# taz.de -- Wissenschaftler gegen Extremismusklausel: Unter Generalverdacht ges… | |
> Die Klausel forciert ein Klima des Misstrauens, schreiben über 80 | |
> Experten und Initiativen an Kanzlerin Merkel. Es sei nicht Aufgabe der | |
> Zivilgesellschaft, Kollegen zu bespitzeln. | |
Bild: Will trotz des scharfen Gegenwindes weiter lächeln: Extremismusklausel-V… | |
BERLIN taz | Ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Initiativen, | |
Wissenschaftlern und Bildungsträgern hat in einem offenen Brief an | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen die Extremisklausel protestiert. | |
"Der Zwang für die betroffenen Träger, eine ,Demokratieerklärung' zu | |
unterschreiben (…) forciert ein gesellschaftliches Klima des Misstrauens", | |
heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Schreiben. Eine Pädagogik, die | |
auf demokratischen Prinzipien beruhe, brauche Vertrauen. | |
Den Brief hat die sogenannte "Task Force Education on Antisemitism" - auf | |
Deutsch: Arbeitsgruppe Erziehung gegen Anisemitismus - des American Jewish | |
Committee initiiert. Er wurde von über 80 Initiativen und Einzelpersonen | |
unterzeichnet, darunter etwa das Jüdische Museum in Berlin, die Amadeu | |
Antonio Stiftung oder der Verein "Gesicht Zeigen!", und ist an Merkel, das | |
zuständige Bundesfamilienministerium und das Innenministerium gerichtet. | |
Seit 2010 müssen Initiativen, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit | |
engagieren, ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung | |
unterschreiben, um aus Bundesprogrammen wie "Toleranz fördern - Kompetenz | |
stärken" Geld zu bekommen. Auch für ihre Partner müssen sie sich verbürgen. | |
Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass eine Initiative, die vom Bund | |
gefördert wird, auch die Werte der Verfassung dieses Staates teile, sagte | |
der Sprecher des Familienministeriums, Hanno Schäfer, am Freitag der taz. | |
"Projektträger müssen sich außerdem informieren, ob die Leute, mit denen | |
sie zusammenarbeiten, auf dem Boden der Verfassung stehen", sagte Schäfer. | |
Früher sei dies implizit gewesen durch die Zusammenarbeit mit dem Bund. Das | |
einzig Neue sei die nun verlangte aktive Bestätigung durch eine | |
Unterschrift. | |
Genau das ist für Ingolf Seidel von der Antisemitismus-Taskforce ein | |
Knackpunkt. "Gesamte Projekte werden unter Generalverdacht gestellt." | |
Außerdem sei das aktive Einstehen für Demokratie wichtiger, als eine Formel | |
zu unterschreiben. | |
"Es kann nicht die Aufgabe einer demokratischen Zivilgesellschaft sein, | |
Kollegen zu bespitzeln", sagte Seidel. Er vermutet dahinter auch ein | |
Aufweichen der Gewaltenteilteilung, wenn Aufgaben des Verfassungsschutzes | |
an die Zivilgesellschaft delegiert werden sollen. | |
Für den offenen Brief habe man gezielt Experten angesprochen, um die | |
Diskussion zu versachlichen, erklärte Seidel: "Es ging uns darum, aus | |
fachlicher Sicht Probleme aufzuzeigen. Wir hoffen, so die bestehende | |
Debatte zu erweitern." | |
Die Unterzeichner führen in dem Brief aus, es sei nötig, kontrovers zu | |
diskutieren und unterschiedliche Standpunkte zu thematisieren. "Wenn die | |
Zielgruppen unserer Arbeit das Gefühl vermittelt bekommen, dass das Agieren | |
von Pädagoginnen und Pädagogen der verlängerte Arm obrigkeitsstaatlichen | |
Handelns ist, wird diese Arbeit unglaubwürdig", hieß es in der Erklärung. | |
4 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Johannes Opfermann | |
## TAGS | |
Manuela Schwesig | |
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