# taz.de -- Gaddafis Geschäfte: Von Coca-Cola bis Juventus Turin | |
> Banken, Medien, Autos - in vielen westlichen Firmen steckt Kapital aus | |
> Libyen. Die öffentlichen Staatskassen sind nicht von denen des | |
> Gaddafi-Clans getrennt. | |
Bild: Gerade mit Italien hat Muammar al-Gaddafi gern Geschäfte gemacht: Besuch… | |
BERLIN taz | Auf umgerechnet 57 bis 107 Milliarden Euro schätzen libysche | |
Oppositionelle der Nachrichtenagentur dpa zufolge das Vermögen der Familie | |
Gaddafi. Wie viel es genau ist, weiß niemand zu sagen. Denn in Libyen | |
werden die öffentlichen Staatskassen nicht vom privaten Vermögen der | |
Gaddafis getrennt. | |
Der britische Nahostexperte Tim Niblock stellte kürzlich in der | |
Tageszeitung Guardian fest, dass eine "Lücke von mehreren Milliarden | |
Dollar" in den Bilanzen klaffe, wenn man die Ausgaben des libyschen Staats | |
mit dessen Einnahmen aus dem Erdöl- und Gasgeschäft vergleiche. Niblock | |
geht davon aus, dass die Summen, die nicht vom Staat wieder ausgegeben | |
werden, in die Tasche der Gaddafis fließen. | |
Jedenfalls kontrolliert der Gaddafi-Clan nicht nur das Ölgeschäft, sondern | |
auch weitere Bereiche der libyschen Wirtschaft, vom Coca-Cola-Vertrieb bis | |
zur Telekommunikation. Ende Februar wurden in der EU, den USA und weiteren | |
Staaten die Konten Gaddafis und 24 seiner Familienangehörigen und | |
Vertrauten eingefroren. Mehrere Staaten, darunter Großbritannien, Luxemburg | |
und Österreich, meldeten seither gesperrt zu haben. Nun soll auch das | |
Vermögen libyscher Firmen gesperrt werden. | |
Das Problem: Das meiste Geld der Gaddafis liegt nicht auf leicht | |
auffindbaren Auslandskonten. Vielmehr haben sie es, insbesondere nachdem | |
die USA im Mai 2006 Libyen von ihrer Terrorliste gestrichen hatte, | |
geschickt in einem unübersichtlichen Netz von Unternehmensbeteiligungen | |
verteilt. | |
So meldet Die Presse aus Wien unter Berufung auf einen ehemaligen | |
Gaddafi-Vertrauten, dass sich das Familienvermögen allein in Österreich auf | |
etwa 22 Milliarden Euro belaufe - deutlich mehr als die 1,2 Milliarden | |
Euro, die die österreichische Nationalbank bislang identifizieren und | |
einfrieren konnte. | |
Die Gaddafis hätten ihr Vermögen in etwa 800 Beteiligungen in 73 Ländern | |
angelegt, so der Insider weiter, meist über diverse Stiftungen. Selbst | |
seien Gaddafi und seine acht Kinder dabei nicht in Erscheinung getreten. | |
Die Clearingstelle für die Investitionen sei in Luxemburg. | |
Mit den Tankstellenketten Tamoil und HEM ist Libyen auch am deutschen Markt | |
aktiv, allerdings ganz offen. Die fast 400 Tankstellen gehören ebenso wie | |
die Holborn Europa Raffinerie in Hamburg der in den Niederlanden | |
registrierten Firma Oilinvest, die auch Tankstellen und Raffinerien in | |
Italien und in der Schweiz betreibt. Oilinvest ist zu 100 Prozent in Besitz | |
des Staatsfonds Libyan Investment Authority (LIA). | |
Der im Jahr 2006 gegründete Staatsfonds ist formell unabhängig, wird aber | |
de facto wird von Gaddafi kontrolliert. Das Vermögen der LIA wird auf 50 | |
Milliarden Euro geschätzt; seit ihrer Gründung kaufte sich der Fonds in | |
zahlreiche westliche Unternehmen ein. So erwarb die LIA im vergangenen Jahr | |
3 Prozent am Medienunternehmen Pearson, das auch die Financial Times | |
herausgibt. | |
Wie aus den von Wikileaks veröffentlichten US-Botschaftsdepeschen | |
hervorgeht, hat die LIA 23 Milliarden Euro bei verschiedenen US-Banken | |
angelegt. Noch wichtiger für die libyschen Auslandsgeschäfte sind | |
Großbritannien, wo über 40 Milliarden Euro angelegt sein sollen - und die | |
ehemalige Kolonialmacht Italien. | |
Dort stieg Libyen bereits in den siebziger Jahren bei Fiat ein, als der | |
damals angeschlagene Autokonzern dringend Geld brauchte. Zuletzt betrug der | |
Anteil an Fiat 2,6 Prozent. Ein anderes prominentes italienisches | |
Unternehmen, an dem Libyen Anteile hält, ist der Fußballklub Juventus | |
Turin. Im Jahr 2002 erwarb die Libyan Arab Foreign Investment Company | |
(Lafico) für 22,9 Millionen Euro 7,5 Prozent der Anteile am italienischen | |
Rekordmeister; Gaddafis zweiter Sohn, der ehemalige Profifußballer | |
al-Saadi, gehörte eine Zeitlang dem Juventus-Präsidium an. | |
Die libyschen Beteiligungen in Italien reichen darüber hinaus von der | |
Mailänder Bank Unicredit (2,6 Prozent) und dem römischen Rüstungskonzern | |
Finmeccanica (2 Prozent) über das Mailänder Telekommunikationsunternehmen | |
Retelit (15 Prozent) und der Textilfirma Olcese (22 Prozent) bis zu | |
kleineren Beteiligungen am Energieriesen ENI oder an der Telekom Italia. | |
In Italien findet sich auch eine von zwei bekannten Investitionen, an denen | |
Gaddafi persönlich beteiligt war: 15,7 Millionen Euro investierte er in | |
eine Hotelanlage im mittelitalienischen L'Aquila. In der von einem Erdbeben | |
zerstörten Stadt hatte Silvio Berlusconi im Sommer 2009 den G-8-Gipfel | |
abgehalten, an dem auch Gaddafi teilnahm. Eine Schlüsselrolle bei den | |
Geschäften in Italien nimmt die in Rom ansässige libysche Bank UBAE ein. | |
Am Dienstag einigte die Europäische Union sich darauf, das Vermögen einer | |
Reihe von libyschen Finanzunternehmen einzufrieren. Betroffen sind die LIA | |
und vier weitere Institutionen. Die Sanktionen werden voraussichtlich am | |
Freitag in Kraft treten. Zuvor hatte schon die US-Regierung LIA-Besitz in | |
Höhe von insgesamt 23 Milliarden Euro eingefroren. | |
9 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Nicola Liebert | |
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