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# taz.de -- Bürgerkrieg in Libyen: EU fordert Gaddafis Rücktritt
> Die EU will Gaddafis Rücktritt, zur Not mit militärischer Gewalt, sagt
> der belgische Ministerpräsident. Ras Lanuf wurde den ganzen Tag umkämpft,
> sie soll jetzt wieder in Rebellenhand sein.
Bild: Demonstrantin in Bengasi, der Hochburg der Rebellen.
KAIRO/BRÜSSEL/ATHEN rtr/afp/dpa | Die Staats- und Regierungschefs der 27
EU-Staaten fordern den unverzüglichen Rücktritt des libyschen Machthabers
Muammar al-Gaddafi. In dieser Frage gebe es einen Konsens der EU-Chefs,
sagten Diplomaten am Freitag am Rande des Brüsseler EU-Gipfels zur
Libyen-Krise. Gaddafi müsse seine Macht sofort aufgeben, lautet die
Forderung der Europäer. Zur Not wolle die EU Gaddafi mit einem
Militäreinsatz aus dem Amt jagen.
Alle Optionen, auch militärische, blieben auf dem Tisch, sagte der
belgische Ministerpräsident Yves Leterme am Freitag zum Abschluss eines
EU-Sondergipfels zu Libyen in Brüssel. Bedingung für einen Einsatz seien
aber die Unterstützung der Arabischen Liga sowie eine Einigung des
UN-Sicherheitsrates.
Der Kampf um den wichtigen Ölhafen Ras Lanuf an der lybischen Küste ging
auch am Freitag noch weiter. Am Morgen rückten Gaddafi-treue Einheiten nach
Angaben von Aufständischen in den Ölhafen ein. Am späten Nachmittag meldete
al-Dschasira in Berufung auf Rebellen, sie hätten Ras Lanuf zurückerobert.
Ein Korrespondent des Senders sah zur selben Zeit Rebellen ihre Stellungen
am östlichen Eingang der Stadt verstärken. Die Aufständischen würden mit
einem Gegenangriff der Gaddafi-Truppen rechnen, hieß es.
Währenddessen ist Freitagfrüh eine Delegation des libyschen Staatschefs
Muammar al-Gaddafi in Kairo eingetroffen, berichtete der arabische
Fernsehsender Al-Arabija. Die Abordnung wolle an dem an diesem Samstag
geplanten Ministertreffen der Arabischen Liga in Kairo teilnehmen. Dabei
geht es um die Frage der Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen.
Zunächst blieb unklar, ob die Gaddafi-treuen Diplomaten an der Sitzung
teilnehmen dürfen.
Gaddafis Sohn Seif el Islam gab sich siegesgewiss. "Wir kommen", sagte er
vor jungen Anhängern in Tripolis mit Blick auf die Richtung Bengasi
vorrückenden Gaddafi-treuen Truppen. Die zweitgrößte Stadt des Landes war
gleich zu Beginn des Volksaufstandes von den Rebellen eingenommen worden.
## Sondergipfel der EU
Frankreich und Großbritannien sind laut dem französischen Präsidenten
Nicolas Sarkozy bei einer Eskalation der Lage in Libyen bereit, in den
Konflikt einzugreifen. "Gezielte Aktionen rein defensiver Natur" seien aber
nur denkbar, wenn Machthaber Muammar el Gaddafi chemische Waffen einsetze
oder mit der Luftwaffe gegen die friedlich demonstrierende Bevölkerung
vorgehe, sagte Sarkozy am Freitag beim EU-Sondergipfel zu Libyen in
Brüssel. Er forderte gleichzeitig die anderen EU-Staaten auf, dem
französischen Beispiel zu folgen und die Opposition gegen Gaddafi als
legitime Vertretung Libyens anzuerkennen.
Die Libyen-Initiative des französischen Präsidenten hat nicht nur die
EU-Partner, sondern auch den eigenen Außenminister überrascht. Alain Juppé
habe erst bei seiner Ankunft in Brüssel am Donnerstag erfahren, dass der
Präsident ohne weitere Absprache die libyschen Rebellen als legitime
Vertretung des libyschen Volkes anerkannt hatte, berichtet die Zeitung "Le
Figaro" am Freitag. "Der Präsident wollte am Vortag des EU-Sondergipfels
ein Signal an die 27 senden. Er hat es auf seine Weise gemacht, indem er
sich über die diplomatische Vorsicht hinweggesetzt hat", resümiert das
regierungsnahe Blatt.
Die Nato-Verteidigungsminister hatten am Donnerstag die Präsenz von
Kriegsschiffen vor der libyschen Küste verstärkt, jedoch keine Entscheidung
über ein mögliches militärisches Eingreifen getroffen.
## Weiter Diskussion um Flugverbotszone
Die Afrikanische Union (AU) lehnte jedwede Militärintervention des Auslands
ab. Der für Sicherheitsfragen zuständige AU-Kommissar Ramtane Lamamra sagte
in Addis Abeba, die Afrikanische Union sei der "Einheit und territorialen
Integrität Libyens" verpflichtet. Derzeit wird international über die
Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen debattiert, um die
Luftangriffe der Gaddafi-treuen Truppen auf die Aufständischen zu
verhindern.
Der Golf-Kooperationsrat hatte am Montag einer solchen Zone, die
militärisch durchgesetzt werden müsste, durch die UNO zugestimmt. Die
Außenminister der Arabischen Liga wollen am Samstag in Kairo darüber
beraten. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte in Washington, ein Plan
für eine mögliche Flugverbotszone werde der NATO am 15. März vorgelegt.
Der Vorsitzende des von den Aufständischen gegründeten Nationalrates,
Mustafa Abdel Dschalil, sagte dem britischen Sender BBC, die Libyer würden
von Gaddafis Luftwaffe vernichtet. "Wir haben vom ersten Tag an eine
Flugverbotszone gefordert. Wir brauchen dringend Waffen, und wir brauchen
humanitäre Hilfe sowie Ärzte in den von Gaddafis Anhängern belagerten
Städten", sagte Dschalil.
## De Maizìère gegen Militäraktion
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizìère (CDU) sieht keinen Grund für
ein militärisches Eingreifen der Nato in Libyen. "Wenn ein Diktator auf
seine eigene Bevölkerung schießt, dann ist das nicht die Grundlage für eine
irgendwie geartete militärische Intervention durch die Nato", sagte de
Maizière am Freitag in Brüssel am Rande von Beratungen der
Nato-Verteidigungsminister.
"Militärische Aktionen müssen bis zu Ende gedacht werden. Man darf nicht in
etwas hineinschliddern, von dem man hinterher nicht überzeugt ist und was
man dann nicht durchsetzen kann", sagte der Minister. Es war de Maizières
erster Auftritt im Kreise der Nato-Verteidigungsminister seit seinem
Amtsantritt. "Man sollte auch nicht mit Dingen drohen, die man nicht
umsetzt. Für humanitäre Aktionen wird jede Vorbereitung getroffen. Aber das
ist jetzt nicht die Stunde der Nato."
De Maizière wollte sich nicht zu der Frage äußern, ob Deutschland auch dann
nicht an einer Militäraktion gegen den libyschen Machthaber Muammar
al-Gaddafi teilnehmen würde, falls es dafür ein UN-Mandat und die
Zustimmung der Staaten der Region gebe. "Ich halte überhaupt nichts davon,
mit Optionen öffentlich zu spielen und zu glauben, dass das irgendjemanden
beeindruckt. Schon gar nicht Herrn Gaddafi. Und wenn man Optionen nennt und
sie einen Tag später wieder vom Tisch nimmt, dann ist das nicht
überzeugend."
Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle bekräftigte, dass für die
Einrichtung einer Flugverbotszone ein Mandat der Vereinten Nationen und
eine Unterstützung sowie Beteiligung der Arabischen Liga erforderlich
seien. Letzteres sei bislang nicht erkennbar.
Etwa drei Viertel Libyens seien von humanitärer Hilfe abgeschnitten, sagte
ein UN-Vertreter in New York. "Wir erhalten Informationen, wonach gerade
jetzt, da die Menschen dringend auf Hilfe angewiesen sind, Krankenhäuser
geschlossen werden." Nach Angaben von Ärzten starben bei den Gefechten im
Osten Libyens seit Mitte Februar bereits rund 400 Menschen, 2000 weitere
wurden verletzt.
Nach UN-Angaben flohen seit Beginn des Volksaufstandes in Libyen bereits
mehr als 250.000 Menschen aus dem nordafrikanischen Land.
## Niederländische Soladaten freigelassen
Drei vor knapp zwei Wochen in Libyen festgenommene niederländische Soldaten
kamen am Freitag wieder frei. Die zwei Männer und eine Frau sind an Bord
einer griechischen Militärmaschine am Freitagmorgen in Athen angekommen,
teile das griechische Außenministerium mit. Ihnen gehe es gut, hieß es. Sie
hatten Ende Februar versucht, mit einem Helikopter zwei Landsleute aus der
Gegend des libyschen Hafens Sirte auszufliegen und waren dabei von
Regierungstruppen gefangen genommen worden. Die Behörden in Tripolis
übergaben sie am späten Donnerstagabend griechischen Offizieren.
Die drei niederländischen Marineflieger wurden nach Informationen der
halbamtlichen griechischen Nachrichtenagentur ANA von niederländischen
Diplomaten empfangen und sollen später in ihre Heimat zurückkehren. Die
Aktion der Rückführung der ehemaligen Gefangenen organisierte der
griechische Vizeminister Dimitris Dollis, der auch beim Flug dabei war,
hieß es. Griechenland pflegte bislang gute Beziehungen zu Libyen.
Griechische Fähren haben in den vergangenen Wochen mehr als 25 000
Ausländer aus Libyen in Sicherheit gebracht.
11 Mar 2011
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