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# taz.de -- Flugverbotszone über Libyen: "Intervention wäre Fehler"
> Die Folgen eines Eingreifens in Libyen sind schwer zu kalkulieren. Sie
> wären jedenfalls weitreichend, warnt Thinktank-Präsidentin Jessica
> Mathwes im taz-Interview.
Bild: "Mit einer Flugverbotszone wecken wir Erwartungen."
taz: Frau Mathews, in Washington mehren sich die Stimmen für die
Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen. Was sagen Sie dazu?
Jessica Mathews: Für die USA wäre es ein Fehler, militärisch zu
intervenieren. Ein solcher Einsatz wird unterschätzt. No-fly zone bedeutet:
Wenn wir drin sind, sind wir drin.
Meinen Sie, dass die Einrichtung einer Flugverbotszone nicht ausreichen
würde, das Problem zu lösen?
Bis jetzt ist die Luftwaffe in Libyen nicht entscheidend, sie ist nicht
einmal ein wichtiger Faktor bei den Kämpfen. Und es gibt vorerst keinen
Anlass zu vermuten, dass eine no-fly zone den Ausgang beeinflussen würde.
Damit stellt sich die nächste Frage: Was kommt danach?
Was könnte denn nach der no-fly zone kommen?
Solange wir keine sehr klare Vorstellung davon haben, welchen Schritt wir
anschließend machen, sollten wir den ersten Schritt nicht tun. Wir müssen
vorher klären: Wollen wir eine Fahrverbotszone schaffen? Wollen wir
Bodentruppen entsenden? Gerade bei einem Einsatz aufgrund von einem
moralischen Bekenntnis ist es sehr schwer, anschließend eine Linie zu
ziehen, und stopp zu sagen. Zugleich wecken wir Erwartungen anderswo.
An welche Länder denken Sie?
Da gibt es eine ganze Reihe: Ägypten auf jeden Fall, Saudi-Arabien, Iran,
vermutlich Syrien, vielleicht, wegen al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel,
Jemen. In all diesen Ländern ist das nationale Interesse der USA größer als
in Libyen.
Was meinen Sie mit nationalem Interesse? Öl? Terror?
Eine Mischung. In Saudi-Arabien ist die Ölproduktion zentral - nicht nur
für die USA, sondern für die Welt. Unruhen dort, die die Ölproduktion
berühren würden, hätten einen sofortigen und gigantischen Einfluss auf die
Ölpreise. Ägypten hat wieder seinen Platz im Herzen der arabischen Welt
eingenommen, und der Fortschritt und der Erfolg der Leute in Ägypten haben
enorme Auswirkungen auf die Zukunft der Region. Syrien ist entscheidend für
die Möglichkeit eines israelisch-arabischen Friedens. Jemen stellt nach
Ansicht amerikanischer Geheimdienstexperten die größte Terrorismusbedrohung
für uns dar.
Wäre Ihre Meinung anders, wenn die Vereinten Nationen sich für die
Einrichtung eines Flugverbots aussprächen?
Das ist ein zentrales Element. Wir sollten es nicht ohne eine sehr breite
und ausdrückliche internationale Unterstützung tun. Aber vor allen Dingen
müssen die USA das selbst durchdenken. Es mag einfach sein und schnell.
Aber es kann auch anders kommen: mit abgeschossenen Flugzeugen, Piloten,
die als Geiseln genommen werden. Und es kann sein, dass wir anschließend zu
einem langwierigen Engagement in Libyen verpflichtet wären.
Sie meinen, auch nach dem Ende der Kämpfe?
Es handelt sich um ein Land, das schlechterdings keine politischen
Institutionen hat. Wir würden uns auf etwas einlassen, von dem wir nur
unglaublich wenig wissen. Die Opposition. Die 140 Stämme. Und die Frage,
wer tatsächlich gegen Gaddafi ist. Und mit wem wir zusammenarbeiten würden.
Es wäre beinahe so, wie blindlings in eine sehr komplizierte Situation
hineinzugehen. Und es würde, wenn wir nach Libyen reingingen, aber nicht
woanders, für das Erzählmuster sorgen: Das tun sie nur, weil Libyen Öl hat.
Aus Ägypten und Tunesien kam kein Ruf nach Intervention.
Was in Tunesien und in Ägypten geschehen ist, hat nichts mit den USA zu
tun. Ganz im Gegenteil: Die Tunesier und die Ägypter haben ihre eigenen
Regierungen verantwortlich gemacht. Es ging nicht um Ideologie - nicht um
die alte Geschichte vom westlichen Imperialismus oder um die islamistische
Behauptung, der Westen sei für das Elend der Araber verantwortlich -
sondern um Staatsführung, um individuelle Freiheit und um Würde. Das ist
von historischer Bedeutung. Und das ist zugleich einer der wichtigsten
Gründe, weshalb wir aus Libyen herausbleiben sollten, wenn wir können.
Auch Rebellen - aus dem Inneren von Libyen - verlangen eine no-fly zone.
Nehmen Sie diese Stimmen nicht ernst?
Da findet ein verzweifelter Bürgerkrieg statt. Wir müssen solche Hilferufe
ernst nehmen. Aber sie sind nur einer von mehreren Faktoren für unsere
Entscheidung. Letztlich müssen wir sie auf der Grundlage von nationalem
Interesse und einer sorgfältigen Analyse fällen.
Sehen Sie keine moralische Verpflichtung, die Protestbewegungen zu
unterstützen?
Dies ist nicht wie 1991 im Irak. Die USA haben nicht gesagt: Geht, macht
demokratische Revolutionen! Der Präsident hat Ideen unterstützt. Aber ich
sehe nicht, dass wir eine Verantwortung für dies hier haben.
Gaddafis Truppen töten täglich in Libyen. Welche Alternative zu
Flugverbotszone und Nichtstun sehen Sie, um den Opfern zu helfen?
Wir tun eine ganze Menge. Wir bringen Verhandlungen voran, um einen Weg zu
finden, Gaddafi da rauszukriegen. Wir bereiten - und das ist richtig - die
Einrichtung einer no-fly zone und mehr vor. Wir suchen einen
internationalen Konsens. Wir machen die Aktiva des Regimes ausfindig und
frieren sie ein, beziehungsweise drohen damit. Und wir versuchen, die
Nachricht auszusenden, dass Gaddafi auf der falschen Seite der Geschichte
steht. Und international isoliert ist. Präsident Obama hat mehrfach
erklärt, dass jene, die mitmachen, dafür Rechenschaft ablegen müssen.
Glauben Sie, dass die Gaddafis - Vater und Söhne - noch empfänglich für
solche Botschaften sind?
Gaddafis Denken können wir vermutlich nicht beeinflussen. Aber wir richten
uns an die Leute um ihn herum. Die Militärs und die Reste seiner Regierung.
Die überlegen, wohin sie noch gehen können, um ihren unrechtmäßig
angehäuften Besitz zu genießen. An sie geht die Aufforderung: Denkt nach! -
Diese Sache wird mit Überläufern verloren. Oder gewonnen.
11 Mar 2011
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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