# taz.de -- Biozulieferer zum Dioxin-Skandal: "Beim Fett wird viel geschummelt" | |
> Problem Intransparenz: Hätten die Futterhersteller gewusst, dass die | |
> Dioxin-Ware aus einer Biodiesel-Fabrik stammt, hätten "die Alarmglocken | |
> geschrillt", sagt Rudolf Joost-Meyer zu Bakum. | |
Bild: Freilandhühner nehmen mehr Dioxin auf. | |
taz: Herr Joost-Meyer zu Bakum, jetzt hat der Futtermittelhersteller aus | |
Uetersen offenbar Fahrlässigkeit eingeräumt … | |
Rudolf Joost-Meyer: … das ist kein Futtermittelhersteller! | |
Sondern? | |
Das ist ein Fettlieferant. Die Futtermittelhersteller beziehen von dem | |
Fette für Mischfutter. Und der hatte wiederum von einem holländischen | |
Händler Öle gekauft, der sie von einer Emder Biodiesel-Fabrik geliefert | |
bekam. Also das Fett ging von Emden aus in die Niederlande, von dort nach | |
Schleswig-Holstein und von da an verschiedene Mischfutterhersteller. | |
Ein umständlicher Weg. | |
Und der Kern des Problems: Wenn die Mischfutterhersteller am Ende der Kette | |
gewusst hätten, dass in den Fetten aus Uetersen Ware aus einer | |
Biodiesel-Fabrik ist, hätten bei denen schon die Alarmglocken geschrillt. | |
Dann hätten die nachgefragt: Was ist das denn? Habt ihr wenigstens eine | |
Dioxinanalyse? Weil die Herkunft der Ware aber verschleiert worden ist, hat | |
der Futtermittelhersteller keine Chance, auch nur einen Verdacht | |
aufzubauen. Diese Anonymität des Warenverkehrs ist das Hauptproblem. | |
Und die wird durch die EU-Futtermittelrichtlinie, die seit vergangenem Jahr | |
gilt, begünstigt? | |
Die bremst sie nicht. Der Handel mit Futtermittelkomponenten hat ein hohes | |
Interesse an Anonymisierung. Und das führt zum Risiko. Sobald genau klar | |
ist, was woher kommt, ist der Schummelei ein Riegel vorgeschoben. | |
Könnte man sie nicht ebenso durch Kontrollen eindämmen? | |
Nein. Dioxin ist schwierig nachzuweisen, weil es nur in Mikrospuren | |
vorkommt. Es gibt nur eine Handvoll Labore in Deutschland, die das können, | |
es ist mit 400 Euro pro Probe auch eine teure Angelegenheit - und dauert | |
mindestens zwei, oft drei Wochen. Bis dahin ist die Ware längst verarbeitet | |
und draußen. | |
Eine Frage des Grenzwerts? | |
Das kommt speziell bei Hühnereiern hinzu: Der ist mit 3 Picogramm pro Kilo | |
Eifett sehr niedrig. Der Grenzwert bei Fisch ist ein Mehrfaches davon - | |
dabei gibt es genügend Leute, die mehr Fisch essen als Eier. Das ist ein | |
politischer Grenzwert, den die Käfigindustrie durchgedrückt hat. Man wollte | |
die Freilandhaltung ausbremsen. | |
Freilandhühner nehmen mehr Dioxin auf? | |
Ja, durch Bodenkontakt. Das Ausbremsen ist nicht ganz geglückt: Die | |
Freilandhalter sind in der Lage, den Grenzwert einzuhalten. Wichtig ist, | |
dass die Auslauffläche für die Hühner grün und nicht schwarz ist: Im Gras | |
ist nichts. Wenn das Gras weg ist, steigt auch die Belastung. Die Eier von | |
den Mistkratzern, die bei der Oma hinterm Haus laufen, haben sowieso fünf | |
Picogramm. Es ist aber ein Unterschied, ob ein Huhn belastet ist, weil es | |
sich in einer belasteten Umwelt bewegt, oder ob technische Öle und damit | |
Dioxine zusätzlich in den Kreislauf eingeschleust werden. | |
Und wie vermeiden Sie das als Biohersteller? | |
Bei uns sind alle Sorten von tierischen Fetten, alle Gemische aus | |
pflanzlichen und tierischen Fetten und auch gehärtete Fette verboten. In | |
den Misch- und Härtungsprozessen gibt es immer Möglichkeiten, | |
Verschiedenstes unterzumischen. Da wird viel geschummelt. Da entsteht das | |
Kontaminationsrisiko. Deshalb darf in Biofutter nur reines Pflanzenöl. | |
Wird die Eierherstellung dadurch nicht teurer? | |
Natürlich. Biofutter kostet doppelt so viel wie konventionelles. | |
Und Biohühner fressen mehr: Macht das saubere Eier also viel teurer? | |
Nein. Das bisschen Öl, die zusätzlichen Fettkosten, das schlägt nicht auf | |
den Eierpreis durch. Das ist im Null-Komma-Bereich. Lukrativ wird das erst | |
bezogen aufs Kilogramm Fett. | |
4 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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