# taz.de -- Bürgerkrieg in Libyen: Gaddafis Regime gibt sich siegessicher | |
> Die Lage der Aufständischen im Osten des Landes wird immer schwieriger. | |
> Gaddafi setzt den Rebellen ein Ultimatum. In New York machen die USA | |
> Druck. | |
Bild: Ein Gaddafi-treuer Soldat posiert vor einem Tor zu Adschdabija. | |
BERLIN taz | Der stellvertretende Botschafter Libyens bei der UNO, Ibrahim | |
Dabbashi, der die Seiten gewechselt hat, tat sein Bestes, um die | |
Weltöffentlichkeit aufzurütteln. "Die internationale Gemeinschaft muss | |
innerhalb von zehn Stunden handeln", sagte er am Mittwochabend in New York | |
vor dem Hintergrund der vorrückenden Truppen von Revolutionsführer Muammar | |
al-Gaddafi. | |
"In den kommenden Stunden werden wir einen richtigen Völkermord in | |
Adschdabija sehen, wenn die internationale Gemeinschaft nicht schnell | |
handelt und verhindert, dass er mit einer starken Truppe angreift." Fast | |
schon spiegelbildlich dazu klangen die offiziellen Stellungnahmen aus | |
Libyen. Die Armee setzte den Bewohnern Bengasis ein Ultimatum zum Verlassen | |
der Rebellenhochburg. | |
Die Einwohner sollten sich ab Mittwoch um Mitternacht von Gegenden | |
fernhalten, in denen sich Bewaffnete aufhielten und Waffen gelagert seien. | |
Die Armee sei auf dem Weg, die Stadt im Osten des Landes von "bewaffneten | |
Banden" zu befreien, meldete der Fernsehsender al-Libya laut der | |
Nachrichtenagentur AFP. | |
Gaddafi sagte in einem Interview, er erwarte keine Schlacht um Bengasi. Das | |
libysche Volk habe geholfen, die Stadt von "Al-Qaida-Elementen" zu | |
befreien. Am Donnerstagmorgen kündigte er die "entscheidende Schlacht" um | |
die drittgrößte Stadt des Landes, Misurata, an. | |
Die libysche Armee erklärte am Donnerstagnachmittag, ihre Kampfhandlungen | |
einstellen zu wollen. Die Armee werde ihre Einsätze ab Sonntag aussetzen, | |
um den Rebellen Zeit zu geben, sich zu ergeben, meldete die libysche | |
Nachrichtenagentur Jana. Die Aufständischen könnten mit einer Amnestie | |
rechnen, wenn sie die Waffen niederlegten. Die Lage in den umkämpften | |
Städten war am Nachmittag unübersichtlich. Während das Staatsfernsehen die | |
Einnahme von Misurata und Adschdabija meldete, wiesen Einwohner und | |
Aufständische diese Darstellung zurück. | |
## Flucht aus Libyen | |
Aus Adschdabija berichteten Augenzeugen, die Stadt werde von drei Seiten | |
belagert und aus der Luft angegriffen. Adschdabija liegt 160 Kilometer von | |
Bengasi entfernt. Doch statt entlang der Küstenstraße auf die | |
Rebellenhochburg vorzurücken, könnten die Regimetruppen auch von | |
Adschdabija aus im Landesinneren direkt nach Tobruk ziehen. Dann wären die | |
noch von den Aufständischen gehaltenen Orte zwischen den beiden Städten an | |
der Küste abgeschnitten. Außerdem ist es von Tobruk nicht mehr weit bis zur | |
ägyptischen Grenze. Wenn die Regimetruppen den Grenzposten besetzen oder | |
die Grenze schließen, wäre Flüchtlingen der Weg in die Sicherheit | |
versperrt. | |
Anfang der Woche kamen nach Angaben der UNO 2.250 Personen in Ägypten an, | |
darunter waren über 1.000 Libyer, teilweise mit großen Familien. Am | |
Donnerstag sagte die EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe, Kristalina | |
Georgieva, Europa müsse sich für eine "massive Flucht" aus den umkämpften | |
Gebieten Libyens rüsten. Das Internationale Rote Kreuz zog seine | |
Mitarbeiter wegen der unsicheren Lage aus Bengasi ab. | |
Vor diesem Hintergrund wollte Frankreich im UN-Sicherheitsrat am Donnerstag | |
einen Resolutionsentwurf zur Verhängung einer Flugverbotszone über Libyen | |
zur Abstimmung vorlegen. Eine entsprechende Entscheidung des höchsten | |
UN-Gremiums galt unter Diplomaten allerdings weiterhin als eher | |
unwahrscheinlich. In der Nacht zum Donnerstag hatte sich der Sicherheitsrat | |
trotz siebenstündiger Beratungen nicht auf einen gemeinsam von Libanon, | |
Frankreich und Großbritannien eingebrachten Resolutionsentwurf verständigen | |
können. Vorbehaltlos unterstützt wurde der Entwurf lediglich von | |
Bosnien-Herzegowina und Kolumbien. | |
Die beiden Vetomächte China und Russland sowie Indien und Brasilien, aber | |
auch die USA, Deutschland, Brasilien und die drei afrikanischen | |
Ratsmitglieder Nigeria, Südafrika und Gabun brachten mehr oder weniger | |
starke Einwände vor. Eine Resolution bedarf zur Verabschiedung einer | |
Mehrheit von mindestens 9 der 15 Ratsmitglieder. UNO-Generalsekretär Ban Ki | |
Moon verurteilte die Tötung von unbewaffneten Zivilisten durch libysche | |
Regierungstruppen als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". | |
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte die UNO auf, so schnell | |
wie möglich zu einer Einigung zu kommen, um einen "inakzeptablen" Sieg | |
Gaddafis zu verhindern. | |
Die USA sollen ihre Bedenken gegen eine Flugverbotszone inzwischen | |
zurückgestellt haben. Angeblich erwägt die Obama-Administration sogar | |
weitergehende militärische Maßnahmen bis hin zu Luftangriffen auf Gaddafis | |
Streitkräfte. Das berichtete CNN unter Berufung auf einen ungenannten | |
US-Diplomaten. CNN zitierte in diesem Zusammenhang auch die Erklärung von | |
UN-Botschafterin Susan Rice, es werde "über eine Reihe von Optionen | |
diskutiert, nicht nur über eine Flugverbotszone". | |
17 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
B. Seel | |
A. Zumach | |
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