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# taz.de -- Grüne Industriepolitik: Konzerne interessieren sich fürs Klima
> Immer mehr Unternehmen fordern Fortschritte beim Klimaschutz. Sie
> fürchten um ihr Image, sehen neue Märkte und wollen mit am Tisch sitzen,
> wenn die Gesetze geschrieben werden.
Bild: Der Aluminiumhersteller Alcoa hat seine Produktion verdoppelt, setzt aber…
BRIN taz | "Wenn unsere Zukunft gesichert werden soll, muss sich unser
Wirtschaften ändern, um das Wohl der Menschen zu erreichen, ohne die Umwelt
zu zerstören." Was wie eine Forderung von Umweltschutzgruppen klingt, ist
die Einladung zu einem Treffen von Wirtschaftsführern. Am kommenden
Mittwoch diskutieren im indischen Delhi 200 Vorstandschefs und
Regierungsvertreter aus aller Welt beim World CEO Forum über Klimawandel
und nachhaltige Entwicklung. Das ist kein Zufall. Denn aus Teilen der
globalen Wirtschaft kommen immer häufiger Forderungen, etwa beim
Klimaschutz endlich Ernst zu machen.
Zum Beispiel beim "Cancún Communiqué", mit dem 300 Konzerne vor dem
UN-Klimagipfel in Mexiko die Industriestaaten aufforderten, ihre Emissionen
zu senken, Geld für die armen Länder bereitstellen, grüne Technologie
verfügbar machen und die Rettung der Regenwälder ermöglichen. Hinter der
Erklärung standen Schwergewichte der globalisierten Wirtschaft wie BP,
Shell, Adidas, Coca-Cola, Nestlé, Unilever, Renault-Nissan.
Das Communiqué steht auf dem Briefpapier des britischen Thronfolgers
Charles, der jedes Jahr zusammen mit der Universität Cambridge die Crème
des Kapitalismus einlädt, um der Politik Druck zu machen. Die Firmen treibt
nicht das Gewissen, sondern die Angst vor Einbußen, die Sorge ums Image,
die Aussicht auf neue Märkte und die Hoffnung, bei Regulierungen
mitzubestimmen. Es heißt nicht mehr: Wirtschaft gegen Klimaschutz.
Stattdessen kämpfen grüne gegen schwarze Unternehmen um Märkte und Macht.
"Das ist nicht einfach nur Greenwashing", sagt Stephen Hine von der
britischen Unternehmensberatung Eiris, die Konzerne bei ihrem ethischen und
ökologischen Handeln bewertet. Seine Firma fand heraus, dass 100 der
weltweit größten 300 Konzerne auf den Klimawandel überhaupt nicht
vorbereitet sind. "Die Unternehmen rufen nicht nach allgemeiner
Regulierung, sondern nach einem Rahmen, in dem sie sich dann frei bewegen
wollen", sagt Hine. "Das wäre etwa ein kalkulierbarer Preis für die Tonne
CO2."
Die Klima-Konzerne sortieren sich nach ihren Interessen. Banken und
Versicherer sind stark vertreten, weil sie die Schäden spüren und am
Emissionshandel verdienen. Viele Medienunternehmen haben einen relativ
geringen ökologischen Fußabdruck, Nahrungsmittelkonzerne sind um ihren
Nachschub besorgt. Andere sind zwar energieintensiv, versprechen sich aber
neue Märkte.
So betont etwa Kevin Lowery vom weltgrößten Aluminiumhersteller Alcoa, das
Unternehmen habe seine CO2-Emissionen seit 1990 um 36 Prozent gesenkt,
obwohl die Produktion verdoppelt wurde. "Aluminium ist ein Teil der Lösung
und nicht des Problems. Es lässt sich immer wieder recyceln und wird für
leichtere und effizientere Autos und Flugzeuge gebraucht." Ähnlich
argumentiert BASF.
Das Unternehmen habe eine soziale Verpflichtung zum Umweltschutz, man sehe
aber auch Gewinnchancen: Schärfere Gesetze beim Energiesparen etwa
erforderten mehr Dämmmaterial. "Insgesamt sparen unsere Produkte dreimal so
viel CO2 ein, wie sie bei der Herstellung verursachen", heißt es.
Die Firmen werden so nicht automatisch zu Umweltschützern. Konzerne wie
Eon, BASF oder Bayer, die das Kopenhagen-Communiqué unterzeichnet hatten,
spendeten im Herbst auch für den US-Wahlkampf - für Abgeordnete, die jeden
staatlichen Klimaschutz ablehnen.
Und auch innerhalb der Wirtschaft wird mit harten Bandagen gekämpft. Der
Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht vor allem den Vorteil der
Exportnation Deutschland bei der Klimaschutz-Technik. Bereits 2007 hat eine
Studie der Deutsche-Bank-Tochter db research festgestellt, dass die
deutsche Volkswirtschaft unterm Strich von ehrgeizigem Klimaschutz
profitieren werde - vor allem etwa die Bauwirtschaft.
Vorreiter und Bremser
Immer stärker prallen deshalb auch im BDI die Interessen von Vorreitern und
Bremsern aufeinander. Zu den längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke kam von
den Maschinenbauern und den kommunalen Energieerzeugern Kritik - sie
fürchteten um ihre Investitionen in Windturbinen und Gaskraftwerke.
Zu erkennen, wie grün oder schwarz ein Unternehmen wirklich ist, ist nicht
immer einfach. Eine Studie der französischen Analystenfirma Vigeo im
Auftrag des WWF etwa kratzt am sauberen Klima-Image der Banken.
Wenn man nicht nur mit den Klimagasen rechne, die der Bankbetrieb
verursacht, sondern auch darauf achte, wie klimawirksam die Investitionen
seien, ändere sich das Bild radikal, so die Analysten: Dann sind die Banken
beim CO2-Ausstoß die größten Sünder - sechsmal so schlimm wie die Ölfirmen.
28 Jan 2011
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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