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# taz.de -- Die Preisschraube an der Tankstelle: Öl für Anfänger
> Wird Benzin teurer, wenn die arabischen Länder demokratisch werden? Warum
> steigt der Preis an der Tankstelle schnell? Acht Fragen zum wichtigsten
> Rohstoff der Welt.
Bild: Seit einiger Zeit schon geht der Spritpreis nur nach oben.
1. Wieso steigt der Ölpreis, wenn in den arabischen Staaten die Regime
wackeln?
Weil Öl an den Bösen gehandelt wird - und die reagieren auf Nachrichten
sensibel. Anfang des Jahres kostete das Barrel - das sind 159 Liter -
zwischen 90 und 95 Dollar. In den letzten Tagen stiegen die Preise auf bis
zu 120 Dollar. Geändert haben sich in diesem Zeitraum aber weder Angebot
noch Nachfrage. Denn zwar ist aufgrund des Machtkampfes zwischen
Aufständischen und dem Diktator Gaddafi in Libyen die Ölförderung stark
eingebrochen. Doch die eine Millionen Barrel, die das Land vorher täglich
exportiert hat, ist längst von Saudi-Arabien ersetzt worden, das seine
Förderung entsprechend gesteigert hat.
Vor allem von "Befürchtungen und Stimmungen" sei der Ölpreis derzeit
getrieben, heißt es aus dem Mineralölwirtschaftsverband. Auf die
Möglichkeit, dass weitere Staaten in Nahost aufgrund von Unruhen ihre
Ölförderung herunterfahren oder einstellen und so das Angebot an Öl
verknappen könnten, reagiert die Börse mit Preisanstieg. Steigende Preise
animieren zum Kauf, das Öl wird noch knapper, der Preis steigt weiter. "Da
sind viele Ängste drin", sagt Leon Leschus vom Hamburgischen
WeltWirtschaftsInstitut.
2. Wie viel Spekulation steckt im Preis?
Das weiß in Europa niemand genau. Denn Frankreichs Staatschef Nicolas
Sarkozy konnte sich mit seiner Forderung, die Rohstoffmärkte an Europas
Börsen transparenter zu machen, bislang nicht durchsetzen. Deshalb haben
auch Experten keine Informationen darüber, welche Händler in London, Paris
oder Frankfurt eigentlich was kaufen. Anders in den USA: Dort legt die
Terminmarktaufsicht CFTC offen, wer wie viel kauft.
Sie unterteilt die Investoren in verschiedene Gruppen: Zum Beispiel in
Produzenten und Nutzer - etwa Bauern oder Fluglinien - oder in
Finanzanleger: spekulative Händler wie Hedgefonds oder Pensionsfonds. Sie
sind nicht daran interessiert, tatsächlich Öl zu kaufen; sie spekulieren
auf steigende oder fallende Preise.
Genau diese spekulativen Händler waren in den vergangenen Wochen sehr
aktiv, in der letzten Februarwoche verzeichnete die CFTC einen Anstieg von
Wetten auf einen steigenden Ölpreis um 30 Prozent. Einig sind sich die
Analysten: Je mehr Spekulanten auf einem Markt mitspielen, desto stärker
schwanken die Preise. Zwar sei die Teuerung des Öls durch "Grundmarktdaten
gestützt", sagt der Rohstoffexperte Leon Leschus. Denn bei einer wachsenden
Weltwirtschaft steigt auch der Preis ihres Schmiermittels, des Öls. Doch
das Auf und Ab werde durch Hedgefonds und Co. verstärkt.
3. Wird das Öl teurer, wenn der Nahe Osten und Nordafrika demokratisch
werden?
Die Regierungsform hat mit dem Ölpreis nicht viel zu tun, sagt Klaus-Jürgen
Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Übrigens auch nicht damit, wie
umweltschonend gefördert werde - wenn man bei der Ölförderung überhaupt von
Umweltschonung sprechen könne. Die Produktionskosten seien schließlich zum
allergrößten Teil nicht von Umwelt- oder Sozialstandards, sondern von der
Art der Lagerstätten bestimmt.
Dass Norwegen sein Öl teurer verkaufe als etwa Saudi-Arabien, liege daran,
dass es in der Wüste leichter zu fördern sei. So leicht, dass dort die
Kosten nur einen Bruchteil des Verkaufserlöses ausmachen. Und dabei ist die
Förderung nicht einmal besonders schmutzig - zumindest wenn man den Nahen
Osten etwa mit dem weltgrößten Erdölproduzenten Russland vergleicht. Wie
umweltschonend Öl gefördert wird, hängt vor allem davon ab, ob ein Land
stets die neueste und beste Technologie verwende. Das sei im Nahen Osten
der Fall, in Russland oder China eher nicht.
Außerdem wichtig: der Grad der Korruption. Denn der entscheidet darüber, ob
Gesetze auch angewendet werden. Die beiden Opec-Staaten Nigeria und
Venezuela, die vergleichsweise demokratisch seien, würden weder teurer noch
besser Öl fördern, sagt Klaus-Jürgen Gern.
4. Was passiert mit der Opec?
Im Moment versucht die Organisation der erdölexportierenden Länder
handlungsfähig zu bleiben. Das Libyen nicht an den Verhandlungen zur
Erhöhung der Förderquoten teilnimmt, ist erst mal kein Problem: Die
Organisation hat ein Quorum von 75 Prozent. Wenn nur einer der zwölf
Mitgliedsstaaten fehlt, bleibt die Opec beschlussfähig.
Doch weil sie ihre Entscheidungen nach dem Prinzip "Ein Land, eine Stimme"
fällt, könnte es eng werden, wenn weitere Mitglieder ausfallen. Hier
schauen alle nach Saudi-Arabien. Die Opec-Staaten fördern täglich etwa 30
Millionen Barrel, rund 40 Prozent der weltweiten Produktion. Davon fallen
allein 10 Millionen auf den Wüstenstaat. "Die Opec ist Saudi-Arabien", sagt
Andreas Goldthau von der amerikanischen Central European University in
Budapest.
5. Warum wird Tanken teurer, wenn der Ölpreis steigt?
Blöde Frage? Nicht unbedingt. Rohöl hat an den 1,55 Euro, die der Liter
Super derzeit in etwa an den deutschen Tankstellen kostet, nur einen Anteil
von knappen 40 Prozent. Der Rest sind andere Kosten - etwa für Lager und
Vertrieb - und Steuern. Dass die Mineralölkonzerne direkt nach den ersten
Demonstrationen in Libyen, aber auch an Wochenenden oder in Ferienzeiten
die Benzinpreise heraufsetzen, hat vor allem einen Grund: Weil sie es
können.
"Wenn Schuhe deutlich teurer werden, werden sie nicht mehr gekauft", sagt
Energieexperte Andreas Goldthau. Wenn der Sprit teurer wird, meckern die
Autofahrer. Und tanken dann trotzdem. "Der Konsum von Benzin hängt von den
Lebensumständen ab", sagt Goldthau. Also davon, wo und wie jemand wohnt,
arbeitet und seine Freizeit verbringt. "Das lässt sich nicht so schnell
ändern."
Langfristig befördere ein hoher oder stark schwankender Ölpreis zwar die
Energieeffizienz oder die Änderung von Konsumgewohnheiten. Aber die zu
ändern brauche eine Vorlaufzeit von Dekaden, sagt Goldthau.
6. Und wann wird Benzin wieder billiger?
Das kann schnell gehen. Wenn sich die Lage im Nahen Osten bald wieder
beruhigt, könnten die Preise an der Tankstelle wieder fallen. Langfristig
wirds aber auf jeden Fall teurer, sagt Josef Auer, Energieanalyst bei der
Deutschen Bank Research. Weil die Ölreserven endlich sind und die leicht
auszubeutenden erst recht. Auers Tipp: Auf kleine Autos umsteigen.
Das Krisenjahr 2009, in dem auch der Spritpreis absackte, solle sich
niemand als Maßstab nehmen. Auch Faktoren wie Währungsschwankungen nehmen
Einfluss auf den Benzinpreis. Öl wird in Dollar gehandelt, Benzin in
Deutschland aber in Euro bezahlt. Ist der Dollar, wie derzeit, schwach,
können wir billiger tanken.
Heißt aber auch: Beginnt der Euro zu schwächeln, wird auch das Benzin
wieder teurer, sagt Auer. Derzeit schauen Energieexperten gebannt in den
Nahen Osten. Zwar seien dort bislang noch keine Knappheiten aufgetreten,
sagt Andreas Goldthau aus Budapest. "Aber wenn Saudi-Arabien als Förderland
ausfällt, dann sollten sich alle schnell ein Fahrrad kaufen."
7. Macht der neue Sprit E10 das Tanken teurer?
Kommt drauf an, wen man fragt. Der Mineralölwirtschaftsverband
argumentiert, die Bundesregierung habe mit E10 eine "preistreibende
Kostenmechanik" in Gang gesetzt. Die geht so: Wenn nicht genug Kunden den
neuen Sprit tanken, um die vorgeschriebene Quote zu erfüllen, müssen die
Mineralölfirmen Strafen zahlen.
Die werden auf das alte Super, also E5, umgelegt. In seinen offiziellen
Rechnungen geht der Mineralölverband davon aus, dass in Zukunft die meisten
Menschen E10 tanken werden. Die Sorte Super werde dann nur noch in kleinen
Mengen abgenommen, was die Kosten für Lagerung und Vertrieb pro Liter
steigen lasse - und damit auch den Super-Preis. Der Biokraftstoffverband
hingegen verweist darauf, dass die Steigerung des Ethanolanteils am
Treibstoff von 5 auf 10 Prozent zu einer Preissteigerung von weniger als
einem Cent führe.
Und eine Rechnung macht der Verband gar nicht mehr auf: Einst galt die
Annahme, dass ab einem Ölpreis von 100 Dollar pro Barrel der Einsatz von
teurer zu produzierendem Pflanzenkraftstoff wirtschaftlich werde. Doch
nicht nur das Öl ist in den vergangenen Jahren teurer geworden. Die anderen
Rohstoffe zogen mit - auch die vom Acker.
8. Werden Plastiktüten bald auch mehr kosten?
Schmiermittel, Achillesferse, Stoff - die Synonyme für Öl weisen auf dessen
Rolle in der Weltwirtschaft hin. Es ist nicht wegzudenken. Vor allem als
Energieträger: In Deutschland wurden im Jahr 2008 immerhin 86 Prozent des
Erdöls verbrannt, in Automotoren oder Heizungen.
#Die restlichen 14 Prozent wurden stofflich genutzt, also in Produkte wie
Autoarmaturen, Plastiktüten oder Farben verwandelt. Je weiter vorne sich
ein Hersteller mit seinen Produkten in der Wertschöpfungskette befindet,
desto stärker wirkt der gestiegene Rohölpreis auf ihn. Kunststoffe - wie
die Plastiktüte - werden ziemlich direkt aus Erdöl hergestellt, und könnten
also wirklich auf die Preiskapriole reagieren.
Bei Farben und Lacken hingegen dürfte kaum noch etwas ankommen, sie sind
schon stark weiterverarbeitet. Insgesamt sind die Produkte der chemischen
Industrie in den vergangenen zwölf Monaten deutlich teurer geworden,
gegenüber 2009 kosteten sie laut dem Verband der chemischen Industrie 3
Prozent mehr. Als Ursache nennt der Verband die stark gestiegenen
Rohstoffpreise, darunter auch das Öl.
Allerdings: Stärker als in den entwickelten Industrieländern wirkt der
Ölpreis auf die Wirtschaft in den Schwellenländern. Weil sie ineffizienter
produzieren, brauchen sie vergleichsweise mehr Öl für eine Einheit ihres
Bruttoinlandsproduktes, sagt Goldthau von der Budapester CEU. "Wenn hier an
der Tankstelle der Autofahrer noch stöhnt", sagt er, "brechen dort schon
die Volkswirtschaften zusammen."
12 Mar 2011
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Greenpeace
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