# taz.de -- Bürgerkrieg in Libyen: Rebellen flüchten aus Ras Lanuf | |
> Hunderte von Rebellen fliehen aus der Ölstadt, nachdem Gaddafis Truppen | |
> immer weiter vordringen. Die Nato will bei ihrem Gipfel zu Libyen noch | |
> keine konkreteren Entscheidungen treffen. | |
Bild: "Wir sind besiegt", sagte ein Rebell in Ras Lanuf. | |
BERLIN/LONDON/BRÜSSEL dpa/dapd/afp | Truppen des libyschen Machthaber | |
Muammar Gaddafi sind am Donnerstag weiter auf den wichtigen Ölhafen Ras | |
Lanuf vorgerückt. Hunderte der nur leicht bewaffneten Kämpfer der | |
Opposition flohen vor den Panzern der Gaddafi-Einheiten in ihren Fahrzeugen | |
nach Osten. Panzer- und Artilleriegranaten trafen Gebäude der Stadt. | |
Granaten schlugen auch in der Nähe eines Krankenhauses ein. Die Panzer der | |
Gaddafi-Einheiten rückten entlang einer Straße am Mittelmeer vor. Ein | |
Aufständischer sagte laut BBC: "Wir sind besiegt. Sie schießen und wir | |
laufen davon. Das bedeutet, sie nehmen Ras Lanuf ein." | |
Die Nato hat noch keine weiteren Entscheidungen zu Libyen getroffen. Die EU | |
hingegen beschloss, dass die neuen Sanktionen gegen das Regime noch in | |
dieser Woche in Kraft treten sollen. Frankreich hat als erstes Land den | |
oppositionellen Nationalrat als Vertretung Libyens anerkannt und | |
Deutschland sperrte die Konten der libyschen Notenbank und des libyschen | |
Staatsfonds bei deutschen Kreditinstituten. Der britische Nachrichtensender | |
BBC berichtete, drei ihrer Reporter seien in Libyen gefangengenommen und | |
geschlagen worden. | |
## Nato will noch nicht entscheiden | |
Die Nato will derzeit keine konkreten Entscheidungen zu Libyen treffen. Das | |
machte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Donnerstag zum Auftakt | |
des Verteidigungsministertreffens der Allianz in Brüssel deutlich. Zugleich | |
wurde die Überwachung des Luft- und Seeraumes durch AWACS-Flugzeuge | |
verstärkt, die jetzt in der Region rund um die Uhr im Einsatz sind. | |
Auf dem zweitägigen Treffen im Brüsseler Nato-Hauptquartier werden mögliche | |
militärische Maßnahmen gegen Gaddafi beraten. Nach Angaben des | |
Nato-Generalsekretärs werden derzeit im Bündnis verschiedene Optionen | |
erarbeitet. Das seien aber keine Vorbereitungen für einen Einsatz, sondern | |
"Planungen für Eventualitäten". | |
Rasmussen stellte zugleich klar, dass alle Militäreinsätze der Nato an drei | |
Bedingungen gebunden seien: ein Mandat des UN-Sicherheitsrates, eine | |
unbedingte Notwendigkeit für solche Operationen und eine Zustimmung der | |
Länder der Region. | |
## EU-Sanktionen noch diese Woche gültig | |
Der Rat der Europäischen Union schloss am Donnerstag das schriftliche | |
Beschlussverfahren zu Sanktionen gegen Libyen ab, wie die ungarische | |
Ratspräsidentschaft in Brüssel mitteilte. Die Sanktionen können demnach | |
bereits an diesem Freitag im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden und | |
Gültigkeit erlangen. Die neuen Druckmittel sehen unter anderem vor, die | |
Vermögen von fünf libyschen Finanzunternehmen einzufrieren. | |
Zuvor hatten Deutschland und Großbritannien in einem Schreiben an die | |
EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton härtere Sanktionen gegen Libyen | |
gefordert. Unmittelbar vor Sitzungen der Nato-Verteidigungsminister und der | |
EU-Außenminister in Brüssel schrieben die Außenminister Guido Westerwelle | |
und William Hague, die EU müsse in dem Konflikt geschlossen auftreten. | |
Gaddafi müsse zurücktreten, um einen echten demokratischen Wandel des | |
Landes möglich zu machen. Nach Informationen von BBC ist mit der | |
Aufforderung allerdings nicht der Abbruch von diplomatischen Beziehungen | |
verbunden. Es gehe erst einmal um Maßnahmen, Gaddafi weiter zu isolieren. | |
## Gesandter Gaddafis in Portugal | |
Ein Gesandter Gaddafis hat der Regierung von Portugal nach Medienberichten | |
versichert, dass Libyen zu Verhandlungen über eine Übergangsphase in dem | |
Krisenland bereit sei. Das berichtete die portugiesische Zeitung Público am | |
Donnerstag unter Berufung auf ranghohe diplomatische Kreise in Lissabon. | |
Portugals Außenminister Luis Amado, der sich am Mittwochabend in Lissabon | |
mit dem Gesandten getroffen hatte, erklärte unterdessen am Donnerstag, er | |
habe Gaddafis Vertrautem die "deutliche Botschaft übermittelt, dass | |
Gaddafis Regime zu Ende" sei. Im Gespräch mit der portugiesischen | |
Nachrichtenagentur Lusa in Brüssel fügte Amado an, neben dem "informellen | |
Treffen" mit Gaddafis Gesandten habe er auch Gespräche mit Vertretern der | |
libyschen Opposition geführt. | |
## Scheinhinrichtung dreier BBC-Reporter | |
Drei Journalisten der britischen BBC sind während ihrer Berichterstattung | |
über die Ereignisse in Libyen von Soldaten des Landes "festgenommen und | |
geschlagen worden". Wie der Sender am Mittwoch weiter mitteilte, wurden sie | |
auch einer Scheinhinrichtung ausgesetzt. Das britische Außenministerium | |
verurteilte die Tat scharf. | |
Die drei Reporter waren am Montag an einem Kontrollposten zehn Kilometer | |
südlich der umkämpften Stadt Sawija von libyschen Soldaten festgenommen, zu | |
einer Kaserne gebracht und erst 21 Stunden später freigelassen worden. "Sie | |
schlugen mich mit einem Stock, sie setzten ihre Armeestiefel und ihre Knie | |
gegen mich ein", sagte einer der drei freigelassenen Journalisten, der aus | |
Palästina stammende Feras Killani. Killani und seine beiden Kollegen, der | |
Brite Chris Cobb-Smith und der Türke Goktay Koraltan, befanden sich am | |
Mittwoch nicht mehr in Libyen. | |
Die BBC verurteilte das Vorgehen gegen ihre Journalisten und forderte die | |
libysche Regierung auf, eine freie Berichterstattung für alle Medien zu | |
gewährleisten. Im Übrigen werde der Sender weiter aus Libyen berichten. Das | |
britische Außenministerium verurteilte die "abscheuliche Behandlung" des | |
BBC-Teams. Die libysche Führung habe Journalisten in das Land eingeladen, | |
um die Wahrheit zu sehen. Diese sei nun auf eklatante Weise sichtbar | |
geworden. | |
## Frankreich erkennt Nationalrat an | |
Frankreich erkennt als erstes Land den oppositionellen Nationalrat als | |
"rechtmäßigen Vertreter" Libyens an. Die französische Regierung werde | |
demnächst einen Botschafter nach Bengasi schicken, wo der Nationalrat | |
seinen Sitz hat, teilte das Präsidialamt in Paris am Donnerstag mit. | |
Präsident Nicolas Sarkozy hatte zuvor als erster Staatschef zwei Vertreter | |
des libyschen Nationalrates empfangen. | |
Libyen erwägt als Reaktion auf Anerkennung des Rebellenrats durch | |
Frankreich den Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Das erklärte das | |
Außenministerium in Tripolis. | |
Der Nationalrat wurde von Rebellen in Bengasi gegründet und hat sich zum | |
alleinigen legitimen Vertreter des libyschen Volkes erklärt. Die | |
EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatte am Mittwoch eine Anerkennung des | |
Nationalrates als einzig rechtmäßige Autorität des Landes zunächst | |
abgelehnt. In Brüssel sollten am Donnerstag die EU-Außenminister und die | |
NATO-Verteidigungsminister über die Unruhen in Libyen beraten. | |
## | |
Deutschland sperrt die Konten der libyschen Notenbank und des libyschen | |
Staatsfonds bei deutschen Kreditinstituten. Entsprechende Verfügungsverbote | |
über Gelder libyscher Finanzeinrichtungen hat nach Informationen der | |
Nachrichtenagentur dpa Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erteilt. | |
Betroffen seien 14 Kreditinstitute mit Sitz in Deutschland sowie die | |
Deutsche Bundesbank, wie am Donnerstag aus Regierungskreisen in Berlin | |
weiter verlautete. | |
Betroffen von den Maßnahmen seien unter anderem die libysche Zentralbank, | |
die Libyan Foreign Bank, der etwa 70 Milliarden US-Dollar umfassende | |
Staatsfonds Libyan Investment Authority (LIA) sowie das Libya Africa | |
Investment Portfolio. Insgesamt wurden den Angaben zufolge 193 Konten | |
dieser Organisationen bei deutschen Kreditinstituten gesperrt. Hinzu komme | |
ein Konto der libyschen Zentralbank bei der Deutschen Bundesbank. | |
## | |
## | |
Etwa 10.000 vietnamesische Gastarbeiter sind sicher aus Libyen evakuiert | |
worden. Der letzte von zehn Flügen traf am späten Mittwochabend in der | |
Hauptstadt Hanoi ein, wie die staatliche Nachrichtenagentur am Donnerstag | |
meldete. An Bord waren 209 Gastarbeiter. Damit wurden insgesamt 8.728 | |
Vietnamesen aus Libyen ausgeflogen, etwa 1.000 verließen das Unruheland mit | |
Booten. Die meisten waren dort als Bauarbeiter tätig, 5.000 von ihnen in | |
der Hauptstadt Tripolis. | |
10 Mar 2011 | |
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