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# taz.de -- Klimagipfel in Cancún: Heiße Luft wird zum Problem
> In Cancún wird gestritten, ob eine neue Rahmenvereinbarung aufgelegt oder
> das Kiotoprotokoll verlängert werden soll. Immerhin gibt es eine Menge
> Altlasten.
Bild: Kohlekraftwerk in China. Ein neues Kioto-Protokoll ist nicht in Sicht.
Eine grundsätzliche Frage spaltet die Verhandler bei der UN-Klimakonferenz
in Cancún auch in den letzten Tagen noch: Hat das Kioto-Protokoll eine
Zukunft? Oder braucht die Welt eine neue Rahmenvereinbarung zum Schutz des
Klimas?
Vor allem die Schwellen- und Entwicklungsländer fordern eine zweite
Verpflichtungsperiode innerhalb des 2005 in Kraft getretenen Protokolls.
Einige Industriestaaten wie Japan lehnen dies ab. Deutschland und die
Europäische Union sind grundsätzlich zu einer Neuauflage des Abkommens
bereit, wenn sich andere große CO2-Produzenten, die bislang außen vor sind,
wie etwa China oder die USA, zu ähnlichen Anstrengungen verpflichten.
Wäre denn dem Klima geholfen, wenn es zu Kioto II kommt? "Nicht unbedingt",
meint Martin Kaiser, der die Verhandlungen für Greenpeace verfolgt. Denn
damit würden auch alle Altlasten aus dem Kioto-Protokoll ins neue
Weltklimaregime übertragen. "Es besteht die Gefahr, dass die Zugeständnisse
an die Industrie vergrößert werden."
Japan beispielsweise, das keine zweite Periode akzeptieren will, würde gern
Atomkraft in den Clean Development Mechanism (CDM) einbeziehen. Das würde
bedeuten, dass Industrieländer künftig zusätzliche Emissionsrechte bekämen,
wenn sie in ärmeren Länder Atomkraftprojekte finanzieren. Die Japaner
versuchen so, ihre Atomwirtschaft anzukurbeln. "Auch CCS soll künftig
CDM-fähig werden", so Kaiser. Die Technologie zur Verpressung von
Kohlendioxid im Untergrund sei aber nicht geeignet, um die Energiewende zu
Erneuerbaren zu beschleunigen.
Eine weitere Altlast ist die sogenannte heiße Luft. Einige Industriestaaten
verursachen deutlich weniger Treibhausgase, als ihnen im Kioto-Protokoll
zugestanden wird. Dabei geht es vor allem um die ehemals sozialistischen
Länder: Durch den Zusammenbruch ihrer Wirtschaften ist auch die
Treibhausgasemission enorm gesunken. In Russland etwa liegt der Ausstoß von
Klimagiften heute 35 Prozent unter dem Niveau von 1990, in der Ukraine
sogar um 53 Prozent. Nach Kioto müssten beide Staaten ihren
Treibhausgasausstoß auf dem Niveau von 1990 halten. Aber auch Polen
beispielsweise ist nach dem Kioto-Protokoll verpflichtet, bis zum Jahr 2012
insgesamt 6 Prozent weniger Treibhausgase zu produzieren, lag aber 2007
erstaunliche 24 Prozent unter dem Niveau von 1990.
Diese Länder möchten von diesem Minus nun einiges in eine zweite
Verpflichtungsperiode hinüberretten, also mit der wirtschaftlichen Erholung
auch mehr Kohlendioxid ausstoßen dürfen. So könnte sich Polen zu einer
künftigen Reduktion von 15 Prozent verpflichten - damit würde der polnische
Treibhausgasausstoß real um 9 Prozent wachsen -, was dem Klima wohl kaum
hilft.
Zur Halbzeit hatte Konferenzpräsidentin Patricia Espinosa, die
Außenministerin Mexikos, einen ersten Verhandlungstext vorgelegt, der sich
mit dem Problem befasst. Sie schlägt vor, diese "heiße Luft" zu begrenzen.
Demnach soll es den genannten Staaten zwar erlaubt sein, Reduktionserfolge
aus ihrer ersten Verpflichtungsperiode in der zweiten anrechnen zu lassen.
Aber nur um einen bestimmten Prozentsatz, der im Verhandlungstext noch
offen ist: In eckigen Klammern steht 0,1 Prozent, 1 Prozent oder 10
Prozent.
"Es geht um eine gigantische Menge an Treibhausgasen", kritisiert Reimund
Schwarze, der für den Thinktank Climate Service Center die Verhandlungen
verfolgt. Nimmt man alle ehemals sozialistischen Staaten zusammen, kommt
man auf 10 Milliarden Tonnen Kohlendioxid - 10 bis 12 Prozent der Menge,
die 1990 weltweit produziert wurde.
9 Dec 2010
## AUTOREN
Nick Reimer
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