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# taz.de -- Kommentar Dioxin-Skandal: Schurken statt Strukturen
> Solange das industrielle Agrarsystem nicht grundlegend umgebaut wird,
> gehören Dioxin-Eier und andere Lebensmittelskandale zum Alltag.
Bild: Betroffen sind jetzt auch viele Schweinemastbetriebe.
Das ist mal eine klare Aussage: Die Katastrophe kann sich jederzeit
wiederholen. Denn sie beruht auf Schlamperei der Behörden und krimineller
Energie der Unternehmen, die sich zu einem System der organisierten
Verantwortungslosigkeit zusammenfügen. So steht es in dem Bericht der
US-Expertenkommission, die das Bohrinseldesaster im Golf von Mexiko
untersucht hat. Und so müsste es auch in einem Bericht über den
Dioxin-Skandal in Deutschland stehen.
In der momentanen Debatte geht es allerdings eher um Schurken als um
Strukturen. Da wird nach dem Strafrecht und nach besseren Kontrollen
gerufen, wahlweise die Mitschuld der Verbraucher thematisiert. Das ist
alles richtig, aber es greift viel zu kurz. Denn in einem Agrarsystem, das
nicht umsonst "industriell" heißt, gehören Betriebsunfälle zum Alltag.
Wer aus Rindern gegen ihre Natur Fleischfresser macht und sie mit
verseuchten Schafskadavern füttert, der bekommt als Quittung BSE. Wer
Ferkel zur Mast kreuz und quer durch Europa karrt, bei dem weitet sich die
Schweinepest rapide aus. Und wer Industriefette und Futterfette
nebeneinander produzieren lässt, darf sich nicht wundern, wenn
zusammenkommt, was nicht zusammengehört.
Die "Agrarwende", die Renate Künast vor einem Jahrzehnt ausgerufen hatte,
ist stecken geblieben. Die Höfe werden immer größer, die Lebensmittelpreise
sind im Keller und der Boom von Bio-Lebensmitteln trägt kaum zu einer
anderen Landwirtschaft bei, weil die Produkte importiert werden.
Die Konzepte für eine solche Wende liegen vor, sie müssten nur umgesetzt
werden. Aber dafür bräuchte es einen Skandal, der weit über die
alljährliche Aufregung über Dioxin-Eier hinausgeht. Und eine Regierung, die
den Schutz von Verbrauchern, Tieren und Umwelt vor den Schutz der
Agrarlobby stellt. Beides haben wir nicht.
7 Jan 2011
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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