# taz.de -- Kommentar Aufstand in Arabien: Die vielen Gründe des Zorns | |
> Kein arabischer Potentat hätte sich die aktuellen Proteste vor zwei | |
> Monaten träumen lassen. Ihre Länder weisen alle Konflikte auf, die | |
> Revolutionspotential besitzen. | |
Der arabische Aufstand kennt keine Grenzen mehr. Das so erfolgreiche | |
tunesische und ägyptische Beispiel färbt ab. Kein arabischer Potentat, ob | |
Emir, König oder dynastischer Politdiktator, hätte sich vor zwei Monaten | |
träumen lassen, dass die Grundmauern seines Regimes von einem Volksaufstand | |
ins Wanken gebracht werden könnten. | |
Der Funke der Revolution hat nicht nur Staaten erfasst, die - wie Jemen | |
oder Jordanien - dafür längst reif schienen, sondern auch so abgrundtief | |
autoritäre Regime wie das Libyen des Muammar al-Gaddafi oder das | |
antiquierte Königreich von Bahrain am Persischen Golf. | |
Auch wenn in all diesen Ländern die Werte von Freiheit, Würde sowie die | |
Menschenrechte konstitutiv sind für die Revolte, so weisen sie doch jeweils | |
Konflikte auf, die ein spezifisches Revolutionspotenzial begründen. In | |
Libyen darf man dies wohl in den exzentrischen Allüren des grandiosen | |
Modeclowns Gaddafi suchen, der das Volk mit einer Mischung aus brutaler | |
Selbstgefälligkeit und archaischer Repression unter der Knute hält. | |
In dem operettenhaften Königreich Bahrain ist es dagegen eher die exklusive | |
Mischung aus sozialem und religiösem Sprengstoff, die das Scheichtum quasi | |
über Nacht ins Zentrum des arabischen Aufruhrs katapultiert hat. Seit mehr | |
als 200 Jahren herrscht hier eine sunnitische Minderheit über eine | |
schiitische Mehrheit. | |
Seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahre 1971 stellt der Clan | |
der al-Chalifa den Ministerpräsidenten und den König. Parteien sind nicht | |
zugelassen. Die Pfründen der Erdöleinnahmen und der Finanzdienstleistungen | |
gehen an die sunnitische Minderheit. Und der Königsclan schreckt auch vor | |
blutiger Repression nicht zurück. | |
Die Formen der Unterdrückung in der arabischen Welt sind vielfältig, sie | |
divergieren in politischer, in wirtschaftlicher und in religiöser Hinsicht. | |
Entsprechend unterschiedlich sind Form und Inhalt, Zeitpunkt und Anlass des | |
Aufruhrs. Kein Staat und kein Regime, so fest es sich auch im Sattel wähnt, | |
kann mehr sicher sein, dass die "Tage des Zorns" an ihm spurlos vorbeigehen | |
werden. | |
Für die westliche Welt bietet dieser Aufruhr die einmalige Chance, ihr | |
Verhältnis zur arabischen Welt ganz neu zu gestalten. Dafür müssten die | |
alten Ressentiments zu Grabe getragen werden, die mit dieser Welt vor allem | |
Ängste und Gefahren, Terrorismus und Islamismus verbinden. Das könnte | |
unsere Lehre sein aus den "Tagen des Zorns". | |
18 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Georg Baltissen | |
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