# taz.de -- Haltung des Westens zu Libyen: Sarkozy geht voran | |
> Frankreich erkennt den oppositionellen Nationalrat als Vertreter Libyens | |
> an. Angeblich will Präsident Nicolas Sarkozy die EU-Partner von | |
> Luftschlägen überzeugen. | |
Bild: Nicolas Sarkozy empfing Mahmoud Jebril und Ali Essawi vom libyschen Natio… | |
PARIS taz | Als erster Staat hat Frankreich den oppositionellen Nationalrat | |
als "alleinige und rechtmäßige Vertretung des libyschen Volkes" anerkannt, | |
wie das Präsidialamt am Donnerstagvormittag mitteilte. Auf dem EU-Gipfel am | |
Freitag in Brüssel werde Staatspräsident Nicolas Sarkozy einen Hilfsplan | |
für das libysche Volk vorstellen, hieß es weiter. Details wurden nicht | |
genannt. | |
Am Nachmittag vermeldete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf | |
"Sarkozys Umfeld", dass der französische Präsident die EU-Partner davon | |
überzeugen wolle, gezielte Luftangriffen auf libysche Ziele durchzuführen | |
und die Kommandostrukturen der Gaddafi-Truppen außer Kraft zu setzen. Das | |
Präsidialamt wollte dies zunächst nicht bestätigen. "So weit sind wir noch | |
nicht", hieß es. | |
Zuvor hatte Sarkozy mit Mahmud Dschibril und Ali Essawi zwei Vertreter des | |
Nationalrats empfangen. Essawi erklärte danach, dass die französische | |
Regierung in den nächsten Tagen einen Botschafter nach Bengasi entsenden | |
werde. Der Nationalrat werde seinerseits einen Vertreter nach Paris | |
schicken und die dortige Botschaft wieder eröffnen, die Ende Februar nach | |
einer Besetzung durch Gaddafi-Gegnern geschlossen worden war. Libyens | |
bisheriger Botschafter in Frankreich und sein Kollege bei der Unesco | |
verkündeten bei dieser Gelegenheit ihren Rücktritt. | |
Demonstrativ herzlich fiel der Händedruck beim Abschied der beiden Emissäre | |
aus. Schließlich hat die französische Regierung in den vergangenen Wochen | |
viel Prestige verloren: Erst bot die damalige Außenministerin Michèle | |
Alliot-Marie dem tunesischen Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali vier Tage | |
vor dessen Flucht Polizeihilfe an, dann wurde bekannt, dass Premierminister | |
François Fillon als privater Gast von Husni Mubarak in Ägypten Urlaub | |
gemacht hatte. | |
Auch Sarkozy selbst hat etwas gutzumachen: Noch Ende 2007 empfing er mit | |
viel Pomp Gaddafi als großen Freund und Partner in Paris. In den letzten | |
Tagen forderte er nun mehrfach öffentlich Gaddafis Rücktritt und brachte | |
eine mögliche Sperre des libyschen Luftraums durch die Nato oder die EU ins | |
Gespräch. Frankreich will offenbar zusammen mit Großbritannien eine klare | |
UN-Resolution bewirken, die gemäß Kapitel VII der UN-Charta eine | |
militärische Intervention legitimieren würde. | |
Mit seiner offiziellen Anerkennung der libyschen Gegenregierung setzt | |
Sarkozy die Partner unter Druck. Für Freitag sind in Brüssel ein Treffen | |
der Nato-Verteidigungsminister sowie ein Sondergipfel der EU anberaumt. | |
Sein Vorpreschen steht in einem klaren Kontrast zur bisherigen | |
Zurückhaltung der EU. Diese will Sarkozy in Frage stellen, ohne deswegen | |
die außenpolitische Vertreterin der EU allzu scharf zu kritisieren: "Cathy | |
Ashton hat ihre Position, wir haben die unsrige, die ein wenig weiter | |
geht." | |
Ashton hatte es nach einem Treffen mit den beiden Entsandten aus Bengasi am | |
Mittwoch in Straßburg abgelehnt, den Nationalrat als alleinige Vertretung | |
Libyens anzuerkennen. Der Präsident des Europaparlaments, Jerzy Buzek, | |
bezeichnete die Emissäre als Vertreter der libyschen "Gesellschaft", | |
brachte aber die Hoffnung zu Ausdruck, dass sie bald zu "offiziellen" | |
Gesprächspartnern der EU werden könnten. Beim Treffen der EU-Außen- und | |
-Verteidigungsminister am Donnerstag erklärte der neue französische | |
Außenminister Alain Juppé, Gaddafi habe sich diskreditiert und müsse gehen. | |
Er äußerte sich nicht zur Frage einer Luftraumsperre, meinte aber, es | |
bestehe Einigkeit in der Frage der Dringlichkeit der humanitären Hilfe für | |
die libysche Bevölkerung. | |
Auf libyschem Staatsgebiet nahm Spanien als eines der ersten europäischen | |
Länder Kontakt zu den Aufständischen auf. Der spanische Emissär sei mit dem | |
Vorsitzenden des Nationalrats, Mustafa Abdul Dschalil, zusammengekommen, | |
meldete die Zeitung El País. Noch in dieser Woche sollen die neuen | |
EU-Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime in Kraft treten. | |
10 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Intervention in Libyen: Kriegsschiffe und hohle Worte | |
Einig sind sich EU und Nato nur über Maßnahmen, die zunächst nichts | |
bewirken. Ganze 20 Tage würde es dauern, um eine Flugverbotszone | |
vorzubereiten. | |
Arabische Staaten und Libyen: Zu sehr mit sich selbst beschäftigt | |
Die arabischen Regierungen sind sich in Sachen Libyen nicht einig. Die | |
einen sind dabei, Proteste abzuwehren, die anderen müssen sich erstmal neu | |
sortieren. | |
Bürgerkrieg in Libyen: EU fordert Gaddafis Rücktritt | |
Die EU will Gaddafis Rücktritt, zur Not mit militärischer Gewalt, sagt der | |
belgische Ministerpräsident. Ras Lanuf wurde den ganzen Tag umkämpft, sie | |
soll jetzt wieder in Rebellenhand sein. | |
Kommentar EU und Libyen: Sarkozy überragt Westerwelle | |
Die Anerkennung der libyschen Rebellenregierung dient Sarkozy vor allem um | |
sein eigenes Image aufzupolieren. Aber Europa muss eine eindeutige Position | |
einnehmen. | |
Bürgerkrieg in Libyen: Rebellen flüchten aus Ras Lanuf | |
Hunderte von Rebellen fliehen aus der Ölstadt, nachdem Gaddafis Truppen | |
immer weiter vordringen. Die Nato will bei ihrem Gipfel zu Libyen noch | |
keine konkreteren Entscheidungen treffen. | |
Gaddafis Geschäfte: Von Coca-Cola bis Juventus Turin | |
Banken, Medien, Autos - in vielen westlichen Firmen steckt Kapital aus | |
Libyen. Die öffentlichen Staatskassen sind nicht von denen des | |
Gaddafi-Clans getrennt. | |
Sperrung von Diktatoren-Konten: Europa, eine ziemlich sichere Bank | |
Immer wieder werden Konten ausländischer Diktatoren gesperrt. Manchmal geht | |
es sogar schnell. Doch meist dauert es lange, bis die EU tätig wird. | |
Kommentar Nato und Libyen: Gegen Gaddafi in den Krieg ziehen? | |
Gerade wird wieder einmal so getan, als würde jede Mission der Nato | |
automatisch zum Erfolg führen. Dass daraus oft ein Krieg wird, ist hingegen | |
kein Thema. |