuchen immer wieder klar zu machen, dass es hier nicht um | |
Politik geht, sondern um Menschen. Menschen, die sehr arm und sehr | |
verwundbar sind, die an dem Problem Klimawandel nicht schuld sind, aber am | |
härtesten davon getroffen werden. Wenn wir Fortschritte machen und ein | |
ausgewogenes Paket für Anpassung und Finanzierung bekommen, dann sind die | |
Armen nicht die Geiseln dieser Verhandlung. Wenn wir das immer im Kopf | |
haben, kann uns das zu einem Abkommen bringen, das wir brauchen. | |
Das kann es, aber tut es das auch? | |
Wir kämpfen dafür. Jeden Tag. | |
10 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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