# taz.de -- Sócrates stürzt über Sparpläne: Portugals Regierung hat fertig | |
> Abwertungen durch Ratingagenturen machten die ambitionierten Sparpläne | |
> der sozialistischen Regierung Portugals zunichte. Nun ist die Regierung | |
> gestützt. | |
Bild: Und es ist vorbei ... Portugals Premier José Sócrates verlässt den Rau… | |
Portugals Regierung ist am Ende. Der seit 2005 amtierende Premierminister | |
José Sócrates gab am Mittwochabend im Fernsehen seinen Rücktritt bekannt, | |
nachdem das Parlament seinen neuen Sparplan abgelehnt hatte. Es war der | |
vierte in einem Jahr. | |
Mit erneuten tiefen Einschnitten in Sozialausgaben und Rentensystem sollte | |
die Neuverschuldung von 9,4 Prozent 2009 auf 4,6 Prozent für das laufende | |
Jahr gedrückt werden. Alle fünf Oppositionsparteien von Rechts- bis | |
Linksaußen stimmten gegen den Plan der sozialistischen | |
Minderheitsregierung. "Immer müssen dieselben bezahlen", wetterten | |
Vertreter der linken Parteien. Die konservative Oppositionspartei PSD | |
sprach von "einer tiefen Vertrauenskrise". | |
In frühestens 55 Tagen werden Neuwahlen stattfinden, zu denen Sócrates | |
wieder antreten will. "Was im Parlament geschah, hat nichts mit mir oder | |
der Regierung zu tun", ist er sich sicher. Die "Negativkoalition" aller | |
politischen Kräfte schade vielmehr Portugal. "Heute hat das Land verloren. | |
Zu den wirtschaftlichen kommen jetzt auch noch die politischen | |
Schwierigkeiten", sagte der Sozialist. Dass seine Regierung auf dem derzeit | |
stattfindenden zweitägigen EU-Gipfel Hilfe beantragt, gilt dennoch als | |
ausgeschlossen. Doch mittelfristig wird Lissabon um ein Hilfegesuch an | |
Europa oder den Internationalen Währungsfonds wohl kaum herumkommen. | |
## Ratingagenturen werteten Portugal ab | |
Sócrates hatte in den vergangenen Monaten immer wieder versucht, das Land | |
aus eigener Kraft aus der Krise zu führen. Die Konservativen unterstützten | |
ihn dabei aktiv oder verschafften der Minderheitsregierung per Enthaltung | |
eine relative Mehrheit. Mit nie da gewesenen Sparmaßnahmen sollte der | |
Haushalt saniert werden. Trotzdem fällt die Bewertung durch die | |
Ratingagenturen ständig, und die Zinsen für Staatsanleihen steigen. | |
So werden in einem Teufelskreis die Einsparungen im Haushalt wieder | |
aufgezehrt und neue Sparpläne nötig. Die Rendite für zehnjährige | |
Staatsanleihen Portugals lagen am Donnerstagmorgen bei 7,343 Prozent. Sie | |
waren bereits in den letzten Tagen, als sich das Scheitern Sócrates | |
abzeichnete, erheblich gestiegen. Deutsche Bundesanleihen liegen nur bei | |
3,186 Prozent. | |
Das Vertrauen der Märkte leidet außerdem unter mangelhaften Informationen | |
seitens der Regierung. Die Wirtschaftsdaten mussten in den letzten beiden | |
Jahren mehrmals korrigiert werden. Das könnte erneut drohen. Lissabon hatte | |
für 2010 eine Neuverschuldung von 7,3 Prozent errechnet. Das europäische | |
Statistikamt Eurostat geht jedoch von mehr als 8 Prozent aus. Das Defizit | |
würde damit mehr als 90 Prozent des BIP betragen und nicht 82,4 Prozent, | |
wie die Regierung errechnet hat. Der Grund für die Lücke: Die Regierung | |
habe die Schulden staatlicher Unternehmen nicht berücksichtigt. | |
Auch die Spanier sorgen sich wieder. Die Ratingagentur Moodys stufte | |
Donnerstag früh 30 spanische Banken und Sparkassen um ein bis zwei Stufen | |
herab. Neben dem Risiko durch die steigende Zahl nicht beglichener | |
Wohnungskredite leiden die Geldinstitute auch unter der Entwicklung in | |
Portugal. Ein Drittel der Gesamtsumme staatlicher und privater Schulden | |
Portugals wurde bei spanischen Geldinstituten aufgenommen. Gestern blieben | |
spanische Staatsanleihen aber erst einmal stabil. | |
24 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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