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# taz.de -- Augenzeuge im libyschen Bengasi: Die Stimmung kippt
> Die Bevölkerung der Stadt hat Angst vor der Rache des Regimes – und
> fühlte sich bis zur Nacht zum Freitag von der internationalen
> Staatengemeinschaft im Stich gelassen. Ein Student berichtet.
Bild: Die Einwohner Bengasis fürchten um den Sieg der Revolution: Ein Junge un…
BERLIN/BENGASI taz | Ayman Majde, ein 27-jähriger Student der
Wirtschaftswissenschaften aus Bengasi, war in den vergangenen Wochen am
Telefon stets guter Dinge, hörte sich hoffnungsfroh, ja zuweilen sogar
euphorisch an angesichts des Aufstandes in seiner Stadt, der damit
verbundenen Aufbruchsstimmung und der Zuversicht auf eine bessere Zukunft
für sein Land.
Doch am Donnerstag klang seine Stimme ganz anders, dunkel und bedrückt. Er
fühle sich schlecht und habe Angst, sagt er der taz während eines
Handygespräches. Er entschuldigte sich dafür, dass er nicht mehr skypen
könne, da das Internet nicht mehr funktioniere.
Der verschreckte Majde berichtet: „Ich bin seit heute Morgen bei meiner
Familie zu Hause. Wir werden das Haus so schnell auch nicht wieder
verlassen, denn die Stadt ist nicht mehr sicher. Wir hören draußen viele
Schüsse, und das nun schon seit Stunden. Wir sind verängstigt, denn wir
wissen nicht, was mit uns passieren wird, falls die Regierungstruppen die
Stadt einnehmen werden.“
Majde, der im Zentrum von Bengasi lebt, berichtet, er habe zuletzt am
frühen Morgen das Haus verlassen und in den Straßen im Zentrum der Stadt
tausende Männer mit Waffen gesehen: „Sie sind zu allem bereit“, sagt er,
„denn sie haben Angst vor Terror- und Willkürakten gegen die Bevölkerung,
falls sie in die Hände des Gaddafi-Regimes fallen.“
Inzwischen wächst auch bei Majde die Sorge, dass die Revolution nicht
siegen werde. Denn die Armee kontrolliere bereits die Stadt Suwaitina 150
Kilometer südlich von Bengasi und Ad-Dirsiyah, das etwa in der Mitte
zwischen Bengasi und Al-Baida liegt, wie er durch Freunde am Telefon
erfahren habe, die dort leben. „Komm und berichte, was hier passiert“, sagt
er dem Journalisten am anderen Ende der Leitung, der dies aus sicherer
Entfernung mit anhören muss. „Nur die Weltöffentlichkeit und ein Eingreifen
der UNO kann meine Stadt noch retten.“
Doch so richtig mag er wohl selber nicht mehr daran glauben. Er fühlt sich
von der internationalen Staatengemeinschaft im Stich gelassen, die bis zum
Donnerstagabend nicht einmal eine Flugverbotszone, „wie damals im Irak“,
hinbekam, um „die Menschen hier“ zu schützen. Auch vom Interims-Nationalrat
in Bengasi ist Majde enttäuscht: „Der Rat ist nur ein Rat und nichts
weiter. Er hat keine Polizei und keine exekutive Durchsetzungskraft. Er
kann nichts machen und uns nicht schützen vor den anrückenden
Regierungstruppen.“ Dies spiegele letztlich wider, so Majde, über wie wenig
Rückhalt der Rat in der Bevölkerung des gesamten Ostens verfüge.
Ali Abdul-Aziz al-Isawi, der sogenannte „Außenminister“ des Rates, habe
zwar wie er Wirtschaftswissenschaft an der Garyounes-Universität in Bengasi
studiert und verfolge vielleicht sogar aus seiner Sicht gute Absichten,
aber „letzten Endes ist er doch ein Wendehals, der seit seinem Abgang von
der Universität im Jahre 1989 treu im Dienste des Außenministeriums stand
und sich erst im Februar, zu einem Zeitpunkt, als Bengasi schon befreit
war, auf die Seite der Aufständischen schlug“. Majde befürchtet, dass im
schlimmsten Falle, einer Einnahme Bengasis, sich „Wendehälse“ wie al-Isawi
rechtzeitig ins Ausland absetzen könnten, „die einfache Bevölkerung aber
schutzlos der Rache und dem Zorn al-Gaddafis ausgesetzt sein wird“.
18 Mar 2011
## AUTOREN
Martin Lejeune
## TAGS
Schwerpunkt Deniz Yücel
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