| # taz.de -- Bundeswehr-Unfall in Afghanistan: Tödliches Waffenposing | |
| > Ein Soldat stirbt durch einen Kopfschuss. Jetzt kommt heraus, dass der | |
| > Schuss offenbar aus der Waffe eines Kameraden kam. Die Opposition | |
| > kritisiert die "Vernebelung". | |
| Bild: Letztes Geleit: Gedenkfeier in Masar-e-Sharif für den gestorben Bundeswe… | |
| Es war der Abend vor einem Afghanistan-Blitzbesuch von Kanzlerin Angela | |
| Merkel (CDU) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), | |
| als bei Pol-i-Khomri ein Soldat aus dem Gebirgsjägerbataillon 232 durch | |
| einen Schuss in den Kopf starb. Merkel sprach von einem "tragischen | |
| Unfall". Medien berichteten, der 21-Jährige aus dem bayerischen | |
| Bischofswiesen sei wohl gestorben, als sich beim Waffenreinigen ein Schuss | |
| löste. | |
| Einen Tag vor Weihnachten bekamen die Mitglieder des | |
| Verteidigungsausschusses aus dem Ministerium ihre wöchentliche | |
| "Unterrichtung des Parlaments", kurz UdP. Darin hieß es, am 17. Dezember | |
| sei in einem Außenposten in der Provinz Baghlan "ein deutscher Soldat mit | |
| einer Schusswunde aufgefunden" worden, der später bei einer Notoperation | |
| starb – eine Formulierung, die manch Abgeordneten vermuten ließ, der Mann | |
| habe sich selbst getötet. | |
| Erst jetzt wird bekannt, dass der Vorfall anders abgelaufen ist. Der | |
| 21-Jährige musste nicht erst aufgefunden werden. Er ist auch nicht durch | |
| eigenes Verschulden ums Leben gekommen – sondern höchstwahrscheinlich durch | |
| den Schuss aus der Pistole eines anderen Soldaten. Womöglich beim "Posing" | |
| mit Waffen, wie der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus | |
| (FDP), im Verteidigungsausschuss am Mittwoch berichtete. | |
| Bis zu zehn Soldaten sollen bei dem Vorfall dabei gewesen sein. Die | |
| Opposition ist nun verärgert über die Informationspolitik des | |
| Verteidigungsministers. "Das Parlament wurde falsch informiert", sagte | |
| Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der | |
| SPD-Bundestagsfraktion. "Hier wird versucht, zu vernebeln." | |
| Guttenberg wies die Vorwürfe zurück, es sei "in keiner Weise irgendetwas | |
| zurückgehalten worden", sagte er dem ZDF. Noch am Tag danach sei die | |
| Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden, sagte ein Ministeriumssprecher. | |
| Der liege auch ein Feldjägerbericht über den Vorfall vor. | |
| Tatsächlich hatte die Staatsanwaltschaft Potsdam bereits am 18. Dezember | |
| Ermittlungen aufgenommen. Als Eilmaßnahme ordnete sie die Obduktion des | |
| toten Soldaten und eine Spurensicherung vor Ort an. Seit Anfang Januar wird | |
| einer der Kameraden dringend der fahrlässigen Tötung verdächtigt. Aufgrund | |
| unklarer Zuständigkeiten der Staatsanwaltschaften ging die Ermittlungsakte | |
| zunächst nach Kempten, dann wieder nach Potsdam und ist jetzt auf dem Weg | |
| nach Gera. Der dortige Oberstaatsanwalt sagte der taz, er werde sich erst | |
| äußern, wenn ihm der Vorgang vorläge. | |
| Paul Schäfer, Verteidigungsexperte der Linken, wundert sich, erst jetzt von | |
| alldem zu erfahren. "Vom Tod eines Hauptgefreiten im afghanischen | |
| Pol-i-Khumri wurde das Parlament zwar unterrichtet", sagte er. "Von | |
| Hinweisen auf fahrlässigen Umgang mit Schusswaffen war indes nicht die | |
| Rede." | |
| Der Tod des Soldaten ist nicht die einzige Angelegenheit, die die | |
| Opposition in Wallung versetzt. Sie fordert auch Aufklärung über die | |
| Zustände auf dem Schulschiff "Gorch Fock" und die geöffnete Post der | |
| Soldaten. SPD-Mann Arnold will den Verteidigungsminister wegen der drei | |
| Vorgänge nun vor den Verteidigungsausschuss zitieren. Bei der nächsten | |
| Sitzung am Mittwoch nächster Woche müsse Guttenberg Auskunft geben, so | |
| Arnold. | |
| 20 Jan 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| M. Heim | |
| W. Schmidt | |
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