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# taz.de -- Bürgerkrieg in Libyen: Kampf um Abschdabija
> Außenminister Westerwelle lehnt ein Flugverbot über Libyen weiter ab.
> Gaddafi lobte Deutschlands Haltung. Die Führung der Europäischen Union
> ist scharf für ihre Haltung kritisiert worden.
Bild: Rebellen fliehen von Adschdabija in Richtung Bengasi.
TRIPOLIS/NEW YORK dpa/afp | Der belgische Ex-Regierungschef Guy Verhofstadt
hat die Führung der Europäischen Union wegen ihrer Haltung zu Libyen scharf
kritisiert. Bundesaußenminister Guido Westerwelle lehnt die Einrichtung
einer Flugverbotszone in Libyen trotz des stetigen Vormarsches der
Regierungstruppen von Staatschef Muammar Gaddafi in die Rebellengebiete ab.
Der Weltsicherheitsrat wird sich am Mittwoch erneut mit dem von der
Arabischen Liga geforderten Flugverbot für Libyen beschäftigen. Der
libanesische UN-Botschafter Nawaf Salam legte dem Rat am Dienstag
(Ortszeit) den Entwurf für eine entsprechende Resolution vor. Unter den
Ratsmitgliedern ist ein militärisches Eingreifen in den Konflikt
umstritten.
"Es widert mich an, was in der Europäischen Union passiert, diese ganze
Haltung der EU widert mich an", rief der Vorsitzende der Liberalen im
Parlament, der belgische Ex-Regierungschef Guy Verhofstadt. In der
Oppositions-Hochburg Bengasi drohe "ein Massaker", wenn Gaddafis Truppen
auch dort einmarschierten.
"Helfen wir den Aufständischen im Moment, verteidigen wir sie, unterstützen
wir sie mit Waffen oder einer Flugverbotszone und versuchen wir die
Demokratisierung am Leben zu halten?", fragte er. Und antwortete: "Nein,
die EU-Außenbeauftragte (Catherine Ashton) schickt Erkundungsmissionen nach
Tripolis. Das tun wir. Es widert mich an."
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel
Barroso wiesen am Mittwoch in Brüssel die an sie gerichtete Kritik, nichts
für eine Flugverbotszone in Libyen getan zu haben, empört zurück.
Verantwortlich seien die Regierungen.
## Westerwelle bleibt stur
"Wir wollen und dürfen nicht Kriegspartei in einem Bürgerkrieg in
Nordafrika werden", sagte Außenminister Westerwelle am Mittwoch in einer
Regierungserklärung. Das militärische Eingreifen durch die Einrichtung
einer Flugverbotszone werfe mehr Fragen auf, als es beantworte. Die
Alternative sei jedoch nicht Tatenlosigkeit, sondern gezielte Sanktionen.
Deutschland setze sich daher bei den Vereinten Nationen für eine Erhöhung
des politischen Drucks auf das Regime Gaddafis ein.
Zugleich wies Westerwelle die wirtschaftlichen Avancen Gaddafis gegenüber
Deutschland zurück. "Der Diktator muss gehen", sagte er. Die "vergifteten
Freundlichkeiten des Diktators" änderten an dieser Haltung nichts. Zuvor
hatte Gaddafi Deutschlands Position im Gegensatz zu anderen Staaten
ausdrücklich gelobt. Er traue dem Westen nicht mehr, sagte Gaddafi dem
Fernsehsender RTL. Als Konsequenz würden Ölaufträge künftig an Russland,
Indien und China gehen. Er könne sich aber vorstellen, dass Deutschland
möglicherweise weiter Aufträge bekomme. Kritik von Gaddafi erntete dagegen
Frankreich, das gemeinsam mit Großbritannien eine Flugverbotszone fordert.
## Adschdabija unter Dauerbeschuss
Unterdessen haben die Streitkräfte Gaddafis am Mittwoch ihre Offensive
gegen Stellungen der Rebellen im Osten und Westen des Landes fortgesetzt.
Die Stadt Adschdabija im Osten wurden pausenlos beschossen, um die Rebellen
von dort zu vertreiben. Mit der Eroberung der Stadt wäre der Weg frei für
Gaddafis Truppen weiter in den noch von den Rebellen beherrschten Teil des
Landes.
Einwohner der Stadt Misrata berichteten zudem, am Mittwoch seien die
Kommunikationsverbindungen unterbrochen worden und Gaddafis Einheiten
hätten mit dem Beschuss der Stadt begonnen. Misrata ist die letzte von
Aufständischen gehaltene Stadt in der westlichen Hälfte Libyens.
Ein Sprecher der Rebellen warf dem Westen vor, untätig zuzusehen, wie
Gaddafis Einheiten vorrückten. "Die Menschen haben genug. Sie warten
ungeduldig auf internationale Schritte", sagte Sadun al Misrati, ein
Sprecher in der Stadt Misrata. "Gaddafi nutzt das Zögern der
internationalen Gemeinschaft aus. Die Menschen sind sehr wütend, das nichts
gegen Gaddafis Waffenarsenal unternommen wird."
Mit dem Fall von Adschdabija wäre auch der Weg frei für Gaddafis Truppen
auf Bengasi, die zweitgrößte Stadt des Landes und quasi die Hauptstadt der
Rebellen. Die Artillerie der Regierungstruppen beschoss die 140.000
Einwohner zählende Stadt die ganze Nacht hindurch. Dabei gab es kaum
Widerstand der Rebellen. Diese verfügen nur über leichte Waffen, wie einer
der Aufständischen sagte. Viele Menschen sind schon aus der Stadt geflohen.
Verletzte wurden nach Bengasi gebracht.
Auf den Websites der Aufständischen hieß es, eine Einheit der
Regierungstruppen habe sich in der Stadt Tobruk den Rebellen ergeben. Die
Soldaten hätten den Befehl gehabt, die libysch-ägyptische Grenze unter ihre
Kontrolle zu bringen.
## UN-Sicherheitsrat berät über Flugverbotszone
Großbritannien, Frankreich und die arabischen Staaten drängen im
UN-Sicherheitsrat weiter auf eine Flugverbotszone über Libyen. Am Mittwoch
sollte in dem Gremium über einen neuen Resolutionsentwurf der beiden
europäische Staaten und des Libanon beraten werden, der nach Angaben von
Diplomaten "alle Flüge" über Libyen verbieten und "alle notwendigen Mittel,
um dies durchzusetzen" erlauben sollte. Nach Angaben des britischen
UN-Botschafters Mark Lyall Grant sollte am Mittwoch die Resolution
"Paragraph nach Paragraph" beraten werden, Diplomaten rechneten aber nicht
vor Donnerstag mit einer Abstimmung.
Der erste Teil des Resolutionsentwurfs, in dem die Flugverbotszone
gefordert wird, stammt vom Libanon. Das Land agiert im UN-Sicherheitsrat
als Vertreter der Arabischen Liga, die bereits am Samstag eine
Flugverbotszone über Libyen gefordert hatte. Der zweite Teil des
Resolutionsentwurfs wurde von Großbritannien und Frankreich geschrieben,
dabei geht es um härtere Sanktionen gegen Machthaber Muammar el Gaddafi und
sein Umfeld. Im UN-Sicherheitsrat gelten vor allem China und Russland als
Gegner einer Flugverbotszone. Aber auch die USA und Deutschland haben sich
skeptisch gezeigt.
Allerdings hatte auch Frankreichs Außenminister Alain Juppé am Dienstag
gesagt, er halte die Forderung nach einer Flugverbotszone inzwischen für
"überholt". Damit lasse sich Gaddafis Vormarsch nicht mehr stoppen. Dennoch
müsse gegebenenfalls weiter um eine Flugverbotszone gerungen werden. Die
Außenminister der größten Industriestaaten (G-8) hatten sich zuvor bei
einem Treffen in Paris nicht auf eine Flugverbotszone einigen können.
## Gaddafi finanzierte Sarkozys Wahlkampf
Die libysche Führung hat nach Darstellung des Clans von Machthaber Muammar
el Gaddafi den Wahlkampf des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy
finanziert. "Wir waren es, die seinen Wahlkampf finanziert haben, und wir
haben Beweise dafür", sagte Gaddafis Sohn Seif el Islam am Mittwoch im
Fernsehsender Euronews. Libyen habe sich davon französische Hilfe für die
Bevölkerung versprochen, "aber wir sind enttäuscht worden". Sarkozy hatte
sich in der vergangenen Woche als erster Staatschef offen auf die Seite der
libyschen Opposition gestellt, die er als "rechtmäßige" Vertretung des
Landes anerkannte.
Er werde seine Beweise wie Kontonummern und Überweisungsformulare
"demnächst" offenlegen, kündigte Seif el Islam an. "Das erste, was wir von
diesem Clown verlangen, ist, dass er dem libyschen Volk sein Geld
zurückgibt." Das französische Präsidialamt wies die Anschuldigungen zurück.
## Gaddafis Sohn schimpft auf die Rebellen
Gaddafis Sohn Saif al-Islam behauptete derweil in einem Interview mit dem
TV-Sender Euronews, die Regierungstruppen stünden kurz davor, das gesamte
Land wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Sturm auf die Stadt
Bengasi stehe bald bevor. Den Regimegegnern, die er "Verräter" nannte, riet
er, mit ihren Familien nach Ägypten auszuwandern: "Wir wollen niemanden
töten, wir wollen keine Rache, sie sollen gehen."
Der Sohn von Oberst Gaddafi schimpfte auch auf den französischen
Präsidenten Nicolas Sarkozy. Er nannte ihn "einen Clown, dessen Wahlkampf
Libyen finanziert hat". Gaddafi selbst sagte in der Nacht vor Anhängern in
Tripolis, er werde die libyschen Öl-Reserven gegen Frankreich,
Großbritannien und die USA verteidigen. Diese Länder wollten Libyen
ausbeuten, so wie einst die Kolonialmächte.
16 Mar 2011
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