# taz.de -- Libyens panafrikanisches Netzwerk: Afrikas König der Könige | |
> Mit Ölgeld kaufte Muammar Gaddafi sich Günstlinge auf dem ganzen | |
> Kontinent, vor allem Außenseiter-Staaten half er gerne. Was passiert, | |
> falls Gaddafi stürzt? | |
Bild: Im Norden geht die Sonne auf: Plakat für einen AU-Gipfel in Libyen 2005. | |
KAMPALA taz | Tausende Ugander pilgern täglich die Gaddafi-Straße in ihrer | |
Hauptstadt Kampala zur Gaddafi-Moschee empor, um zu beten. Das moderne | |
Marmorgebäude mit den geschwungen Bogen über dem Treppenaufgang prangt auf | |
einem der höchsten Hügel der Stadt und bietet Platz für rund 25.000 | |
Gläubige. | |
Am Haupteingang thront eine bronzene Plakette: "Gestiftet und eröffnet von | |
Muammar Gaddafi". Als der ugandische Präsident Yoweri Museveni die nach | |
libyschen Angaben größte Moschee in Afrika südlich der Sahara kurz vor der | |
Eröffnung 2006 besichtigte, sagte er: "Ich möchte meinem Bruder Gaddafi für | |
dieses Geschenk danken." | |
Geschenke, Investitionen, politische Intrigen – das Einflussgebiet von | |
Libyens Herrscher auf dem afrikanischen Kontinent erstreckt sich von | |
Tripolis bis nach Kapstadt, von Dakar bis nach Mogadischu. Und alle | |
beobachten die Vorgänge in Libyen jetzt sehr genau – die afrikanischen | |
Hauptstädte, aber auch zum Beispiel der traditionelle Hofstaat im | |
Königreich Toro im Westen Ugandas, am Fuße des höchsten afrikanischen | |
Bergmassivs Rwenzori gelegen, den Mondbergen. "Unsere Beziehung zu Gaddafi | |
war sehr speziell", sagt Philip Winyi, "Außenminister" des Königreiches | |
Toro, das wie die anderen traditionellen Monarchien Ugandas zwar keine | |
formelle politische Funktion hat, aber in der Bevölkerung sehr mächtig ist. | |
So speziell ist diese Beziehung, dass bis heute Gerüchte kursieren, Gaddafi | |
habe eine Affäre mit der Königinmutter von Toro. König Oyo, 18 Jahre alt, | |
werde seinen Ziehvater Gaddafi "sehr vermissen", sagt Winyi. Er erinnert | |
sich gerne an die erste Begegnung vor zehn Jahren, bei Gaddafis offiziellem | |
Staatsbesuch in Uganda. "Er war ganz fasziniert von Oyo, dem damals | |
jüngsten König der Welt", erzählt Winyi. | |
Gaddafi lud den 8-Jährigen samt Entourage nach Libyen ein: Sie flogen mit | |
einem Privatjet nach Bengasi, übernachteten im Fünf-Sterne-Hotel, fuhren in | |
Limousinen nach Tripolis. Dort trafen sie Gaddafi im Trainingsanzug an. | |
"Was kann ich für euer Königreich tun?", fragte der libysche | |
Revolutionsführer. Dann ließ er in den Mondbergen einen neuen Königspalast | |
für Toro bauen. Dies war der Anfang von Gaddafis Herrschaft über Afrika. | |
## Sirte, Geburtsstadt Gaddafis und der AU | |
"Wir hatten damals schon die Idee, alle kulturellen Führer Afrikas in einem | |
Verband zu vereinen", sagt Winyi. Er präsentierte diese Idee in einem Brief | |
an Libyens Botschaft in Uganda. Denn im armen Afrika konnte sich Gaddafi | |
als Großfürst aufspielen. Nicht zufällig wurde die Afrikanische Union (AU), | |
der panafrikanische Staatenbund, 1999 in Gaddafis Geburtsort Sirte ins | |
Leben gerufen. Gaddafi erklärte, die Libyer seien auch Afrikaner, und | |
schwelgte in Ideen von einem vereinten Kontinent unter einer Regierung, mit | |
gemeinsamer Währung und Armee. | |
2008 lud Gaddafi die Könige Afrikas nach Bengasi ein. Sie kamen in | |
fürstlichen Gewändern, mit Zeptern und traditionellen Speeren und Schilden. | |
Der Libyer saß in der Mitte, eine gewaltige goldene Krone auf dem | |
Lockenkopf, und ernannte sich selbst zum König der Könige Afrikas. "Seine | |
panafrikanischen Ideen waren idealistisch, ja sogar fantastisch, aber er | |
hat uns die Idee der Einheit nahegebracht", sagt Winyi. Wie ein Kaiser lädt | |
seitdem Gaddafi die vielen afrikanischen Könige als persönliche | |
Gefolgschaft zu AU-Gipfeltreffen ein. Nicht zuletzt zum Missfallen der | |
afrikanischen Staatschefs, denen er mit diesem Gepränge regelmäßig die Show | |
stiehlt. | |
Doch auch Afrikas Präsidenten haben von Gaddafis Ölgeldern profitiert. "Je | |
ärmer ein Staat, desto wahrscheinlicher hat er enge Beziehungen zu Libyen", | |
erklärt Sebastian Spio-Garbrah, Gründer der New Yorker Beratungsfirma | |
DaMina, die Risiko-Analysen für Afrika erstellt. | |
Gaddafi half besonders gern den Außenseitern, wie er selbst einer war, so | |
der Westafrikaner Spio-Garbrah: "Geächtete Staaten und deren Führer, von | |
Simbabwe über Sierra Leone und Liberia bis Tschad – sie alle profitierten." | |
Bankrotten Staaten wie Eritrea zahlte er den AU-Mitgliedsbeitrag, insgesamt | |
stellt Libyen 15 Prozent des AU-Budgets. | |
Gaddafi, dienstältester Machthaber Afrikas, wurde damit zum Patron des | |
Kontinents. Libyens Beauftragter für Kooperation im Außenministerium, | |
Mohammed Syala, erklärte gegenüber Reuters: "Unsere Hilfe für Afrika will | |
die Länder in ihrer Entwicklung unterstützen und Libyens Identität als Teil | |
des afrikanischen Kontinents untermauern." Gleichzeitig biete Libyen eine | |
Alternative zu Geldern aus dem Westen. "Es eröffnet ihnen die Gelegenheit, | |
ihre Ressourcen besser einzusetzen, jenseits von Ausbeutung und | |
Monopolisierung", behauptet Syala. | |
Es scheint unwahrscheinlich, dass dieser Einfluss ohne Gaddafi Bestand | |
haben würde. Die libyschen Rebellen sehen sich eher als Teil einer | |
arabischen Freiheitsbewegung und betrachten die Afrikaner aus Ländern | |
südlich der Sahara als Außenseiter, wenn nicht als Söldner. "Wenn Gaddafi | |
geht, hat das gewaltige, negative Folgen auf das libysche Engagement in | |
Afrika", sagt David Shinn, ehemaliger US-Botschafter in Addis Abeba, wo die | |
AU ihr Hauptquartier hat. "Das war Gaddafis persönliche Initiative. Ich | |
bezweifle, dass sie ihn überleben wird." | |
## Konsequenzen für Afrikas Wirtschaft | |
Konsequenzen wird dies vor allem für die Wirtschaft in Afrika haben. Der | |
UN-Sicherheitsrat hat einstimmig Sanktionen gegen Libyens Diktator | |
verhängt: auch die Sperrung von Konten und Unternehmensanteilen weltweit. | |
Die USA und die EU-Länder setzen dies um. Betroffen ist vor allem die | |
Libysche Investitionsbehörde (LIA), ein 2006 mit 6 Milliarden Dollar | |
gegründeter und heute 70 Milliarden Dollar schwerer Staatsfonds. Er speist | |
sich aus Profiten aus Libyens Ölexport und hält Beteiligungen weltweit. Für | |
Afrika gibt es eine spezielle LIA-Tochtergesellschaft, das Libya Africa | |
Investment Portfolio (LAP) mit derzeit 8 Milliarden Dollar Kapital. | |
Die Liste der LAP-Investitionen in Afrika ist lang: Tankstellenketten in | |
Senegal, Banken in Uganda und Kenia, Immobilien und Hotels in Sambia, Mali, | |
Burkina Faso und anderen Ländern, Diamantenminen in der Demokratischen | |
Republik Kongo, Tourismus in Simbabwe, Fruchtsaftproduktion in Guinea. Die | |
Ölfirma Tamoil, auch in Deutschland tätig, baut eine Pipeline von Kenia | |
nach Ruanda. Meist sind LAP-Tochterfirmen in Joint Ventures mit | |
afrikanischen Staatsfirmen eingetreten, die kaum Profite abwarfen, bis | |
Libyen einstieg und Kapital zuschoss. | |
Die LAP-Tochter Green Networks ist Libyens langer Arm in Afrikas | |
Telekommunikationsmarkt, dem Boomsektor des Kontinents. Die Firma hat ihren | |
Afrika-Hauptsitz in einem klimatisierten Bürogebäude in Kampalas | |
staugeplagter Innenstadt. Im Untergeschoss bieten freundliche Uganderinnen | |
Kunden neue Handys und Internetmodems an. Die Verkaufsschalter glänzen in | |
Baby-Blau, der Firmenfarbe von Uganda Telecom. Green hält 69 Prozent der | |
Anteile an der einstigen Staatsfirma, die im Jahr 2000 privatisiert wurde. | |
Im zweiten Stock sitzt Abteilungsleiter James Wanjogu in einem Büro hinter | |
seinem Laptop. "Unsere Geschäfte laufen derzeit noch normal, doch wer weiß, | |
was morgen passiert", gibt er zu. Green habe erst letztes Jahr 500 | |
Millionen Dollar in Sambia und Tschad angelegt und wolle in diesem Jahr mit | |
derselben Summe in Sierra Leone und Togo einsteigen. "Wir wissen aber | |
nicht, was die Sanktionen für uns bedeuten", sagt er. Sein Vorgesetzter, | |
ein Libyer, sei derzeit in Tripolis, um alles Weitere zu besprechen. | |
In Libyens Bank in Uganda, der Tropical Bank, will man sich nicht äußern. | |
Auf der Webseite verweist die Bank auf eine Erklärung der Zentralbank: "Die | |
UN-Sanktionen werden keine Effekte auf die Geschäfte haben." Ugandas | |
Finanzministerin Syda Bbumba sagt, man werde abwarten, wie die | |
internationale Gemeinschaft über die Anteile der libyschen | |
Investitionsbehörde entscheide. Die Ugander aber trauen dem Versprechen | |
nicht, dass die Libyenkrise Uganda nicht treffen wird. In Kampala wird das | |
Benzin knapp, das hauptsächlich aus Libyen importiert wird. An den | |
Tankstellen reihen sich die Autos, die alle volltanken wollen – das tun | |
Ugander nur in Krisenzeiten. | |
Zumindest der Rat der Muslime in Uganda ist zuversichtlich. Sprecher | |
Nsereko Mutumba tippt auf das Gaddafi-Poster in seinem Büro in der | |
gigantischen Moschee in Kampala. Am Vortag war er in Libyens Botschaft | |
einbestellt. Dort habe man ihm versichert, dass Strom und Wasser weiter | |
bezahlt werden. | |
14 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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