# taz.de -- Intervention in Libyen: Kriegserklärung ohne Waffen | |
> Nato und EU beschäftigen sich auf Sondergipfeln mit Libyen. Neue scharfe | |
> Wirtschaftssanktionen sind wahrscheinlicher als militärische Maßnahmen. | |
Bild: Zu Zurückhaltung gezwungen: Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. | |
BRÜSSEL taz | Wenn am Donnerstag die Nato-Außenminister in Brüssel | |
zusammentreffen, werden voraussichtlich Großbritannien und Frankreich den | |
Vorschlag einer Flugverbotszone unterbreiten. Diese soll Libyens Luftwaffe | |
daran hindern, Rebellen und Zivilisten zu bombardieren. Doch falls ein | |
solcher Plan angenommen und dann dem UN-Sicherheitsrat unterbreitet werden | |
sollte, ist mit einem Veto Russlands zu rechnen. | |
Nicht nur deswegen ist unsicher, dass die Nato den britisch-französischen | |
Plan annimmt. Auch die USA zögern. Laut einem Bericht der New York Times | |
hält sich die US-Regierung "alle Optionen offen", also auch | |
Waffenlieferungen an die libyschen Rebellen und eine Störung des | |
Kommunikationssystems des Machthabers Muammar al-Gaddafi, zwei weniger | |
direkte Formen des Eingreifens. Italien ist noch zurückhaltender. | |
Der italienische Außenminister Franco Frattini sagte am Montag in einem | |
Interview: "Die Idee, italienische Militärflugzeuge auf libyschem Boden | |
einzusetzen, ist sehr schwierig." Dass Italien einer solchen Nato-Operation | |
Militärbasen zur Verfügung stelle, setze ein Mandat des UN-Sicherheitsrates | |
voraus. Und der türkische Premierminister Recep Erdogan hat eindeutig | |
gesagt: "Die Nato hat in Libyen nichts zu suchen." | |
So blieb dem aus Dänemark stammenden Nato-Generalsekretär Anders Fogh | |
Rasmussen im Vorfeld des Treffens nichts anderes übrig, als zu erklären, | |
die Nato habe "keine Absicht, in Libyen zu intervenieren". Er fügte dennoch | |
hinzu, die Nato habe "als Verteidigungsbündnis" die "Aufgabe", jetzt | |
"vorausschauende Planungen für jede Eventualität" vorzunehmen. Eine | |
Flugverbotszone sei "komplex" und erfordere "eine breite Palette | |
militärischer Mittel" sowie ein UN-Mandat. Im vergangenen Jahrhundert hatte | |
die Nato weniger Skrupel mit Flugverbotszonen, beispielsweise in Bosnien. | |
Die EU hat sich vor ihrem für Freitag geplanten Sondergipfel nur mühsam zu | |
einer Position durchgerungen. "Ich glaube nicht, dass ich oder sonstwer das | |
Recht hat, in Gaddafis Position einzugreifen", sagte der aus Malta | |
stammende EU-Gesundheitskommissar John Dalli noch letzte Woche. Damit war | |
er der Position Moskaus näher als der seines eigenen Chefs, | |
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Dalli hat sich inzwischen | |
entschuldigen müssen. Aber in Brüsseler Fluren erinnert man sich, dass | |
Dalli ein Haus und eine Glasfabrik in Libyens Hauptstadt Tripolis besaß, | |
als er 2009 EU-Kommissar wurde. | |
## EU erweitert Sanktionen | |
Am Dienstag einigten sich die EU-Staaten allerdings auf einen von | |
Bundesaußenminister Guido Westerwelle vorgelegten Vorschlag, die | |
bestehenden Sanktionen gegen Libyens Führung auszuweiten. Am 28. Februar | |
hatte die EU die Konten von Gaddafi und 25 Personen aus seinem Umfeld | |
eingefroren, ihnen Visaverbote auferlegt und Waffenlieferungen gestoppt. | |
Jetzt sollen europäische Sanktionen gegen fünf staatliche Körperschaften | |
Libyens verhängt werden, darunter die Zentralbank und die | |
Investitionsbehörde LIA, wichtigster libyscher Staatsfonds. Die LIA hält | |
weltweit Kapital in Höhe von 70 Milliarden Dollar. Was sich davon in der EU | |
befindet, beispielsweise Anteile an der italienischen Bank UniCredit, soll | |
eingefroren werden. | |
Dieser Beschluss, der am Freitag noch von den Regierungen abgesegnet werden | |
muss, stellt eine faktische ökonomische Kriegserklärung an das | |
Gaddafi-Regime dar. Nie zuvor hat die EU so drakonische | |
Wirtschaftssanktionen verhängt, nicht einmal gegen Serbien Ende der 90er | |
Jahre. Ihre Effektivität ist dennoch zu bezweifeln, mahnt der französische | |
Ökonom Olivier Vallée: Die Steuerparadiese Monaco und Gibraltar wenden | |
EU-Beschlüsse nicht an, und Malta verhält sich faktisch wie ein | |
Steuerparadies, sagt er. | |
Der Gipfel soll sich auch mit humanitärer Hilfe für Flüchtlinge an der | |
tunesisch-libyschen Grenze und Hilfsbedürftige innerhalb Libyens, der | |
Zukunft der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Nordafrika sowie mit | |
Einwanderungspolitik beschäftigen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy | |
wünscht sich eine gemeinsame Strategie "angesichts der libyschen Krise und | |
der von ihr ausgehenden Migrationsbedrohung". | |
8 Mar 2011 | |
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