# taz.de -- Studie über den Klimawandel: Flüsse machen's warm | |
> Eine neue Studie zeigt, dass die Ökosysteme als Kohlenstofflager weniger | |
> taugen als bislang gedacht. Treibhausgase aus Gewässern heizen den | |
> Klimawandel an. | |
Bild: Seen. Klimatechnisch ähnlich schlimm wie Kühe. Aber nicht so lecker. | |
BERLIN taz | Auf Wälder, Felder und Wiesen kann man sich offenbar beim | |
Klimaschutz deutlich weniger verlassen als angenommen. Denn die Fähigkeit | |
von Pflanzen und Böden, die menschengemachten Emissionen von Treibhausgasen | |
als "Senken" auszugleichen, ist deutlich geringer als gedacht. Das geht aus | |
einer Studie hervor, die ein internationales Team von Wissenschaftlern | |
jetzt in der Zeitschrift Science veröffentlicht hat. | |
Kern der Studie ist eine Abschätzung, wie viel Kohlendioxid und Methan, | |
beides Treibhausgase, aus Bächen, Flüssen und Seen in die Atmosphäre | |
gelangen und dort den Klimawandel anheizen. Vor allem die Zurechnung des | |
Methans, das 25-mal stärker als CO2 die Atmosphäre aufheizt, sei neu, | |
erklärte der Hauptautor der Studie, David Bastviken von der Universität | |
Linköping in Schweden, gegenüber der taz. Denn aus den Gewässern treten auf | |
natürliche Weise Methan und Kohlendioxid mit einer Klimawirkung von 2,05 | |
Milliarden Tonnen CO2 aus. | |
Die gesamte Biomasse an Land "schluckt" allerdings nur 2,6 Milliarden | |
Tonnen – fast 80 Prozent der "Senkenfunktion" der Wälder werden also durch | |
die Emissionen aus Gewässern wieder zunichte gemacht. "Unsere Daten weisen | |
darauf hin, dass man die gesamte Landschaft in den Blick nehmen muss und | |
sich nicht nur auf die Bäume konzentrieren kann", sagt Bastvik. Künftig | |
sollten die Methanemissionen aus den Gewässern bei der Anrechnung von | |
Wäldern als Kohlenstoffspeicher besser berücksichtigt werden. "Die Debatte | |
darüber hat erst begonnen", so der Wissenschaftler. "Aber wir können | |
offenbar mit den Wäldern weniger Emissionen kompensieren, als wir dachten" | |
– ein Plädoyer für verstärkte Anstrengungen beim Klimaschutz. | |
Das Beispiel zeigt, wie wenig die Wissenschaft über den | |
Kohlenstoffkreislauf wirklich weiß und wie unsicher die Datenlage ist. Denn | |
während die Klimamodelle, die an Supercomputern gerechnet werden, immer | |
genauer und verlässlicher werden, entsprechen Menge und Qualität von Daten | |
zum Klimawandel vor allem aus Schwellen- und Entwicklungsländern oft kaum | |
wissenschaftlichen Ansprüchen. So gibt es etwa im gesamten Amazonasgebiet, | |
einer Fläche so groß wie Frankreich, nur einige wenige Messstellen. | |
In den aktuellen vierten IPCC-Bericht von 2007 sind aus Europa insgesamt | |
über 28.000 Messreihen eingeflossen, die über einen Zeitraum von 20 Jahren | |
Veränderungen in den Ökosystemen zeigen - aus ganz Afrika dagegen fünf | |
Datensätze, die diesen Anforderungen entsprechen. Diese Datenschwäche führt | |
nicht dazu, dass Ausmaß und Wirkung des Klimawandels überschätzt werden, | |
wie "Klimaskeptiker" behaupten. | |
Die aktuelle Studie zeigt, dass die neueren Forschungsergebnisse zu mehr | |
statt zu weniger Sorge Anlass geben. Das Problem der fehlenden Daten soll | |
jetzt durch eine privatwirtschaftliche Lösung teilweise angegangen werden. | |
Die US-Firma Earth Networks plant demnächst ein weltweites Netz von 100 | |
Messstationen für Methan und Kohlendioxid zu installieren - allerdings ist | |
auch dieses kommerzielle Projekt vorerst noch vor allem auf die | |
Industriestaaten konzentriert: 50 Stationen sollen in den USA entstehen, 25 | |
in Europa. | |
Das Projekt in enger Kooperation mit Behörden und Forschungsinstituten soll | |
fünf Jahre dauern und 25 Millionen Euro kosten, erklärte Earth Networks. | |
Die Daten sollen der Wissenschaft, der Politik, aber auch privaten | |
Unternehmen zur Verfügung stehen, hieß es. Finanziert werden soll es von | |
Staaten oder Firmen, die an Daten zur Klimaentwicklung interessiert sind. | |
30 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
## TAGS | |
Klima | |
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